Erinnern, aufarbeiten, wiedergutmachen

Aus Anlass der Berliner Afrika-Konferenz vor 125 Jahren fordern entwicklungspolitische Gruppen in Berlin und Brandenburg einen neuen Umgang mit dem Erbe des deutschen Kolonialismus. Die Kampagne „Erinnern, aufarbeiten, wiedergutmachen“ will dessen Folgen für die Öffentlichkeit sichtbar machen.

Die Berliner Afrika- oder Kongo-Konferenz von 1884/85 gilt als entscheidende Wegmarke für die Aufteilung des afrikanischen Kontinents in Kolonien der großen europäischen Mächte. Mit dieser Konferenz auf Initiative Bismarcks trat auch das Deutsche Reich offiziell dem Kreis der Kolonialmächte bei. Die Konferenz bestätigte den Anspruch Berlins auf seine Kolonien in Togo, Kamerun, dem heutigen Namibia, Tansania, Burundi und Ruanda.

„Wir wollen einen grundlegenden Wandel im Umgang mit unserer verdrängten oder verklärten Kolonialvergangenheit“, beschreibt der Historiker Christian Kopp vom Verein Berlin Postkolonial die Ziele der Kampagne. Sichtbarer Ausdruck dieses verdrängten Erbes ist zum Beispiel, dass bis heute Pioniere des deutschen Kolonialismus mit Straßen, Plätzen und Alleen geehrt werden. In deutschen Museen befinden sich Raubgut und Beutekunst aus den ehemaligen Kolonien. In Magazinen und Depots von Museen und Universitäten lagern die sterblichen Überreste von Afrikanern, die insbesondere während der Kolonialkriege 1904-1908 in Namibia und Tansania für die anthropologischen Sammlungen in Deutschland zusammengetragen wurden. Insgesamt stehe eine umfassende und kritische Aufarbeitung des Kolonialismus noch aus, sagt Kopp.

Allein in Berlin haben die Initiatoren rund 70 Straßen und Plätze ausgemacht, deren Bezeichnungen entweder rassistisch seien oder Vertreter des deutschen Kolonialismus würdigten. Sie fordern, solche Spuren sollten nicht verwischt, sondern mit Mahnmalen und Gedenktafeln im öffentlichen Raum kritisch kommentiert werden. Nur in besonders schwerwiegenden Fällen sollte man Straßen, die Kolonialisten ehren, umbenannt werden. Wichtig sei vor allem die Auseinandersetzung mit dem Thema in Schulen, Universitäten und Bildungseinrichtungen. Menschliche Gebeine in Universitäten und Museen sollten an die entsprechenden Länder zurückgegeben werden, damit sie eine würdige Bestattung erhalten können. Außerdem fordern die Initiatoren eine „ideelle und materielle Entschädigung für die ehemaligen deutschen und europäischen Kolonien“.

Einen ersten Erfolg kann die Initiative von Berlin Postkolonial mit der 2009 beschlossenen Umbenennung des Gröbenufers im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg verbuchen. Gröben war ein brandenburgischer Offizier, der Ende des 17. Jahrhunderts die brandenburgisch-preußische Handelskolonie Großfriedrichsburg (heute Princess Town) an der Goldküste Ghanas aufbaute. Von hier aus beteiligte sich Brandenburg bis 1720 am transatlantischen Sklavenhandel. Ab Frühjahr 2010 soll die Straße den Namen der afrodeutschen Aktivistin May Ayim (1960-1996) tragen.

Die Kampagne „Erinnern, aufarbeiten, wiedergutmachen“ endet am 27. Februar mit einem Gedenkmarsch in Berlin, der an die afrikanischen Opfer von Sklaverei, Sklavenhandel und Kolonialismus erinnern soll.

erschienen in Ausgabe 2 / 2010: Der Mensch als Ware
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