„Beste Voraussetzungen für Erneuerbare“

picture alliance / ASSOCIATED PR/Ludovic Marin
Südafrikas Partner für die Transformation: Am Rande des UN-Klimagipfels trifft Präsident Cyril Ramaphosa den US-Klimabeauftragten John Kerry (links), die Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen sowie die Regierungschefs von Großbritannien, Frankreich und Deutschland.
Klimawandel
Südafrika will schnell aus der Kohle aussteigen – doch das ist schwierig und teuer. Um es gerecht zu gestalten, genügen aus dem Norden Kredite nicht, sagt der Exekutivdirektor der Klimakommission des Staatspräsidenten.

Crispian Olver ist Exekutivdirektor der Klimakommission des Staatspräsidenten (Presidential Climate Commission) von Südafrika.
Südafrika möchte aus der Kohle aussteigen. Ist die Energieversorgung dort nicht hochgradig von Kohle abhängig?
Ja. Wir haben einige der größten Kohlevorkommen der Welt, 90 Prozent unseres Stroms wird in Großkraftwerken aus Kohle erzeugt. Darüber hinaus wandelt SASOL, ein südafrikanischer Konzern, große Mengen Kohle in flüssigen Treibstoff um. Diese Technik wurde zur Zeit der Apartheid entwickelt, um während der Sanktionen von Energieimporten weniger abhängig zu sein. Im Kohlesektor entsteht ein großer Teil unserer Wirtschaftsleistung und rund 100.000 Arbeitskräfte sind dort beschäftigt. SASOL und ESKOM, unser Stromkonzern, erzeugen zusammen über die Hälfte der gesamten Treibhausgas-Emissionen Südafrikas. Aber viele der Kohlekraftwerke kommen ans Ende ihrer Lebensdauer. Ihr Betrieb ist unwirtschaftlich, weil Unterhalt und Reparaturen mehr kosten, als ESKOM mit dem Strom einnimmt. Zudem fallen sie immer wieder aus mit der Folge von ständigen Stromausfällen.

Wollen Sie deshalb schnell auf saubere Energie umstellen?
Nicht nur deshalb. Südafrika steht unter hohem Druck, sofort und schnell umzusteigen, weil unsere Wirtschaft sehr emissionsintensiv ist. Wir stoßen pro Einheit der Wirtschaftsleistung doppelt so viel Treibhausgase aus wie China und 70 Prozent mehr als Indien. Wenn demnächst andere Länder und die EU Carbon Border Adjustments einführen, also Abgaben auf Importe mit hohen Emissionen, dann wird Südafrika von allen Entwicklungsländern am stärksten getroffen. Wir haben nicht den Luxus, die Dekarbonisierung noch mal fünf Jahre aufschieben zu können. Wir planen, schon im kommenden Jahrzehnt etwa 20 Gigawatt Kohlekraftwerks-Kapazität vom Netz zu nehmen, das ist fast ein Drittel der gegenwärtigen Stromerzeugung.

Das soll durch erneuerbare Energien ersetzt werden?
Ja. Wir müssen dazu jedes Jahr 7 bis 8 Gigawatt Kapazität an Erneuerbaren installieren. Südafrika gehört zu den Ländern mit den besten Voraussetzungen für erneuerbare Energien. Wir haben exzellente Windbedingungen an den Küsten und auf den Bergen, und Solarenergie lässt sich in großen Teilen des Landes sehr gut erzeugen, besonders im Nordwesten. Wir haben begonnen, den Energiesektor für andere Erzeuger als ESKOM zu öffnen. Kommunen dürfen jetzt ihren eigenen Strom erzeugen und ebenso Privatunternehmen – nicht nur auf dem Firmengelände, sondern auch da, wo die Bedingungen für Erneuerbare besser sind, dann können sie den Strom über das Netz von ESKOM leiten.

Vorher hatte ESKOM das Strommonopol?
Ja. Der Konzern ist sehr groß und sehr schlecht geführt. Unter dem vorigen Präsidenten Jacob Zuma haben zudem korrupte Syndikate den Stromerzeuger sowie andere Staatskonzerne ausgeplündert. Wir haben seitdem gute Fortschritte bei der Bekämpfung der Korruption gemacht, aber im niedrigen Management ist sie noch tief verwurzelt. Das Haupthindernis für den Ausbau der Erneuerbaren ist aber das Stromnetz. Es ist auf Kohlestrom ausgelegt, und die Kraftwerke stehen im Nordosten, in der Nähe der Minen, während das Potenzial für Erneuerbare im Süden und Westen des Landes am größten ist. Wir müssen das Netz umbauen und es außerdem so umrüsten, dass es schwankende Einspeisungen verkraftet, es muss smart werden.

Wie gehen Sie die politischen und sozialen Hindernisse an, wenn der Kohlesektor so bedeutend ist und so viele Arbeitskräfte beschäftigt?
Wir folgen einer Leitlinie, die wir „Rahmen für gerechte Transition“ nennen. Das Ziel ist, sicherzustellen, dass niemand zurückgelassen wird und Arbeitskräfte und Gemeinschaften, die von Einnahmen aus der Kohle abhängen, Hilfe beim Übergang erhalten. Noch mehr Arbeitsplätze sind im Kraftfahrzeugsektor in Gefahr, der in Südafrika sehr groß ist. Wir arbeiten mit den Unternehmen am Übergang zur Elektromobilität, denn wir gehen davon aus, dass die Exportmärkte für fossil angetriebene Autos in den 2030er Jahren verschwinden werden und dann die Produktion, wie sie jetzt ist, wirtschaftlich nicht mehr trägt.

Südafrika exportiert einen Großteil der im Land hergestellten Fahrzeuge?
Ja, etwa 60 Prozent, davon 60 Prozent nach Europa. Unsere Modellrechnungen zeigen aber auch klar, dass in der neuen grünen Ökonomie mehr und bessere Jobs entstehen als heute, zum Beispiel in der Produktion von grünem Wasserstoff und im Bergbau von Metallen für grüne Energie wie Kupfer, Vanadium und Nickel. Auch Solar- und Windkraftanlagen können im Land hergestellt werden.

Die neuen Arbeitsplätze passen aber nicht unbedingt für Menschen, die im Kohlesektor entlassen werden, oder?
Richtig. Erstens sind die neuen Jobs nicht am selben Ort, zweitens erfordern sie etwas andere Qualifikationen und drittens entstehen sie nicht genau dann, wenn in alten Sektoren Jobs wegfallen. Im Übergang werden also Menschen einige Jahre ohne Job sein. Zum „Rahmen für gerechte Transition“ gehört deshalb, dass wir mit der Sozialversicherung und den Firmen, vor allem den Bergbauunternehmen, auf eine angemessene Arbeitslosenversicherung hinarbeiten. Für Ältere soll ein vorzeitiger Ruhestand möglich sein. Wir investieren auch in Fortbildung und Umschulung und fördern die wirtschaftliche Diversifizierung, besonders in der Provinz Mpumalanga im Nordosten, dem Zentrum der Kohleindustrie. Die Provinz hat das beste Stromnetz, man kann dort erneuerbare Energie sofort überall einspeisen. Manche Fabriken haben angefangen, Batterien mit Vanadium herzustellen, das dort gefördert wird und statt Lithium benutzt werden kann. Wir arbeiten auch mit den Minenunternehmen an einer Rehabilitierung der Minen, das wird mindestens fünf Jahre lang Arbeit für viele Menschen bringen. Und wir rüsten drei Kohlekraftwerke, die nahe der Pipeline aus Mosambik liegen, auf Erdgas aus Mosambik um. Die Turbinen werden so gebaut, dass sie übergangsweise mit Erdgas betrieben werden können und später mit grünem Wasserstoff, sobald der auf dem Markt ist.

Wind- und Solaranlagen sollen in Südafrika auch hergestellt werden?
Ja. Einige südafrikanische Firmen tun das eigenständig, aber vor allem sprechen wir mit großen, am Weltmarkt führenden Firmen wie dem dänischen Windkrafthersteller Vestas, damit sie Produktionsstätten in Südafrika aufbauen.

Sind sie auch mit Gewerkschaften im Dialog?
Ja, intensiv. Die Gewerkschaften fürchten mit Recht, dass sie infolge der Transition Mitglieder einbüßen. Denn neue Jobs werden teils in anderen Sektoren entstehen und nicht unbedingt in so riesigen Betrieben wie Minen, in denen man die Leute leicht organisieren kann. Die Gewerkschaften müssen sich auf kleinere und geografisch stärker verteilte Firmen einstellen, in denen man schwerer organisieren kann.

Sollen erneuerbare Energien auch dezentral eingesetzt werden, um auf dem Land mehr Zugang zu Strom zu schaffen?
Zum „Rahmen für gerechte Transition“ gehört ein Programm für Hausdach-Solaranlagen für arme Gemeinden. Das soll auch die heimische Produktion dieser Anlagen anregen. Aber in Südafrika erreicht das Stromnetz schon fast 90 Prozent der Bevölkerung. Eine gewisse Menge Strom für den Grundbedarf ist zudem kostenlos.

Für das alles sind riesige Summen nötig, sowohl für Investitionen als auch für Sozialprogramme. Wie wollen Sie das finanzieren?
Wir schätzen, dass wir für die drei Sektoren, die in der Energietransition zunächst Vorrang haben – nämlich Stromerzeugung, Elektromobilität und Wasserstoff –, ungefähr 100 Milliarden US-Dollar über die kommenden fünf Jahre benötigen. Die Kapitalmärkte in Südafrika funktionieren gut, und wir sind im Gespräch mit Banken sowie Investitions- und Pensionsfonds. Allerdings finanzieren sie Privatinvestitionen zu marktüblichen Bedingungen, die für einen großen Teil des Bedarfs nicht passen. Für soziale Projekte ist eine Finanzierung mit Zuschusselement nötig, etwa zinsvergünstigt. Damit das zusammenpasst, müssen wir Mischfinanzierung nutzen und der Staat muss aus seinem Budget beitragen. Der Finanzspielraum der Regierung ist aber sehr beschränkt, sie hat zurzeit wenig Möglichkeiten, Kredit aufzunehmen – auch weil die Zinsraten sehr hoch sind. Wir sind im Gespräch mit Entwicklungsfinanzierern wie der Weltbank, dem Weltwährungsfonds und regionalen Entwicklungsbanken. Südafrika hat auch zwei nationale Entwicklungsbanken. Die Aufgabe ist, das Geld so zu investieren, dass es produktiv ist und Erlöse abwirft und nicht zu auf Dauer untragbarer Verschuldung führt.

Welchen Beitrag leistet die Partnerschaft für Energie-Transition (JET-P), die Südafrika auf dem vorigen Klimagipfel in Glasgow mit Deutschland, Frankreich, Großbritannien, den USA und der EU geschlossen hat?
Unter JET-P erhalten wir 8,5 Milliarden für fünf Jahre, also weniger als ein Zehntel des nötigen Geldes. Diese Unterstützung ist natürlich willkommen, aber nicht annähernd ausreichend. Und wir brauchen jetzt Finanzierung mit einem hohen Zuschusselement. Da hat uns JET-P enttäuscht. Das Zuschusselement in JET-P liegt bei etwa 2 Prozent, das ist viel weniger, als wir benötigen. Aber damit es vorangeht, kämpfen wir nicht weiter um bessere Konditionen, sondern gehen die Transition mit dem an, was wir haben.

Müssen Sie über die 8,5 Mrd. mit den Gebern je einzeln verhandeln?
Ja. Das ist schwierig. Alle haben ihre eigenen Absichten, alle wollen unterschiedliche Finanzinstrumente nutzen, und sie gehen verschieden an die Rolle des Privatsektors heran. Manchmal hatten wir das Gefühl, wir sollten die Diskussionen lieber mit den Gebern bilateral führen statt im Rahmen von JET-P.

Fördert die Partnerschaft den Technologietransfer nach Südafrika?
Das sehe ich nicht. JET-P ist im Wesentlichen ein Finanzierungsinstrument. Und die meisten Technologien, die wir brauchen, sind vorhanden und erprobt; Solar- und Windkraft sind keine Geheimwissenschaften. Neuentwicklungen sind nötig in der Wasserstoffwirtschaft, in der Batterietechnik sowie beim modernen, digitalen Management von Stromnetzen. Bei Wasserstoff besitzt SASOL selbst Technologien, die wir sogar exportieren können. Aber bei Batterien und dem Netzmanagement wollen wir natürlich so viel wie möglich lernen.

Im Umfeld des jüngsten Klimagipfels wurde eine Reihe weiterer Partnerschaften für Transition geschlossen, etwa mit Kenia und Indonesien. Ist JET-P als Modell dafür geeignet?
Die Voraussetzungen für den Ausstieg aus fossilen Energien sind von Land zu Land sehr unterschiedlich. Ich denke aber, JET-P ist in gewisser Hinsicht ein Modell. Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa hat sich auf dem UN-Klimagipfel dafür eingesetzt, dass ein globaler Finanzierungsmechanismus für gerechte Energie-Transition geschaffen wird. Das sollte ein einheitliches Verfahren sein, statt dass jedes Land hier das Rad immer wieder neu erfinden muss. Im Verlauf unserer Debatten mit den Gebern in JET-P haben wir Kriterien entwickelt, die wir 4C nennen: Finanzierung für Transition muss country-led und concessional sein, das heißt vom Land selbst gesteuert und deutlich günstiger als Kredite vom Kapitalmarkt. Weiter muss sie coherent sein, also Beiträge verschiedener Geldgeber dürfen nicht gegenläufige Ziele verfolgen. Und sie muss catalytic sein, das heißt sowohl Emissionsminderungen als auch weitere Investitionen auslösen. Zusätzlich haben wir eine fünfte Anforderung ohne c: Das Geld muss schnell kommen. Man sollte nicht fünf Jahre über Finanzierung für den Wandel verhandeln müssen.

Das Gespräch führte Bernd Ludermann.

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