Die diesjährige UN-Klimakonferenz, kurz COP30, tagt vom 10. bis 21. November in Belém, der Hauptstadt des brasilianischen Bundesstaates Pará, und damit zum ersten Mal im Amazonasgebiet. Hier liegt der größte tropische Regenwald der Erde, ein wichtiger Regulator des Weltklimas und Heimat Tausender Pflanzen- und Tierarten. Theoretisch sollen UN-Klimagipfel pluralistische Foren sein, auf denen Staaten sich auf Maßnahmen zur Eindämmung und zur Anpassung an den Klimawandel einigen. Aber viele Vertretungen der vom Klimawandel Betroffenen bekommen keinen Zugang zum Verhandlungszentrum.
Deswegen organisieren Bewohner der Randgebiete von Belém und traditionelle Gemeinschaften eigene Konferenzen, um ein neues Modell zur Bekämpfung des Klimawandels zu fordern, während Staatschefs, große Unternehmen und internationale soziale Organisationen sich auf die Tagung in den abgeschirmten Hallen der COP30 vorbereiten. „Die COP ist schwer zugänglich. Wir konnten nur einem Mitglied unserer Gemeinschaft für eine Stunde an einem einzigen Tag einen Platz sichern. Auf der COP kommen selbst die Vertreter sozialer Organisationen, die im Amazonasgebiet tätig sind, von außerhalb Brasiliens“, beklagt Josivana Pinheiro, die der Flussgemeinde Abaetetuba in Pará vorsteht. „Deshalb werden wir unsere eigenen COPs abhalten, zusammen mit denjenigen, die am stärksten vom Klimawandel betroffen sind.“
Ihre Botschaft ist klar: Ohne die Führung von Menschen, die am meisten unter der globalen Erwärmung leiden, wird es keine legitime Lösung für die Klimakrise geben. Es gibt eine Kluft zwischen den offiziellen Debatten und den Forderungen der Gemeinden. „Dass die Welt in diesen Tagen ihre Augen auf den Amazonas richtet, müssen wir nutzen, um unseren Stimmen Gehör zu verschaffen.“
Junge Menschen fühlen sich nicht vertreten
„Sie wollen uns nicht an den Verhandlungstischen haben. Also werden wir die Stadt besetzen“, sagt der Biologe und Aktivist Valter Pantoja, ebenfalls aus Abaetetuba. Er hat sich Ende August aktiv an der COP das Baixadas beteiligt. Diese Bewegung hat bereits seit 2023 mehrere Veranstaltungen organisiert, um auf die Auswirkungen der Klimakrise auf die Gemeinden von Belém in niedrig gelegenen Gebieten, die Baixadas, aufmerksam zu machen, die von schwacher Infrastruktur und Armut geprägt sind. Seitdem hat sie sich als wichtigstes autonomes Forum für Klimadebatten im städtischen Amazonasgebiet etabliert.
Hinter der COP das Baixadas steht ein Zusammenschluss von 14 Organisationen und Kollektiven, die ein gemeinsames Ziel verfolgen: mehr für Klimagerechtigkeit in den städtischen Randgebieten des Amazonasgebiets tun. Dafür entwickeln sie Maßnahmen in Kunst, städtischer Mobilität und Agrarökologie. Außerdem schlagen sie ein horizontales Entscheidungsmodell vor, das sich auf Zuhören, Schulungen, praktische Workshops und die Wertschätzung von überliefertem, traditionellem Wissen konzentriert.
„Die Initiative wurde von jungen Menschen aus den Vororten der Stadt ins Leben gerufen, die sich in Klimadebatten nicht vertreten sahen. Ihr Absicht ist, dass sie jedes Jahr stattfindet, um mehr Aufmerksamkeit für die Forderungen dieser Bevölkerungsgruppen zu schaffen“, betont Pantoja.
Betroffene fordern konkrete Maßnahmen
Die letzten öffentlichen Veranstaltungen der COP Baixadas fanden Ende August in Vila da Barca statt, einer der größten Pfahlbaugemeinden Lateinamerikas mit einer rund hundertjährigen Geschichte. Während der dreitägigen Veranstaltung kamen Kinder, indigene Führer, Forschende, Gemeindemitglieder, Künstler und Landwirte mit Vertretern der Zivilgesellschaft und Behörden zusammen, um darüber zu berichten, wie sich die Klimakrise auf ihr tägliches Leben auswirkt.
Gemeinsam forderten sie Verbesserungen bei der städtischen Mobilität – also beim öffentlichen Nahverkehr, Rad- und Wasserwegen –, bei der Flussreinigung, weil Flüsse mit Müll und giftigen Metallen verschmutzt sind, sowie Strategien zur Anpassung an den Klimawandel. Dazu gehört, Städte vor Überschwemmungen zu schützen, die Landwirtschaft während Dürreperioden zu stärken und Frühwarnsysteme für Klimakatastrophen zu schaffen. Das Ziel ist, die Widerstandsfähigkeit der Gemeinden gegenüber den Auswirkungen der Erderhitzung zu erhöhen. „Eine der bewegendsten Aktionen war eine Kinderkonferenz, bei der Mädchen und Jungen im Mittelpunkt standen. Sie sprachen über ihre Sorge, dass sie eine Generation sind, die keine Schuld am Klimawandel trägt, aber dennoch am stärksten unter dessen Folgen leiden wird“, sagt Pantoja.
Um den Raum für Debatten zu erweitern, haben die Organisatoren der COP Baixadas die Gelben Zonen ins Leben gerufen, angelehnt an die Methodik der Vereinten Nationen: Offiziell gibt es bei der COP30 die Blaue Zone, einem Raum für offizielle Verhandlungen, und die Grüne Zone. Diese steht der Zivilgesellschaft offen, allerdings ist für sie eine vorherige Anmeldung erforderlich und die Teilnehmerzahl ist begrenzt.
Die Gelben Zonen sind über die Außenbezirke von Belém verteilt, es sind jeweils die Hauptquartiere von acht zivilgesellschaftlichen Organisationen, die die alternative COP mitveranstalten. Geplant ist, dass während der zwei Wochen der COP30 dort Workshops, Vorträge und Diskussionen zum Klimawandel stattfinden. Damit sollen gezielt die Bewohner von Beléms Randgebieten angesprochen werden, die keinen einfachen Zugang zur Grünen Zone der COP haben.
„Die Idee ist, den Menschen zuzuhören und darüber zu diskutieren, was bereits getan wurde“, erklärt Pantoja. „Wegen des COP-Akkreditierungsverfahrens und weil die UN-Konferenz auf Englisch abgehalten wird, werden viele Menschen aus der Region nicht teilnehmen können. Unsere lokale Regierung hat die Konferenz als großes internationales Ereignis vermarktet und damit letztlich die Bevölkerung der Stadt ausgeschlossen.“
People's Summit: Ein Gipfel für die Zivilgesellschaft
Wenn die Stadt Belém zum Zentrum globaler diplomatischer Verhandlungen wird, wird sie gleichzeitig zum Treffpunkt für die Zivilgesellschaft und für Klimadebatten. Das versprechen die Organisatoren des People's Summit, der wie die COP das Baixadas ebenfalls während der COP30 stattfindet und von einem Zusammenschluss von über 700 Organisationen aus Brasilien und der ganzen Welt organisiert wird.
Der People’s Summit findet vom 12. bis 16. November an der Universität von Pará statt und wird voraussichtlich bis zu 15.000 Menschen anziehen. Für 7000 Teilnehmende werden Unterkünfte auf dem Campus bereitgestellt. Die Mahlzeiten bereiten Familienbauernkooperativen, die Landlosenbewegung (MST) und agroökologische Vereinigungen zu. „Das wird ein Ort sein, an dem konkrete Fortschritte in der Klimapolitik vorangetrieben werden können. Um die Klimakrise zu lösen, müssen wir Ungleichheiten bekämpfen und traditionelles Wissen wertschätzen“, betont Josivana Pinheiro, die den Gipfel mit vorbereitet hat. „Es ist eine Möglichkeit, sich gegen das zu wehren, was unsere Lebensräume beeinträchtigt.“
In der Absichtserklärung der Bewegung heißt es, dass „die entscheidungsbefugten Länder entweder geschwiegen oder völlig ineffiziente Lösungen vorgelegt haben, wodurch das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Abkommens gefährdet wird“. Darüber hinaus wird die Intransparenz in den Entscheidungsprozessen der COPs und die Abwesenheit der Zivilgesellschaft in den Verhandlungsräumen kritisiert.
Die Bewegungen leben wieder auf
Um den Klimadiskussionen eine neue Richtung zu geben und den Beginn des alternativen Gipfels zu markieren, werden am 12. November Boote aus Flussgemeinden in Belém eintreffen. Am 13. und 14. November finden Plenarsitzungen statt, gefolgt vom Klimamarsch einen Tag später. Zum Abschluss des Programms wird am 16. November die Charta des People’s Summit öffentlich verlesen.
Die Diskussionen werden sich um sechs Hauptthemen drehen: Lebensräume, Volks- sowie Ernährungssouveränität; historische Wiedergutmachung, Bekämpfung von Umweltrassismus und Unternehmensmacht; ein gerechter, volksnaher und inklusiver Wandel; gegen Unterdrückung, für Demokratie und den Internationalismus der Völker; gerechte Städte und lebendige städtische Randgebiete; Feminismus und Widerstand der Frauen.
Die alternativen Veranstaltungen zur COP werden übrigens durchaus von der lokalen Regierung gesehen und teils sogar unterstützt. Das Ministerium für indigene Völker hilft zum Beispiel dabei, Indigene zu den Veranstaltungen zu bringen.
„In unseren Gemeinschaften sind wir mit vielen Schwierigkeiten und Bedrohungen konfrontiert. Aber jetzt scheint es, als würden wir uns wieder zusammenschließen. Die Bewegungen leben auf, um unsere Kämpfe wieder aufzunehmen. Es gibt viel Hoffnung am Horizont“, sagt Josivana sichtlich bewegt.
Aus dem Englischen von Melanie Kräuter.

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