Zwist um den richtigen Weg zum gerechten Frieden

Mit einem Gegenentwurf hat das Ökumenische Netzwerk in Deutschland (ÖNiD) auf die erste Version der „Erklärung zum gerechten Frieden“ des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) reagiert. Diese Erklärung will der ÖRK 2011 zum Ende der Ökumenischen Dekade zur Überwindung von Gewalt veröffentlichen. Der Weltkirchenrat hatte alle Mitgliedskirchen und Interessierte aufgefordert, den Entwurf zu kommentieren.

Der ÖRK-Entwurf sei „lediglich eine sehr abstrakte begriffliche Untersuchung zum Thema ,gerechter Friede‘“ und enthalte „keine klaren Handlungsvorschläge für die Kirchen“, urteilt Ulrich Duchrow, Professor für Systematische Theologie an der Universität Heidelberg. Duchrow hat am Gegenentwurf des ÖNiD maßgeblich mitgearbeitet. Der ÖRK-Text erfasse nicht ausreichend „die Dramatik dessen, was wir aktuell an direkten, strukturellen und kulturellen Gewaltphänomenen erleben“, kritisiert Duchrow. Das ÖNiD vereint 31 ökumenische Basisgruppen und Organisationen.

Schon seit längerem monieren das Netzwerk und andere Basisgruppen, der ÖRK und die westlichen Kirchen stellten immer seltener die dringenden Fragen nach sozialer und wirtschaftlicher Gerechtigkeit im globalen Kontext. Im Hintergrund dieser Auseinandersetzung stehen zwei verschiedene Programmlinien im ÖRK, in denen Kirchen innerhalb des konziliaren Prozesses ihrer Verpflichtung zu Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung nachkommen sollen. Zum einen gibt es die sogenannte AGAPE-Bewegung (Alternative Globalization Addressing People and Earth), die sich zu Fragen globaler Gerechtigkeit äußert und als kritisch gegenüber dem herrschenden westlichen Wirtschaftssystem eingestuft werden kann. Zum anderen läuft seit 2001 die Ökumenische Dekade zur Überwindung von Gewalt.

Duchrow kritisiert, die westlichen Kirchen drückten sich vor den eigentlichen Fragen der strukturellen Gewalt, die im AGAPE-Prozess behandelt werden. Stattdessen habe man sich auf die Dekade zur Überwindung von Gewalt konzentriert und diese in eine weniger systemkritische Richtung gelenkt. Duchrow vermutet hinter dem weichen Kurs der deutschen Kirchen, dass sich niemand innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ernsthaft mit den Banken und den Vertretern des herrschenden Wirtschaftssystems anlegen wolle.

Eberhard Pausch, Referent für Fragen öffentlicher Verantwortung bei der EKD, weist das zurück. „Den politischen Frieden zu gewinnen ist alles andere als einfach“, entgegnet Pausch und verweist auf die Debatte um die Aussagen der EKD-Ratsvorsitzenden Margot Käßmann zur Beteiligung deutscher Soldaten am Afghanistankrieg. „Die EKD fährt diesbezüglich keinen weichen Kurs.“ Man könne die Globalisierung zwar nicht zurückdrehen. „Wir können aber darauf hinarbeiten, dass sie friedlicher und gerechter gestaltet wird“, sagt Pausch, der an dem Kommentar der EKD zum ÖRK-Entwurf mitgearbeitet hat. Es sei durchaus bemerkenswert, dass der ÖRK den Begriff des gerechten Friedens (und nicht des Krieges) zum Leitbegriff erhoben habe. „In den deutschen Kirchen ist das seit Jahren ein stehender Begriff. Es gibt aber Kirchen im ÖRK wie zum Beispiel die Anglikaner, die nach wie vor vom Konzept des gerechten Kriegs reden“, erklärt Pausch.

Der ÖNiD-Text und der EKD-Kommentar sind nur zwei von vielen Beiträgen und Kommentaren zum ÖRK-Entwurf für eine Erklärung zum gerechten Frieden. Das Redaktionskomitee des ÖRK wird unter Berücksichtigung der Rückmeldungen im März eine neue Version verfassen.

 

erschienen in Ausgabe 2 / 2010: Der Mensch als Ware
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