„Unsere Linie ist klar“

Der Anführer der Economic Freedom Fighters, Julius Malema, führt am 4. April 2023 im südafrikanischen Pretoria vor dem ugandischen Konsulat eine Demo gegen das Anti-Homosexualitätsgesetz an. In Uganda sind solche öffentlichen Kundgebungen riskant. Im südlichen Afrika haben in der Vergangenheit Gespräche zwischen Kirchen und der LGBTQI-Community zu mehr Verständnis und weniger Diskriminierung geführt.
Homosexualität in Uganda
Das drakonische Anti-Homosexualitätsgesetz in Uganda stellt auch kirchliche Hilfswerke wie Brot für die Welt vor ein Dilemma: Wie geht man mit Partnern um, die dieses Gesetz befürworten? Und wie wird es die Projektarbeit verändern? Helle Døssing und Miriam Klier geben Antworten.

In Uganda tritt demnächst vielleicht eines der schärfsten Gesetze weltweit gegen Homosexuelle in Kraft. Wie reagieren Ihre Partnerorganisationen in Uganda darauf? 

Miriam Klier ist Referentin für Uganda bei Brot für die Welt.

Miriam Klier: Wir fördern im Moment 18 Partnerorganisationen in Uganda, mit den meisten arbeiten wir in der Ernährungssicherung, der kleinbäuerlichen Landwirtschaft und der Anpassung an den Klimawandel zusammen. Es gibt aber auch Projekte im Bereich Gesundheit, etwa der HIV-Prävention, sowie Menschenrechte. Direkt zu dem Gesetz hat sich gegenüber uns bis jetzt nur ein Partner geäußert, die ugandische Menschenrechtsorganisation Chapter 4. Sie verurteilt das Gesetz. Der stellvertretende Leiter der Organisation war neulich auf Einladung der Friedrich-Naumann-Stiftung in Deutschland und hat mit dem Auswärtigen Amt, mit Abgeordneten und mit Brot für die Welt gesprochen und vor dem Gesetz gewarnt. Er wollte außerdem Unterstützer gewinnen, die vielleicht politischen Einfluss in Uganda ausüben können. 

UN AIDS warnt, das Gesetz könnte zu Rückschlägen in der Aidsbekämpfung führen. Befürchten Sie das auch? 
Klier: Ich habe gelesen, dass einige Gesundheitseinrichtungen aus Angst vor Repressalien LGBTI-Personen abgewiesen haben. Bei den Einrichtungen, mit denen wir zusammenarbeiten, haben wir davon noch nichts gehörtAber wenn es passiert, müssen wir natürlich reagieren. 

Helle Døssing ist die Abteilungsleiterin Afrika bei Brot für die Welt.

Helle Døssing: Wir müssen jetzt erstmal schauen, wie sich die Situation entwickelt, und natürlich mit unseren Partnern darüber sprechen. Dabei geht es noch nicht mal unbedingt um das Gesetz, sondern um die Projekte selbst. Denn Ziel in allen unseren Projekten ist, dass niemand etwa aufgrund seines Geschlechts oder sexuellen Orientierung diskriminiert wird und alle marginalisierten Personen Zugang zu den Leistungen bekommen. 

Wie können Sie Ihre Partner von hier aus unterstützen? 

Døssing: Ich denke an Sicherheitstrainings für das Projektpersonal oder daran, die Kommunikation zu ändern. Es kann zum Beispiel sein, dass in einem Fortschrittsbericht bestimmte Sachen besser nicht mehr geschrieben werden. Von uns ist Flexibilität, gleichzeitig auch Klarheit und Demut gefragt. Denn es ist leicht, sich hier groß zu empören, wenn man nicht selbst in Gefahr ist. Unsere Partner arbeiten ja jetzt schon in einem Land, in dem ihr Handlungsspielraum zunehmend eingeschränkt wird. 

Viele westliche Politiker, allen voran US-Präsident Joe Biden, haben den ugandischen Präsidenten Yoweri Museveni aufgefordert, das Gesetz zurückzuziehen. Biden hat gedroht, Entwicklungsgelder einzufrieren, etwa für die Aidsbekämpfung in Uganda. Ist das der richtige Weg? 

Klier: Das träfe genau die Zielgruppe, die wir unterstützen wollen. Von daher halte ich das für kontraproduktiv. Ich denke, wir können viel im Bereich Lobbyarbeit machen: Wir gehen zum Beispiel mit Partnern in den Bundestag oder fahren nach Brüssel und sprechen dort mit Abgeordneten, um solche Themen auf die Agenda zu bringen. Seit einiger Zeit bekommen wir übrigens viele Anfragen vom Bundestag, wie wir Steuergelder einsetzen und ob wir etwa in Uganda Kirchen unterstützen, die das Gesetz befürworten. 

Und haben Sie das überprüft? 

Klier: Ja, natürlich prüfen wir, welche Einstellungen und Werte unsere möglichen Projektpartner haben. In Uganda fördern wir keine großen Kirchen direkt, wenn dann eher einzelne, zum Teil unabhängige Entwicklungsinitiativen wie etwa Frauengruppen.

Døssing: In einer aktuellen Anfrage von einem Mitglied des Bundestags über das BMZ ging es um die Orthodox Church of Uganda, die sehr stark für dieses Gesetz geworben hat. Die fördern wir nicht direkt, sondern nur die inzwischen unabhängige Frauenabteilung „Uganda Orthodox Mothers Union“, in dem wir ein Projekt im Bereich Selbsthilfeförderung für Frauen unterstützen

Neben der Kürzung von Entwicklungshilfe sind noch andere Maßnahmen im Gespräch, etwa wirtschaftliche Sanktionen, Einfrieren von Konten und Einreiseeinschränkungen. Was halten Sie für sinnvoll? 

Døssing: Sicher, es muss Reaktionen auf dieses Gesetz geben und eine klare Gegenstimme: Keiner soll auf Grund seiner sexuellen Orientierung diskriminiert oder gar verfolgt und bedroht werden. Wir können uns auch wirksam einbringen, in dem wir gezielt die progressiven Kräfte vor Ort stärken. Man darf ja nicht vergessen, dass viele Kirchen und eine Mehrheit der Bevölkerung das Gesetz in weiten Teilen mittragen. Wir müssen also Kräfte fördern, die ein Umdenken und eine Veränderung vorantreiben können. Das heißt aber nicht, dass wir uns nicht, wenn es wirksam ist, ebenfalls gegen das Gesetz positionieren. 

Klier: Vertreter von Chapter 4 haben vor der Unterzeichnung sogar mit Museveni gesprochen. Sie haben versucht darzulegen, welche wirtschaftlichen Bereiche dieses Gesetz treffen würde und was für einen Schaden es anrichten kann, etwa weil Geber sich abwenden oder Firmen nicht mehr investieren. 

Auch in anderen afrikanischen Staaten befürworten viele Kirchen das ugandische Gesetz und hetzen gegen Homosexuelle. Vor welches Dilemma stellt Sie das als kirchliches Hilfswerk? 

Døssing: Unsere Linie ist klar: Im Sinne des christlichen Auftrags darf niemand ausgegrenzt und marginalisiert werden. Wenn wir manchmal vorsichtig nach außen aufgetreten sind, ging es darum, nicht die Dialogräume sowohl mit unseren Partnern als auch mit den Kirchen zu schließen. Es gab in der Vergangenheit in anderen Ländern Fälle, wo die dortige Kirche die Zusammenarbeit mit westlichen kirchlichen Hilfswerken abgebrochen hat, weil die Kirche gleichgeschlechtliche Ehen segnet. Wir reden ja inzwischen viel über feministische Außenpolitik und über Dekolonialisierung in der Entwicklungspolitik. Wir müssen aufpassen, dass der Fokus auf LGBTQ-Rechte nicht als eine neue Bevormundung durch den Westen ankommt. Deswegen wollen wir uns verstärkt mit unseren Partnern, aber auch mit den Kirchen austauschen. Eine Möglichkeit ist es, sogenannte Safe Spaces einzurichten, also Dialogräume, wo die Gespräche erstmal außerhalb der Öffentlichkeit geführt werden können. Im südlichen Afrika ist das zum Beispiel erfolgreich durch die Fellowship of Christian Councils in Southern Africa gelaufen: Hier haben Treffen zwischen Kirchenvertretern und LGBTQ-Personen zu Aktionen gegen Diskriminierung geführt. Aus solchen Prozessen wollen wir lernen. 

Diese Strategie relativiert jedoch nicht, dass unsere Förderung und Projektarbeit auf christlichen Werten basiert. Wenn wir merken, dass wir im Dialog nicht weiterkommen oder sehen, dass Partner öffentlich Werte vertreten, die unseren Überzeugungen widersprechen, oder sie in der Praxis Menschen diskriminieren, dann können Projekte auch abgebrochen werden. Das gibt auch unser Verhaltungskodex, der jedem Projektvertrag beigefügt ist, her.

Zurück nach Uganda: Hoffen Sie, dass das Gesetz am Ende über eine Verfassungsklage gekippt wird? 

Klier: Ja, ich denke, bis nicht alle rechtlichen Mittel ausgeschöpft sind, kann man noch hoffen, dass das Gesetz gekippt wird. 

Das Gespräch führte Melanie Kräuter. 

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