Diese Art der Klimahilfe hilft nicht

Zum Thema
Wolfgang Ammer
Klimafinanzierung
Kleine vom Klimawandel bedrohte Länder wie die Marshallinseln müssen sich buchstäblich neu erfinden, um nicht unterzugehen. Dafür brauchen sie unbürokratische und langfristige Unterstützung – keine in den Hauptstädten der Geberländer erdachten Dreijahresprojekte.

Die Republik Marshallinseln ist ein Atoll, das im Durchschnitt nur knapp einen Meter über dem Meeresspiegel liegt. In Anbetracht dessen, was die Wissenschaft bis zum Jahr 2050 prognostiziert, stehen uns als Folge des Klimawandels unvorstellbare Verluste und Schäden sowie große Anstrengungen bevor, uns an den Klimawandel anzupassen.

Mit unserem Nationalen Anpassungsplan (NAP) – wir nennen ihn Überlebensplan – stellen wir die Weichen dafür. Aber diesen Plan können wir nicht mit einzelnen Projekten verwirklichen. Wir müssen vielmehr unsere gesamte Politik, Wirtschaft und Gesellschaft umfassend umgestalten, um die Sicherheit unseres Landes und der Bevölkerung zu gewährleisten.

Unsere Antwort auf die Klima­krise haben wir jahrelang geplant. Wir waren die ersten, die 2018 einen nationalen Beitrag zum Klimaschutz im Rahmen des Pariser Klimaschutzabkommens vorgelegt und 2020 aktualisiert haben. Wir haben auch schon früh einen Länder­bericht vorgelegt, der Prioritäten, Bedürfnisse und Lehren für die Anpassung an den Klimawandel darlegt. Heute sind wir dabei, unseren NAP fertigzustellen.

Zäher Kampf um finanzielle Mittel

Damit haben wir auch beim Spiel der Klimafinanzierung mitgemacht: Wir brauchen das Geld ja, um unsere Pläne zu verwirklichen. Wir haben Anträge geschrieben und uns um Mittel beworben. Es haben auch einige Geber den Weg zu uns gefunden und wir haben Fortschritte erzielt. Dabei ging es in erster Linie um Projekte zur Reduzierung der Emissionen, denn wir wissen, dass die Geber ihre Aufmerksamkeit eher darauf richten. Aber selbst da war es ein Kampf, an die Mittel zu kommen, mit der Folge, dass wir alles in allem nur sehr langsam vorangekommen sind.

Für Klimafinanzierung, die wir aus verschiedenen Töpfen erhalten haben, mussten wir separate und jeweils unterschiedliche Antragsverfahren durchlaufen, die mit dem Geld verbundene Berichterstattung und Sorgfaltspflicht separat erfüllen, obwohl doch angeblich alle diese Geldgeber zum selben System gehören. Selbst die vielen Fonds im Rahmen der Vereinten Nationen müssen wir uns jeweils von Grund auf neu zugänglich machen – von der Antragstellung bis zur Berichterstattung. Vor allem im Hinblick auf die Anpassung an den Klimawandel wird dieses Verfahren den Problemen, vor denen wir stehen, nicht gerecht.

Autorin

Tina Stege

ist die Regierungsbeauftragte für Klimawandel der Republik Marshallinseln.

Das erste Problem ist, dass nicht genug Geld da ist, um den gefährdeten Ländern bei der Anpassung in notwendigem Maße zu helfen. Kleine Inselstaaten (SIDS) wie wir können es sich nicht leisten, ihre schon bestehende Schuldenlast zusätzlich zu erhöhen. Aber selbst wenn genug Geld für die Klimaanpassung da wäre – die umständlichen Verfahren, daran heranzukommen und es zu verwenden, machen es uns unglaublich schwer, unsere Arbeit zu tun. Die SIDS sind sehr kleine Länder mit sehr kleinen Verwaltungsapparaten. Verfahren zur Finanzierung, die die Kapazitätsunterschiede zwischen kleineren und größeren Staaten ignorieren, lassen uns wenig Hoffnung.

Das System muss grundlegend geändert werden

Die Diskussionen rund um klima­bedingte Verluste und Schäden waren für uns sehr hilfreich, um zu vermitteln, was sich ändern muss. Die Debatten darüber, wie der neue Loss-and-Damage-Fonds aussehen und verwaltet werden könnte, haben uns Raum gegeben, unsere Erfahrungen im Bereich der Klimafinanzierung anzusprechen. So konnten wir sowohl über die länder- und kontextspezifischen Schwierigkeiten als auch über jene Probleme sprechen, die alle Entwicklungsländer betreffen.

Das System muss grundlegend geändert werden: Es muss gestrafft und überschaubarer werden, um Doppelarbeit zu vermeiden. Es braucht spezielle Fördertöpfe für kleinere Projekte, um den Verwaltungsaufwand zu vermeiden, der für größere Programme erforderlich ist. All das fordern wir schon seit langem.

Zudem brauchen wir langfristig angelegte Programmfinanzierung in großem Umfang. In der Republik Marshallinseln haben wir vergangenes Jahr ein Gesetz für einen Anpassungs- und Resilienzfonds verabschiedet. Wir stehen damit noch ganz am Anfang und sind daran interessiert, von anderen zu lernen, wie man so etwas am besten ausgestaltet. Die Idee dahinter: Alle Gelder, die für den Klimaschutz ins Land fließen, gehen in diesen Fonds, so dass wir sie auf der Grundlage unseres NAP und anderer klima­bezogener Pläne strategisch und auf lange Sicht einsetzen können.

Zeitrahmen von zehn bis zwanzig Jahren

Nur so lassen sich die groß angelegten, kapitalintensiven und langfristigen Maßnahmen – wie die Erhöhung von Gebäuden oder von Land – verwirklichen. Die Zeithorizonte müssen sich ändern: Anstelle der heutigen Drei-Jahres-Zyklen, in denen Gelder in spezifische Projekte fließen, sollten wir Zeitrahmen von zehn bis zwanzig Jahren ins Auge fassen, die für die Art der erforderlichen transformativen, die gesamte Gesellschaft betreffenden Arbeit besser geeignet sind.

Jetzt benötigen wir Geber, die dabei mitmachen. Wir brauchen einfach keine Finanzierung mehr, die stockt, weil vielleicht nur ein Workshop abgehalten wurde statt zwei wie geplant. Oder weil ein Bericht nicht ganz den vorgeschriebenen Kriterien für Leistungsnachweise genügt hat. Das alles hat nichts damit zu tun, was die Menschen vor Ort brauchen, sondern nur damit, was die Geldgeber brauchen. Es geht nicht darum, Rechenschaftspflicht zu umgehen, sondern darum, das System rationaler zu machen. Bislang ist es viel zu kompliziert, um das zu leisten, was es leisten muss – sowohl für die Geber als auch für die Empfänger.

Vertrauen vonnöten

Wir brauchen mehr Vertrauen. Natürlich muss es eine Rechenschaftspflicht dafür geben, wie das Geld ausgegeben wird. Aber eine von Vertrauen gestützte Rechenschaftspflicht ermöglicht es uns, jenes Mikromanagement hinter uns zu lassen, bei dem Dinge nur getan werden müssen, um ein Kontrollkästchen abzuhaken.

Damit das Wirklichkeit wird, brauchen wir mutige Schritte von denen, die Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel finanzieren. So wie es derzeit läuft, funktioniert es nicht – das ist die Erkenntnis aus zahlreichen Erfahrungen in den vom Klimawandel gefährdeten Ländern. 

Aus dem Englischen von Anja Ruf.

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erschienen in Ausgabe 6 / 2023: Von Jung zu Alt
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