Eine weitere Erklärung zum globalen Lernen

picture alliance / dpa/Daniel Naupold
Im Unterricht Horizonte erweitern – darum geht es beim globalen Lernen.
Bildung
Mit Bildung die Welt verbessern? Darum ging es beim Europäischen Kongress zum Globalen Lernen in Dublin. In der deutschen „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ ist allerdings unklar, wer für was zuständig ist.

Mehr als 300 Vertreter von Regierungen, zivilgesellschaftlichen Organisationen, der Wissenschaft und der Entwicklungszusammenarbeit aus ganz Europa haben beim Europäischen Kongress zum Globalen Lernen im November die Dublin Declaration verabschiedet. Globales Lernen sei wichtig, „um eine Welt der sozialen und Klimagerechtigkeit zu schaffen, eine Welt des Friedens, der Solidarität, der Gleichheit und Gleichberechtigung, der planetarischen Nachhaltigkeit und internationalen Verständigung“, heißt es darin.

Die Deklaration war in einem mehr als ein Jahr dauernden Verfahren erarbeitet worden. Daran beteiligt waren auch sogenannte „kritische Freunde“: Fachleute aus dem globalen Süden. Die Deklaration betont den Stellenwert von Globalem Lernen für das Erreichen der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele bis 2030 und die Transformation in Richtung einer post-fossilen Gesellschaft bis zum Jahr 2050. Sie richtet sich an die schulische und außerschulische Bildungsarbeit in Europa und will diese stärken. Initiiert wurde der Prozess vom Global Education Network Europe (GENE). 

Für Deutschland hat das Entwicklungsministerium (BMZ) die Deklaration unterschrieben, zuständig für das Globale Lernen in der Praxis ist die BMZ-Unterorganisation Engagement Global, die Vorstandsmitglied von GENE ist und zum Redaktionsausschuss der Erklärung gehört hat. Mit der Annahme „verpflichten sich die Regierungen in ganz Europa, Bildung für nachhaltige Entwicklung in ihrer Politik und in ihren Strategien und Strukturen zu stärken“, heißt es in einer Pressemitteilung von Engagement Global. 

Budget für entwicklungspolitische Bildungsarbeit gekürzt

Jan Wenzel war für den Dachverband der nichtstaatlichen Entwicklungsorganisationen Venro beim Kongress in Dublin dabei. Seiner Ansicht nach kann die Deklaration dazu beitragen, die entwicklungspolitische Bildungsarbeit zu stärken. In Zeiten knapper Kassen sind Argumentationshilfen willkommen. Gerade erst hat das Entwicklungsministerium das Budget für die entwicklungspolitische Bildungsarbeit gekürzt. Im BMZ-Haushalt für 2023 sind dafür mit 43 Millionen Euro zwei Millionen Euro weniger angesetzt als im Vorjahr. Die Zivilgesellschaft könne sich in ihren Forderungen nach mehr Mitteln auf die Deklaration beziehen, sagt Wenzel. 

Allerdings sei die deutsche Politik in dieser Frage wenig kohärent, auch das Bildungsministerium widme sich der Bildung als wichtigem Zukunftsthema. In Zusammenarbeit mit der Unesco hat es 2021 die Berliner Erklärung  zu Bildung für Nachhaltige Entwicklung verabschiedet, die sich ebenfalls an den 17 UN-Nachhaltigkeitszielen orientiert. Inhaltlich unterscheiden sich beide Erklärungen nicht wesentlich. Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) biete die Grundlage für den erforderlichen Wandel, „indem sie jedem und jeder Wissen, Kompetenzen, Werte und Einstellungen vermittelt, die notwendig sind, um den Wandel hin zu einer nachhaltigen Entwicklung mitzugestalten“, heißt es in der Berliner Erklärung ähnlich wie jetzt auch in der Dublin-Deklaration.

Andere europäische Länder sind weiter als Deutschland

„Deutschland hat sich darauf verständigt, BNE als zentralen Begriff zu verwenden und Globales Lernen als einen Unteraspekt davon“, sagt die Bildungsforscherin Anette Scheunpflug von der Universität Bamberg. „Fragen der globalen Gerechtigkeit spielen bei BNE oft eine untergeordnete Rolle.“ Scheunpflug ist Mitglied im Vorstand des Global Education Network Europe. Sie hält andere europäische Länder teilweise für weiter als Deutschland, etwa wenn es darum geht, in ihren Bildungssystemen koloniale und eurozentrische Sichtweisen zu hinterfragen. Portugal und Frankreich hätten hierzu bereits deutliche Anstrengungen unternommen und in Skandinavien spielten globale Fragen im Bildungssystem ohnehin eine größere Rolle. In Deutschland erschweren nach Ansicht von Scheunpflug etliche Hürden wie der bildungspolitische Föderalismus die Verwirklichung politischer Bekenntnisse wie die in der Dublin Declaration. 

Das Lernen für eine zukunftsfähige Welt wird in Deutschland aber auch zwischen den Bundesressorts zerrieben. Für Globales Lernen ist das BMZ zuständig, da es Fragen im Verhältnis zwischen Nord und Süd anspricht. Für Bildung für nachhaltige Entwicklung dagegen ist das Ministerium für Bildung und Forschung (BMBF) zuständig, das hinter der Berliner Erklärung steht. Allerdings werden beide Begriffe in Statements und Papieren auch austauschbar verwendet, was nicht dazu beiträgt, den Wirrwarr zu beseitigen. 

Unklar ist auch, was alles unter Globales Lernen fällt. Während in der Dublin Declaration auch Anti-Rassismus-Erziehung genannt wird, wird dieses Thema in Deutschland bisher nicht im Rahmen von entwicklungspolitischer Bildung, sondern vom Innenministerium gefördert. Seit Jahren betonen Organisationen der Zivilgesellschaft, dass diese Trennung von der Entwicklungspolitik künstlich ist, und kritisieren diese Förderpraxis. Besonders in den ostdeutschen Bundesländern ist das ein großes Thema. Hier könnte die Dublin Declaration zu einer ganzheitlichen Sicht von Bildungsarbeit beitragen. 

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erschienen in Ausgabe 1 / 2023: Im Protest vereint

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