Wie die Kirchen zum Klimaschutz beitragen wollen

picture alliance / M.i.S./M.i.S./Bernd Feil
Bis zum Jahr 2045 will die Evangelische Kirche in Deutschland klimaneutral werden. Verwirklicht werden muss das in den Gemeinden – wie hier in Aitrang im Allgäu.
Klimaschutz
Als „Meilenstein auf dem Weg zur Klimaneutralität“ bezeichnet die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ihre Mitte September verabschiedete Klimaschutzrichtlinie. Der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) sieht die Kirchen indes vor allem an ethischer und moralischer Front gefordert.

Für die Kirchen ist Klimaschutz kein neues Thema; das Stichwort „Bewahrung der Schöpfung“ ist seit den 1980er Jahren fest auf der Agenda verankert. Empfehlungen für einen nachhaltigen Umgang mit der Umwelt prägen die kirchliche Arbeit seit langem. Mit ihrer Klimaschutzrichtlinie geht die EKD jetzt einen Schritt weiter und setzt sich das messbare Ziel, bis 2045 die Netto-Treibhausgasneutralität zu erreichen. Bis 2035 bereits sollen die Emissionen auf nur noch zehn Prozent ausgehend vom 1. Januar 2023 reduziert werden.

Die Richtlinie umfasst sämtliche Bereiche von Immobilien und Mobilität über Beschaffung bis zu Bildung und Kommunikation. So soll in den Gebäuden der EKD ausschließlich elektrische Energie aus erneuerbaren Ressourcen genutzt werden. Neue fossile Heizungsanlagen werden nur noch in Ausnahmefällen eingebaut, ansonsten sollen die Räume mit Wärmepumpen, Solarenergie oder über ein Wärmenetz mit erneuerbaren Energien geheizt werden. In Sakralbauten sollen vorrangig „körpernahe Heizsysteme“ wie Bankheizungen eingesetzt werden. Dienstreisen finden nur noch statt, wenn die Geschäfte nicht digital geregelt werden können. Bei allen Arbeitsmitteln und in den Kantinen werden ausschließlich ökologische, nachhaltige und faire Produkte eingekauft. Schließlich sollen die Themen Schöpfungsverantwortung, Schöpfungsspiritualität und Klimagerechtigkeit in der kirchlichen Bildungsarbeit, in Gottesdiensten und in der Ausbildung der Haupt- und Ehrenamtlichen gestärkt werden.

Die EKD versteht die Richtlinie als Orientierungsrahmen

Der Wermutstropfen: Die Richtlinie ist nur in den Bereichen rechtlich bindend, für welche die EKD selbst die Verantwortung trägt. Der allergrößte Teil kirchlicher Arbeit findet in Deutschland aber auf regionaler und lokaler Ebene statt – und dafür sind die Landeskirchen und Ortsgemeinden zuständig. Ob am Ende tatsächlich Klimaschutzmaßnahmen in Kirchengebäuden, Gemeindezentren, Pfarrhäusern und Kindergärten umgesetzt werden, hängt von den Menschen und den finanziellen Möglichkeiten vor Ort ab. Die EKD versteht deswegen ihre Klimaschutzrichtlinie als einen „Orientierungsrahmen“ für ihre 20 Mitgliedskirchen, „der die Freiheit lässt, ihn nach den lokalen Besonderheiten auszufüllen“, wie es ein Sprecher der EKD formuliert. Die Richtlinie diene der Vereinheitlichung von rechtlichen Regelungen, setze Standards und biete daher – bei allen Unterschieden in den Landeskirchen – einen Orientierungsrahmen.

Auf katholischer Seite gibt es keine Klimaschutzrichtlinie oder andere verbindliche Standards, dafür aber Handlungsempfehlungen. „Die Bistümer sind unabhängig und entscheiden selbst, wie sie den Weg zur Klimaneutralität gehen“, sagt Matthias Kopp, Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz. Einige Bistümer wie zum Beispiel Köln oder Freiburg hätten sich bereits das ambitionierte Ziel der Klimaneutralität im Jahr 2030 gesetzt.

Einen ganz anderen Ton schlägt der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) beim Thema Klimawandel an, der bei der Vollversammlung Anfang September in Karlsruhe zentrales Thema war. „Uns läuft die Zeit davon“, heißt es mehrfach in dem Vier-Seiten-Papier, welches den Kurs des ÖRK in den nächsten acht Jahren bestimmen wird. „Diese Versammlung ist die letzte Chance, die wir haben, um gemeinsam zu verhindern, dass der Planet unbewohnbar wird.“

Deswegen drängt der ÖRK außer zum Energiesparen und zu Schritten zur Energiewende vor allem zu einem tiefgreifenden Bewusstseinswandel. „Der Klimanotstand ist eine ethische, moralische und spirituelle Krise, die sich in der Fixierung auf den Profit äußert“, heißt es in dem Papier, das deutlich die Handschrift der Vertreterinnen und Vertreter indigener Völker und von Ländern trägt, die bereits heute existenziell vom Klimawandel bedroht sind. Das Weltbild, in dem der Mensch sich als Krone der Schöpfung begreift, müsse abgelöst werden von einem Verständnis des Menschen als Teil der Natur. „Wir müssen auch in unserer Theologie Antworten auf einen Notstand solcher Dimensionen suchen“, heißt es in dem Papier.

Dies bedeute zum einen, dass die Verursacher des Klimawandels ihre Verantwortung für das Desaster und die ungleiche Verteilung der Folgelasten anerkennen. Zum anderen gehe es aber auch darum, zu bereuen. „Wir müssen Buße tun für unseren anhaltenden menschlichen Egoismus, unsere Gier, die Verleugnung von Tatsachen und unsere Gleichgültigkeit, die das Leben der gesamten Schöpfung beeinträchtigt.“ Deswegen will der ÖRK bis 2030 klimaneutral werden und eine Kommission für Klimawandel und nachhaltige Entwicklung einrichten, welche Fortschritte überwacht, zu konkreten Maßnahmen rät und sich für Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit einsetzt. Der ÖRK will zudem eine weltweite „Ökumenische Dekade zur Buße und zum Handeln für einen gerechten und blühenden Planeten“ ausrufen.

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erschienen in Ausgabe 11 / 2022: Leben in Krisenzeiten
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