Der Krieg, der seit nunmehr zwei Jahren im Sudan tobt, erhält weltweit nur einen Bruchteil der Aufmerksamkeit, die dem Gazastreifen und der Ukraine zuteilwird. Dabei ist der Konflikt im drittgrößten Land Afrikas nicht weniger tödlich. Hunderttausende Zivilisten haben bei den Kämpfen zwischen den sudanesischen Streitkräften (SAF) und den paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) schon ihr Leben verloren, rund 26 Millionen Menschen leiden laut Welthungerhilfe als Folge unter akutem Hunger, rund die Hälfte der Bevölkerung.
Das sudanesische Militär, das als offizielle Regierung auftritt, wirft den RSF vor, einen Völkermord am Volk der Masaliten zu begehen. Es hatte deshalb im März Klage gegen die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag eingereicht, weil diese mit ihrer finanziellen und militärischen Unterstützung für die RSF zum Völkermord beitrügen. Der Gerichtshof hat die Klage am 5. Mai abgelehnt – aus rein verfahrenstechnischen Gründen: Die VAE haben, als sie die UN-Völkermordkonvention unterzeichneten, ausdrücklich Artikel 9 ausgenommen, der eine solche Klage zulassen würde.
Belege für einen Völkermord
In der Sache gibt es starke Belege, dass solch ein Völkermord stattfindet. Berichte von Human Rights Watch, dem Raoul Wallenberg Centre for Human Rights und dem Humanitarian Research Lab der Universität Yale haben dokumentieren, dass die RSF in der Region Darfur im Westen des Sudan Massentötungen und sexuelle Gewalt verüben und gezielt Dörfer von Masaliten niederbrennen – bis 15.000 masalitische Zivilisten sollen zu Tode gekommen und rund 500.000 in den Tschad vertrieben worden sein. Auch die Unterstützung der Emirate für die RSF ist erwiesen: Im Januar 2024 hat das Expertengremium des UN-Sicherheitsrats für Sudan eine Reihe von Belegen dafür vorgelegt, dass die VAE die RSF über ihre Militärbasis in Amdjarass im Tschad mit Waffen versorgt haben. Untersuchungen der Nachrichtenagentur Reuters und der New York Times ergeben ein ähnliches Bild.
Als Südafrika im Dezember 2023 wegen Israels Vorgehen im Gazastreifen vor den Internationalen Gerichtshof zog, erhielt es sofort Beifall und Unterstützung von etlichen Regierungen des globalen Südens, darunter aus Kolumbien, Chile, Libyen, Algerien, Bangladesch, Brasilien, Chile, Mexiko, Pakistan und Nicaragua, sowie aus Belgien, Irland und Spanien. Die Klage des Sudan gegen die VAE erfuhr dagegen – auch als sie noch anhängig war – trotz der erdrückenden Beweise für Kriegsverbrechen und ethnische Säuberungen nur wenig Öffentlichkeit und noch weniger internationale Unterstützung.
Einmischung regionaler Mächte
Der Krieg im Sudan wird international vernachlässigt – vom UN-Sicherheitsrat ebenso wie von der Afrikanischen Union oder auch der EU. Dabei ist er eine der schlimmsten humanitären und politischen Krisen unserer Zeit. Er ist nicht nur Folge des Machtkampfs im Sudan, sondern wird auch von der Einmischung regionaler Mächte angeheizt wie eben der VAE, aber auch Saudi-Arabiens und Ägyptens, die die Militärregierung unterstützen. Auch die begeht Kriegsverbrechen, wenn sie Zivilisten bombardiert und humanitäre Hilfe für Menschen in RSF-Gebieten teils massiv behindert.
Gleichzusetzen mit dem gezielten Vorgehen der RSF gegen die Masaliten ist das trotzdem nicht. Das zeigen nicht zuletzt Konfliktdaten der nichtstaatlichen Initiative Armed Conflict Location and Event Data (ACLED): Demnach führen die RSF eine systematische Kampagne zur Ausrottung, sexuellen Versklavung und Einäscherung ganzer Dörfer.
Die Katastrophe im Sudan ist zu einem großen Teil auf den anhaltenden Zugang der Kriegsparteien zu ausländischer militärischer und finanzieller Unterstützung zurückzuführen. Die VAE, Saudi-Arabien und Ägypten haben bis Anfang der 2020er Jahre zusammengearbeitet, wenn es darum ging, in der Region Demokratiebestrebungen zu verhindern, den Aufstieg des politischen Islam zu stoppen und dem Einfluss Irans und der Türkei entgegenzuwirken. Dass sie jetzt ihre wirtschaftlichen und regionalpolitischen Rivalitäten im Jemen, in Libyen und eben im Sudan austragen, ist für diese Länder verhängnisvoll.
In der sudanesischen Konfliktgeschichte hat sich immer wieder gezeigt, dass auf lokaler oder regionaler Ebene ausgehandelte Waffenstillstände zeitweise funktionieren. Damit dieses Potenzial ausgeschöpft werden kann, muss die Einmischung ausländischer Parteien unterbunden werden – über diplomatische Initiativen ebenso wie über regionale Organisationen wie die Afrikanische Union.
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