Südwind trotzt dem Gegenwind

ALEXANDER CHITSAZAN/SÜDWIND-MAGAZIN
Das Südwind-Team, von links: Vera Krackowizer, Christina Schröder, Chefredakteur Richard Solder und Christine Tragler.
Österreich
Das entwicklungspolitische Südwind-Magazin hat eine Anzeige zu einem fossilen Großprojekt in Wien abgelehnt. Die Leserschaft unterstützt diese Position und gleicht die finanzielle Einbuße aus.

In der September/Oktober-Ausgabe des Südwind-Magazins, Österreichs wichtigster entwicklungspolitischen Zeitschrift, die Seite 49 zur Hälfte leer geblieben. „Hier sollte eine bezahlte Anzeige stehen“, heißt es da. Und: „Die haben wir nach interner Diskussion abgelehnt, weil die Bewerbung der geplanten Stadtstraße in Wien in Zeiten der Klimakrise für uns nicht vertretbar ist.“ Die Stadtstraße, die einen neuen Wohnbezirk in Wien-Aspern an die Autobahn anbinden soll, ist seit Jahren umstritten. Klimaaktivisten hatten 2021 monatelang das Baugelände mit einem Protestcamp besetzt. Der Südwind Verein für Entwicklungspolitik und globale Gerechtigkeit, der das Magazin herausgibt, hatte sich damals mit den Aktivistinnen und Aktivisten solidarisiert. Die Stadt Wien drohte den Besetzerinnen und Besetzern mit Klage, um sie einschüchtern. Während der Konflikt mit der Stadt Wien schwelte, hat „ein größerer politischer Player“, wie es von der Redaktion heißt, 100 Jahresabos gekündigt. Aus Datenschutzgründen wollte die Redaktion keine Auskunft über den Abonnenten geben. Man darf aber vermuten, dass es sich um die SPÖ-Fraktion im Wiener Gemeinderat handelt.

Jahrzehntelang hatte das Südwind-Magazin Subventionen aus dem entwicklungspolitischen Budget des Außenministeriums bekommen, die etwa zwei Drittel der Kosten deckten. Die wurden ab 2017 unter dem damaligen Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) eingestellt. Statt die Zeitschrift sterben zu lassen, unternahmen Redaktion und Geschäftsführung einen Kraftakt. Sie warben um zusätzliche Abonnements, brachten statt zehn nur mehr sechs Ausgaben jährlich heraus und kürzten die bezahlten Stunden des Redaktionsteams. Die Zahl der verkauften Abos konnte von 5400 auf 7000 gesteigert werden. Die 100 Abos der roten Rathausfraktion waren damals ein Beitrag des Widerstands gegen die als Willkür gesehene Entscheidung des konservativen Außenministers. Abos und die Auflage von 10.000 sind seither weitgehend konstant.

Mehr als fünf Jahre später kommt das Magazin noch immer regelmäßig alle zwei Monate heraus. Abonnentinnen und Abonnenten erhalten als Bonus jeden Monat ein digitales Extrablatt, das aktuelle Themen in Ländern des Südens aufgreift, etwa die Proteste im Iran oder die Verfolgung politischer Gegner in Nicaragua. Einzelne Artikel werden auch auf der Homepage online gestellt, andere verbergen sich hinter einer Bezahlschranke. Dass das angenommen wird, merke man an den Klickzahlen, sagt Chefredakteur Richard Solder.

„Wir wollen ein Magazin mit Haltung machen“

Auf das Inserat zur Bewerbung der Stadtstraße zu verzichten, sei keine leichte Entscheidung gewesen, sagt Solder. Ein Viertel der jährlichen Kosten von 280.000 Euro werden mit Werbeanzeigen und Spenden erwirtschaftet. „Wir wollen ein Magazin mit Haltung machen. Helfen Sie uns dabei!“, heißt es auf der Leerstelle in der Ausgabe September/Oktober. Knapp über 60 Personen sind diesem Aufruf gefolgt und haben neue Abos abgeschlossen.

Im Außenministerium hat die Redaktion sich nicht erneut um eine Subventionierung der Zeitschrift bemüht. Das Südwind-Team will sich den Luxus der redaktionellen Freiheit gegenüber der Regierung leisten und tritt etwa gegen die immer wieder vom Innenministerium ins Spiel gebrachten Pläne auf, Asylverfahren in ein afrikanisches Land auszulagern. Die Herausgeber können sich auf einen soliden Leserstamm verlassen, der dem Magazin seit Jahren die Treue hält.

Mittelfristig soll auch die jüngere Generation, die vor allem im Netz unterwegs ist, ans Blatt gebunden werden. Solder: „Die finden das schon sehr interessant und sind ja auch sehr weltoffen aber erstens braucht man da Werbemaßnahmen und zweitens sind die halt so, dass sie nicht so schnell Geld ausgeben.“ Grundsätzlich würden aber auch junge Leute eine gedruckte Zeitschrift schätzen, die sie dann auf einer Zugfahrt in die Hand nehmen können.

„Unsere Erfahrung ist, dass sich der Fokus auf Online allein nicht rasch rechnet, also im Sinne von Online-Abos. Aber auf immer mehr Interesse stößt unser Kombi-Abo, das neben den Printausgaben extra Online-Inhalte auf unserer Website bietet“, resümiert Solder die hybride Erscheinungsform des Magazins.

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erschienen in Ausgabe 11 / 2022: Leben in Krisenzeiten
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