Kenias Kirche spricht nicht mehr mit einer Stimme

Katja Dorothea Buck
Bischof David Kodia von der Anglikanischen Kirche in Kenia zu Besuch in Derendingen - links Ernst Krapf, ein Nachfahre des Missionars Ludwig Krapf, der als Gründervater dieser Kirche in Kenia gilt.
Kirche und Ökumene
Einmal den Geburtsort des Missionars besuchen, der als Gründervater der eigenen Kirche gilt: Diesen Wunsch hat sich David Kodia, Bischof der anglikanischen Kirche in Kenia, Mitte Mai erfüllt und ist in ein Dorf bei Tübingen gereist. Er berichtet auch über die Lage seiner Kirche.

In Derendingen hat Bischof Kodia auch von der heutigen Situation der Kirchen in Kenia erzählt. Und die ist demnach alles andere als einfach. Davon zeugt eine frisch verheilte Wunde am Hinterkopf des Bischofs: Kurz vor seiner Reise war ein Anschlag auf ihn verübt worden. Demonstranten, bei denen er stark davon ausgeht, dass sie von der Regierung gekauft wurden, hätten ihn mit Steinen beworfen und sein Auto angezündet. Sie hätten nur ihn angegriffen, den anderen Insassen im Auto aber nichts getan. „Die Fäden sind erst vor ein paar Tagen gezogen worden“, sagt er.

Seit einiger Zeit steht das Oberhaupt der anglikanischen Diözese Bondo am Viktoriasee in der Schusslinie. Anfang April waren in den Medien Gerüchte gestreut worden, er würde Falschgeld in Umlauf bringen. Schwer bewaffnete Polizisten stürmten daraufhin seine Residenz und durchsuchten sein Haus. Anders als seine Familie sei er allerdings zu dem Zeitpunkt nicht anwesend gewesen. Hinterher hätten sie sich zwar entschuldigt. Dann habe es aber einen Entführungsversuch und eben jenen Anschlag vor zwei Wochen gegeben, erzählt er. 

Die Regierung will das Schweigen der Geistlichen erkaufen

Und das alles, weil er sich weigere, Geld von der Regierung anzunehmen, „mit denen sie mein Schweigen zum korrupten Verhalten von Politikern erkaufen wollen“. Das sei ein in Kenia gängiges Verfahren von Staatsvertretern, um Kirchenleute unter Kontrolle zu bringen. Früher habe die Regierung den Kirchen kostenlos Land zur Verfügung gestellt. Heute würden teure Autos verschenkt und hohe Geldsummen an Kirchenleitende überwiesen. Er habe sich immer öffentlich gegen diese Vereinnahmungsversuche gewehrt. „Wer einmal etwas angenommen hat, ist nicht mehr frei, Kritik zu äußern, wenn es nötig ist“, begründet Kodia seine Haltung. Gleichzeitig kritisiert er, dass die meisten Pfingstkirchen, deren Anhänger einen erklecklichen Anteil der Bevölkerung ausmachen, sich in den letzten Jahren von der Politik hätten kaufen lassen. „Wir können als Kirchen nicht mehr mit einer Stimme sprechen. Und genau das ist das Ziel der Herrschenden.“ 

Der 60-Jährige war Mitte Mai nach Tübingen-Derendingen gekommen, um in dem Ort zu predigen, in dem Ludwig Krapf, einer der bekannten Afrika-Missionare des 19. Jahrhunderts, geboren wurde und aufgewachsen war. Eine Grundschule und eine Straße sind nach Krapf benannt. Seit einigen Monaten wird allerdings auch in Tübingen die Frage gestellt, inwieweit Mission und Kolonialismus sich gegenseitig bestärkt haben. Eine von der Stadt eingesetzte Historikerkommission hat deshalb in den letzten Monaten alle Straßennamen auf nationalsozialistische, rassistische und kolonialistische Zusammenhänge durchleuchtet und vorgeschlagen, das Schild der Ludwig-Krapf-Straße entsprechend zu markieren. Die Zusammenhänge von Mission und Kolonialismus sollten am Beispiel von Ludwig Krapf ausführlicher erforscht und diskutiert werden, empfiehlt die Kommission in ihrem Abschlussbericht. 

Für Kodia ist der Missionar ein Vorbild im Glauben

Krapf (1810-1881) gilt als Gründervater der anglikanischen Kirche in Kenia. Als junger Mann ging er 1837 im Auftrag einer englischen Missionsgesellschaft nach Ostafrika, versuchte erst in Äthiopien und später in Uganda vergeblich, Menschen zu missionieren, bis er schließlich an der Ostküste in Mombasa die erste Missionsstation aufbaute. Er lernte verschiedene lokale Sprachen und begann, die Bibel in Kiswahili zu übersetzen. 

„Was ihr über Ludwig Krapf denkt und sagt, kann ich nicht beurteilen“, sagt Bischof Kodia dazu. „Für uns aber ist er ein von Gott Gesandter und ein großes Vorbild im Glauben. Er hat sich für die Menschen in Afrika interessiert, hat ihnen nicht gleich Geschichten von Jesus erzählt, sondern erst einmal ihre Sprache gelernt, damit er in ihrer Sprache ihnen vom Reich Gottes erzählen kann.“

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