Waldschutz ja, aber unverbindlich

Holzarbeiter stapeln Baumstämme.
picture alliance / dpa/Ahmed Jallanzo
Legal oder illegal? Liberia hat sich in dem Abkommen, das die EU nun kündigen will, dazu verpflichtet, die Einhaltung seiner Waldgesetze besser zu kontrollieren. Diese Holzarbeiter stapeln 2016 Stämme von Gummibäumen auf einer Farm nahe Liberias Hauptstadt Monrovia.
EU-Liberia
Die EU-Kommission will ein Abkommen mit Liberia kündigen, das dieses westafrikanische Land zu besserem Waldschutz verpflichtet. Dort trifft das auf Unverständnis.

Europa hat sich den Schutz von Wäldern im Süden vor illegalem Einschlag auf die Fahnen geschrieben. Jetzt will die EU-Kommission ein Partnerschaftsabkommen mit Liberia kündigen, in dem sich das westafrikanische Land verpflichtet, gegen illegale Holzfäller vorzugehen. Das würde dort bisherige Erfolge und generell Liberias Weg Richtung gute Regierungsführung gefährden, hat Ellen Johnson Sirleaf im Mai gewarnt. Sirleaf war von Anfang 2006 bis Januar 2018 Präsidentin Liberias, hat 2011 den Friedensnobelpreis erhalten und im selben Jahr das Partnerschaftsabkommen mit der EU unterzeichnet, das dann 2013 in Kraft getreten ist und nun in Frage steht.

Solche sogenannten Voluntary Partnership Agreements (VPA) hat Brüssel unter dem Programm „Forest Law Enforcement, Governance and Trade“ (FLEGT) aus dem Jahr 2003 mit bisher zehn Ländern geschlossen, darunter sechs in West- und Zentralafrika. Sie verpflichten diese Länder, Gesetze und Behörden für den Waldschutz zu reformieren und ein Kontrollsystem aufzubauen, dass für die Einhaltung der eigenen Waldgesetze sorgt. Die EU unterstützt das mit Entwicklungshilfe und erleichtert ihrerseits Holzimporte aus dem Partnerland: Wenn Brüssel die dortigen Reformen und Kontrollsysteme für ausreichend hält, darf das Partnerland selbst die nötigen Zertifikate für Ausfuhren in die EU ausstellen. Diesen sogenannten Endpunkt des VPA haben bisher zwei der zehn Länder erreicht: Ghana und Indonesien. 

Reformen für unzureichend erachtet

Liberia strebt ihn für 2026 an. Doch Ende 2024 hat die EU angekündigt, aus dem Abkommen auszusteigen. Auf die Frage nach den Gründen heißt es aus der Kommission, das VPA wirke nicht: Mehr als zehn Jahre nach Abschluss sei der Endpunkt in Liberia immer noch außer Reichweite, die Reformen seien also unzureichend. Das Instrument sei nicht geeignet für die Strategien der EU wie Global Gateway und die neue EU-Entwaldungsverordnung. Die EU sei bereit, beim Waldschutz weiter mit Liberia zusammenzuarbeiten, doch dafür seien Waldpartnerschaften (Forest Partnerships) das bessere Mittel. Denn sie konzentrierten sich nicht nur auf Governance, sondern seien „holistisch“: Sie zielten auch auf Wertschöpfungsketten aus der Waldnutzung sowie auf Klima- und Artenschutz.

Sydney Vennin von der Waldschutzorganisation FERN in Brüssel überzeugt das nicht. Zwar sei das VPA in Liberia tatsächlich mangelhaft umgesetzt. Das aber liege daran, dass der von Sirleaf in Gang gesetzte Prozess von ihrem Nachfolger George Weah seit 2018 blockiert wurde. Unter dessen seit Anfang 2024 amtierendem Nachfolger Joseph Boakai gehe es eindeutig wieder voran. Das VPA hat laut einem Bericht von FERN vom Januar 2025 im Waldsektor Liberias Fortschritte bewirkt, etwa beim Monitoring und der Beteiligung lokaler NGOs.

Repressionen gegen NGOs

Vennin weist darauf hin, dass die EU-Kommission vor der Entscheidung zu Liberia das VPA mit Kamerun gekündigt hat. Das sei tatsächlich kaum umgesetzt worden, Korruption und illegaler Holzeinschlag seien dort verbreitet. Diese Kündigung hätten soziale Organisationen aus Kamerun selbst unterstützt. Zudem nähmen Repressionen gegen NGOs dort zu. Dagegen haben sich Umweltschutzgruppen in Liberia genau wie Sirleaf klar gegen die Kündigung des VPA ausgesprochen.

Zweifelhaft ist auch die Aussage der EU-Kommission, Waldpartnerschaften seien ein besseres Instrument zum Waldschutz als VPA. Waldpartnerschaften hat die EU seit 2022 mit bisher sieben Ländern geschlossen und sie behandeln in der Tat auch nachhaltige Waldbewirtschaftung, Kohlenstoffbindung (auch mit Blick auf CO2-Zertifikate) und Artenschutz. Aber sie sind im Gegensatz zu den rechtlich bindenden VPA kaum mehr als allgemeine und unverbindliche Absichtserklärungen. Hilfen für damit verbundene Projekte kann die EU nach Gutdünken gewähren oder einstellen. Der erleichterte Marktzugang am Endpunkt eines VPA ist dagegen vertraglich festgeschrieben und ein starker Anreiz für Partnerländer, gegen illegalen Einschlag vorzugehen.

Auch die Entwaldungsverordnung der EU kann nicht als gleichwertiger Ersatz für VPA gelten. Sie erlegt nicht Partnerstaaten, sondern Unternehmen, die Holz in die EU importieren, Sorgfaltspflichten auf, betont Vennin. Dagegen ist das Ziel der VPA und des FLEGT-Programms insgesamt, die Waldpolitik anderer Staaten und ihre damit befassten Behörden zu verbessern und die Mitwirkung von sozialen Organisationen im Waldsektor zu sichern. Wo das gelingt, wird auf Dauer nicht nur das in die EU exportierte Holz legal geschlagen: Auch im Inland verwendetes oder in andere Länder wie China exportiertes Holz dürfte dann seltener illegal gefällt werden. Aus Liberia etwa gehen rund 70 Prozent der Holzexporte heute nach China. Solche strukturellen und über eigene Importe hinausgehenden Wirkungen sind weder von unverbindlichen Forest Partnerships noch von der Entwaldungsverordnung zu erwarten; FLEGT und die VPA sind in dieser Hinsicht einzigartige Instrumente der EU.

VPA kann die EU-Kommission nur mit Zustimmung des EU-Parlaments und des Rates der EU kündigen. Im Falle Kameruns haben beide zugestimmt , jedoch mit der Maßgabe, dass dies nicht als Präzedenzfall für andere solche Abkommen gelten dürfe. Für die Kündigung des VPA mit Liberia muss die Kommission noch das Plazet des Parlaments und des Rats einholen. Ob sie es bekommt, ist offen. Doch für Vennin ist der Vorgang ein weiteres Zeichen, dass Brüssel dem Umwelt- und Waldschutz immer weniger Gewicht beimisst.

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