Handelsabkommen versprochen – der Inhalt bleibt geheim

SAJJAD HUSSAIN/AFP via Getty Images
Ein Apotheker in Neu-Delhi. Indien hat eine große Generika-Industrie, die vor allem arme Länder mit Medikamenten versorgt. Handelsabkommen mit strengen Regeln zum Patentschutz können das gefährden.
Schweiz
Seit sechzehn Jahren verhandelt die Schweiz mit Indien über ein Freihandelsabkommen. Den Verhandlungsstand hütet die Regierung wie ein Geheimnis, kritisieren NGOs. Umso mehr sorgt ein Leak für Aufregung.

Ende Januar verkündete der Schweizer Wirtschaftsminister Guy Parmelin, das Freihandelsabkommen zwischen Indien und den vier Staaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) Island, Liechtenstein, Norwegen und Schweiz stehe kurz vor dem Abschluss. Man habe sich auf die Grundzüge geeinigt, so Parmelin gegenüber der „Sonntagszeitung“. Die Meldung beunruhigt zivilgesellschaftliche Organisationen in der Schweiz, die die Verhandlungen beobachten. Sie befürchten, Indien könnte bei einem der Knackpunkte der Verhandlungen eingelenkt haben: den Rechten über geistiges Eigentum im Pharmabereich.

Die Schweiz, wo Pharmariesen wie Novartis und Roche ihren Sitz haben, versucht im Freihandelsabkommen mit Indien, die Patentrechte auf Pharmaprodukte zu stärken. Sie fordert etwa, dass Patentrechte auf neue Medikamente länger als wie bisher zwanzig Jahre bestehen bleiben sollen. Indien hat sich dem bisher widersetzt, da dies schädlich für die indische Generikaindustrie wäre. Indien ist der weltweit wichtigste Hersteller von Generika, also Nachahmerpräparaten, die vor allem im globalen Süden eine Alternative zu den teuren Originalmedikamenten sind. 

„Für das Recht auf Gesundheit wäre es schlecht, würde Indien hier einlenken“, sagt Isolda Agazzi von Alliance Sud. Zudem, so Agazzi, hätte das Folgen über die EFTA-Staaten hinaus: Aufgrund des Meistbegünstigungsprinzips im internationalen Handelsrecht, das grundsätzlich auch für Regeln zum Schutz geistigen Eigentums gilt, müsste Indien dieselben Bedingungen auch der EU, Großbritannien oder den USA gewähren, mit denen das Land derzeit ebenfalls über Freihandelsabkommen verhandelt.

Die EU ist transparenter

Worauf sich die Verhandlungspartner genau geeinigt haben, ist nicht bekannt. Im Gegensatz zur EU, die ihre Vorschläge für einen Vertragstext sowie regelmäßige Berichte über den Stand der Verhandlungen publiziert, veröffentlicht die Schweiz keine Informationen darüber. Diese Intransparenz sei ein großes Problem, sagt Patrick Durisch von der Organisation Public Eye: „Es gibt keine demokratische Legitimität für diesen Verhandlungstext.“ Selbst Parlamentarier hätten keine Einsicht, geschweige denn NGOs wie Public Eye. Weil die gemeinnützige Zivilgesellschaft nicht in die Verhandlungen einbezogen werde, könne am Ende höchstens ein Referendum dagegen ergriffen werden, so Durisch. Die Stimmbevölkerung stünde dann nur noch vor der Wahl: alles oder nichts.

Mitte Februar schien ein Leak aus dem Verhandlungstext die Befürchtungen der NGOs zu bestätigen. Dort ist etwa von einer sechsjährigen Datenexklusivität die Rede: Demnach würden Daten aus Studien, die Hersteller vor der Zulassung von Medikamenten durchführen, erst nach mindestens sechs Jahren für die Zulassung von Generika verwendet werden können – was wiederum deren Vermarktung verzögern würde.

Indien will keine Kompromisse bei Generika eingehen

Daraufhin aber erklärte der indische Handelssekretär Sunil Barthwal, dass Indien keine Kompromisse zulasten der Generika-Industrie eingehen werde. Die Diskrepanz zwischen dem geleakten Text und den Aussagen des Handelssekretärs erklärt Patrick Durisch von Public Eye damit, dass die Verhandlungen bisher lediglich zwischen technischen Experten stattgefunden haben. Nun müssten beide Seiten auf politischer Ebene zustimmen. Dass sich Barthwal so deutlich positioniere, begrüßt Durisch. „So klar haben sie das in letzter Zeit nicht gesagt.“

Indem sich die Schweiz für stärkere Patentrechte einsetze, stelle sie die Interessen der heimischen Pharmakonzerne über das Recht all jener auf medizinische Versorgung, die von Indiens Generika abhängig seien, sagt Durisch. Er erinnert daran, dass das höchste Gericht in Indien im Jahr 2013 eine Klage von Novartis in einem Rechtsstreit um ein Patent auf das Krebsmittel Glivec zurückgewiesen hat. Im Rahmen der Klage habe Novartis behauptet, das indische Patentrecht verstoße gegen Regeln der Welthandelsorganisation, sagt Durisch. Er wertet den Angriff als Versuch, Indiens Gesetzgebung im Sinne von Novartis zu ändern. „Seither versuchen sie es über das Freihandelsabkommen.“

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