Etwa hundert Millionen Menschen in fast 80 Entwicklungsländern bestreiten ihren Lebensunterhalt mit Kleinbergbau: Sie fördern mit einfachen technischen Mitteln und oft unreguliert mineralische Bodenschätze. Gold wird in Ghana schon seit über 2000 Jahren im Kleinbergbau gefördert. Heute übertrifft die Jahresförderung des Landes mit 4,8 Millionen Feinunzen (136 Tonnen) selbst die Südafrikas, des zuvor größten Produzenten des Edelmetalls auf dem Kontinent; auf der Weltrangliste der Goldfördernationen nimmt Ghana Platz acht ein. Dabei wird selten beachtet, dass mehr als ein Drittel des ghanaischen Golds aus Kleinbergbau stammt, von dem dort etwa 4,5 Millionen Menschen leben, das sind 12 Prozent der Bevölkerung. Über 60 Prozent aller Arbeitsplätze im Bergbau Ghanas entfallen auf diese Art der Goldförderung.
Trotz dieser großen Bedeutung für die Wirtschaft des Landes und die Sicherung des Lebensunterhalts vieler Einwohner auf dem Land ist der Kleinbergbau in Ghana weitgehend unreguliert. Zudem schädigt er durch den Einsatz giftiger Chemikalien Böden, Wälder und Gewässer. Dies liegt vor allem daran, dass die ohnehin schwachen Vorschriften nicht durchgesetzt werden.
Goldsucher aus China
Aktuell hat sich die Situation im Kleinbergbau Ghanas noch verschärft durch die Tätigkeit zahlreicher chinesischer Goldschürfer. Das ist eine Folge der globalen Finanzkrise des Jahres 2008, die zu einer Kapitalflucht in Edelmetalle und damit zu einem rasant steigenden Goldpreis führte. Insbesondere in China, dem größten Goldkonsumenten der Welt, stieg die Nachfrage dramatisch. Dies lockte zwischen 2007 und 2015 etwa 50.000 chinesische Goldsucher, ihr Glück im nahezu unregulierten informellen Bergbau in Ghana zu versuchen.
Das ist vor allem aus zwei Gründen problematisch. Zum einen ist nach ghanaischem Bergrecht der Kleinbergbau eigentlich ausschließlich den Landesbewohnern vorbehalten. Zum anderen führt der Einsatz schwerer, moderner Maschinen, wie sie die Chinesen mitbringen, zu großen Verwerfungen in diesem bislang kaum entwickelten Bereich. Bulldozer, Bagger und aufwendige Pumpsysteme schädigen die Böden stark, zum Teil werden sogar ganze Flüsse umgeleitet. Die Wasserverschmutzung hat derart zugenommen, dass die ghanaischen Wasserbetriebe schon vielfach gewarnt haben, sie könnten die Trinkwasserversorgung nicht mehr sicherstellen, wenn nichts gegen den illegalen Bergbau unternommen werde; der treibe die Kosten für die Wasseraufbereitung stark in die Höhe. Dies hat zu erheblichem Druck auf die Regierung seitens Unternehmen und Umweltgruppen geführt, die vom illegalen Bergbau verursachten Probleme endlich dauerhaft zu lösen.
Kleinbergbau wurde in Ghana erstmals 1989 legalisiert; ein Bergbaugesetz brachte im Jahr 2006 weitere formelle Bestimmungen. So können sich in festgelegten Gebieten lokale Bergarbeiter um eine Schürflizenz für bis zu zehn Hektar Land bewerben. Trotzdem arbeiten nach wie vor 85 Prozent aller Kleinbergwerke in Ghana ohne staatliche Erlaubnis. Zur Eindämmung des Problems greift der Staat hauptsächlich auf den Einsatz des Militärs zurück, statt sich selbstkritisch die Frage zu stellen, warum sich die überwiegende Mehrheit der kleinen Minen auch nach drei Jahrzehnten immer noch nicht in der Lage sieht, die erforderliche Genehmigung einzuholen.
Im Jahr 2013 beispielsweise betraute der damalige Präsident John Mahama eine interministerielle Arbeitsgruppe mit der Aufgabe, illegale Schürfer „rauszuschmeißen“, worauf zahlreiche ohne Genehmigung tätige Bergleute aus China verhaftet und des Landes verwiesen wurden. Der derzeitige Präsident Nana Akufo-Addo, der im Jahr 2017 gelobt hatte, seine Präsidentschaft dem Kampf gegen den illegalen Bergbau in Ghana zu widmen, verschärfte diese harte Linie noch. Ihren Höhepunkt fand sie in der Operation Vanguard, dem bislang größten zentral geplanten Einsatz der Militärpolizei im Kampf gegen illegalen Bergbau in Ghana. Doch solche eher sporadischen Militäreinsätze haben keine dauerhafte Lösung gebracht. Beobachter werten sie eher als Schauveranstaltungen, die von der tatsächlichen Politik der Regierung und der unklaren Situation ablenken sollen.
Die Regeln einzuhalten, ist fast unmöglich
Die derzeitigen rechtlichen Bestimmungen gehen an den Bedürfnissen und Lebensbedingungen der Mehrheit der einheimischen Goldschürfer vorbei. Sie machen es vielen nahezu unmöglich, die Regeln einzuhalten. Dies gilt vor allem für die Kosten des Genehmigungsverfahrens: Diese sind auf einen sehr kleinen Kreis von Goldschürfern zugeschnitten, die das nötige Kapital aufbringen können, nicht auf die vielen, die schiere ökonomische Not ins Bergbaugeschäft drängt. So antwortete ein Minenbetreiber auf die Frage, warum er keine Lizenz eingeholt habe: „Wir machen das nur, um zu überleben und um für unsere Familien zu sorgen, solche Summen kann ich nicht aufbringen. Wenn ich so viel Geld hätte, dann würde ich es in Ausrüstung stecken und weiterhin ohne Genehmigung schürfen.“
Allein bei der Bergbaubehörde, die Schürfrechte in Ghana vergibt, müssen die Antragsteller drei verschiedene Zahlungen leisten: bei der Einreichung des Antrags, für dessen Bearbeitung und schließlich noch einmal für den Entscheid. Weitere Kosten entstehen infolge von Umweltauflagen, für den Erwerb erforderlicher Dokumente und für Vermessungsarbeiten. So addieren sich die Kosten für eine offizielle Lizenz für ein Kleinbergwerk schnell auf 4000 US-Dollar.
Autor
Richard Kwaku Kumah
ist Doktorand an der School of Environmental Studies der Queen’s University in Kingston (Ontario, Kanada). Er forscht zur Ressourcenausbeutung und zu Umweltgerechtigkeit in Entwicklungsländern.Doch der Kleinbergbau in Ghana ist im Grunde eine Folge der Armut in ländlichen Regionen. In einem Land, in dem der tägliche Durchschnittsverdienst kaum über zwei Dollar liegt und das von hoher Jugendarbeitslosigkeit geplagt ist, kann der Gesetzgeber kaum erwarten, dass die mehrheitlich aus der armen Landbevölkerung stammenden Bergleute derartige Summen für eine Lizenz aufbringen. So ist es nicht verwunderlich, dass nur 15 Prozent aller Kleinbergwerke in Ghana eine offizielle Genehmigung besitzen.
Weitere Probleme sind die zentralistische Bürokratie und die Tatsache, dass die Antragsteller in die Lizenzverfahren nicht einbezogen werden. Zwar hat die für den Bergbau zuständige Behörde, die Minerals Commission, Ghana in neun Verwaltungsbezirke aufgeteilt, doch für die Vergabe von Lizenzen an Kleinbergwerke bleibt allein der Minister in der Hauptstadt zuständig. Entscheidungsträger auf Stadt- und Bezirksebene, die mit der Problematik des Kleinbergbaus besser vertraut sind, spielen kaum eine Rolle. Dies führt zu schleppenden Verwaltungsprozessen und öffnet der Korruption Tür und Tor. So meint ein Grubenbetreiber, der schließlich eine Lizenz erwerben konnte: „Es kann zwei Jahre dauern, ehe der Minister über eine Lizenz entscheidet, und dazu muss man noch mehrfach in die Hauptstadt Accra reisen. Was soll man da als Bergarbeiter schon machen? Man schürft eben ohne Lizenz.“ Die Folge ist, dass sich viele gar nicht erst um eine Lizenz bemühen.
Einheimische Bergleute wurden von ihren Feldern vertrieben
Auf der anderen Seite eröffnen Schlupflöcher im Genehmigungsverfahren, die Armut der ghanaischen Bergleute und die chronische Unterfinanzierung der Minen den Chinesen viele Möglichkeiten. „Nur mit chinesischer Unterstützung kann man die Registrierungskosten aufbringen, die Chinesen wollen an das Gold und sie können auch das nötige Bestechungsgeld zahlen. Wenn man die mit im Boot hat, geht alles sehr schnell“, resümiert ein ohne Lizenz arbeitender Bergmann. So sehen viele einheimische Bergleute nur die Möglichkeit, als Strohmann für die Chinesen an eine Lizenz zu kommen. Und selbst wer schon eine hat, muss sich wegen des nötigen Startkapitals und der Maschinen mit chinesischen Partnern zusammentun.
Hinzu kommt große Ungleichheit in der Landzuteilung an die großen Bergbaukonzerne einerseits, die Kleinbergwerke in Ghana andererseits. Experten schätzen, dass die Konzessionen für ertragreiche Gebiete zu über 90 Prozent an ausländische Konzerne vergeben werden. Die kleinen Minen kommen meist nur dort zum Zug, wo keine lukrative Ausbeutung zu erwarten ist.
Kleinbergwerke haben schon lange das Nachsehen in Ghana. Unter dem Druck der Weltbank hatte sich das Land bereits in den 1980er und 1990er Jahren liberalen Wirtschaftsreformen verschrieben. Die Bergbaugesetze des Landes wurden geändert, um ausländische Investoren anzulocken, ausländische Schürfkonzerne erhielten eine Vorzugsbehandlung. Dies führte dazu, dass weite Teile des rohstoffreichen Lands über Jahrzehnte für große Bergbauunternehmen reserviert wurden. Die einheimischen Bergleute wurden nicht nur aus ihren Gruben, sondern auch von ihren Feldern vertrieben.
Diese zutiefst ungerechte Politik hat zur Folge, dass der Kleinbergbau weitgehend im Bereich der Illegalität verharrt. Die ghanaischen Bergleute sehen wenig Grund, sich um eine Lizenz zu bemühen, wenn ihnen ohnehin nur die schlechteren Lagerstätten zugesprochen werden. „Da geht man zur Minerals Commission, um eine Exploration auf dem eigenen Grundstück zu beantragen“, erklärt einer von ihnen, „und dann heißt es, dass man dort nicht schürfen darf, weil das Land von einem ausländischen Unternehmen gekauft wurde. Klar, dass ich dann dort ohne Erlaubnis grabe.“ Auch der Mangel an aussichtsreichen Schürfgebieten trägt dazu bei, dass sich viele mit den Chinesen zusammentun, denn „die Chinesen haben die bessere Prospektionstechnik und Erfahrung“, erklärt ein Bergmann.
Restriktive Gesetze sind keine dauerhafte Lösung
Ein Blick in die Geschichte lehrt, dass restriktive und streng angewandte Gesetze, wie sie schon die britische Kolonialverwaltung einsetzte – sie hat mit der Mercury Ordinance von 1933 die einheimischen Bergleute kriminalisiert –, Ghanas Problem mit ungenehmigtem Bergbaus nicht dauerhaft lösen. Hoffnung macht da, dass Präsident Akufo-Addo in seiner Rede zur Lage der Nation im Januar 2021 die Einberufung eines nationalen Rats angekündigt und zum Dialog über den illegalen Bergbau aufgerufen hat. Will man Bedingungen schaffen, die einen blühenden und ökologisch nachhaltigen Kleinbergbau ermöglichen, von dem Staat wie Bürger gleichermaßen profitieren, dann ist eine bessere Zusammenarbeit mit den Menschen vor Ort unerlässlich.
Zuerst müsste der Kleinbergbau in Ghana an den spezifischen sozioökonomischen Bedürfnissen der lokalen Bergleute ausgerichtet werden. Das derzeitige Bergbaugesetz definiert Kleinbergbau ziemlich unbestimmt als „Bergbau mittels jeglicher Methode, die keinen großen Aufwand erfordert“ – damit gehört praktisch alles, was nicht das Niveau industrieller Ausbeutung erreicht, zum Kleinbergbau. Doch so homogen ist der Sektor nicht. Man muss klar unterscheiden zwischen profitorientierten Unternehmen und jenen Bergleuten, die ausschließlich für ihren eigenen Lebensunterhalt Gold schürfen. Es kann das Lizenzsystem nur stärken, wenn sich die Kosten der Legalisierung an den sozioökonomischen Möglichkeiten der Goldschürfer ausrichten. Die Politik muss begreifen, dass es sich hier um einen Wirtschaftszweig handelt, dessen Beschäftigte zumeist nicht dem großen Geld hinterherjagen, sondern bloß ihr eigenes Überleben sichern wollen.
Die Bürokratie und Korruption müssen bekämpft, die Lizenzierung muss erheblich beschleunigt werden und sämtliche Entscheidungen sollten auf lokaler Ebene in Zusammenarbeit mit traditionellen Würdenträgern und den Gemeinschaften vor Ort getroffen werden. So können nicht nur die lokalen Beteiligten besser einbezogen werden, auch der Dialog mit den Bergleuten wird gefördert. Zudem lässt sich so auch die Einhaltung der Regeln in diesem Bereich besser überwachen und durchsetzen.
Schließlich wird man dafür sorgen müssen, dass die Beschäftigten im Kleinbergbau auch Vertrauen in das Lizensierungsverfahren haben. Will man ihnen fairen Zugang zu attraktiven Bergbaugebieten gewähren, dann muss es in der einen oder anderen Form zu einer Neuverteilung zwischen den Konzernen und den Kleinbergwerken kommen. Der Staat kann an die großen Bergbauunternehmen appellieren, einen Teil ihrer Konzessionen an die Kleinbergwerke abzutreten. Alternativ könnte er auch die Erschließung neuer Gebiete vorantreiben, die ausschließlich an kleine Bergleute verteilt werden.
Klein- und Kleinstbergwerke sind tief in der ländlichen Gesellschaft der Entwicklungsländer verwurzelt und können die Armut viel wirksamer reduzieren als der industrielle Bergbau. Hinzu kommt, dass die lokalen Bergleute verantwortlicher mit der Umwelt umgehen, da sie im Unterschied zu den Konzernen auf die Qualität von Land, Wasser und Wäldern angewiesen sind. Wenn Kleinbergwerke vernünftig reguliert und angemessen finanziert sind, sollten sich die Umweltbelastungen in Grenzen halten. Ghana wird sich entscheiden müssen, ob es wirklich weiter die internationalen Bergbaukonzerne bevorzugen will, die seiner Bevölkerung kaum wirtschaftlichen Nutzen bringen.
Aus dem Englischen von Thomas Wollermann.
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