Mexiko-Stadt - Die Bucht von Ohuira ist ein heiliger Ort für die Indigenen der Region im Westen Mexikos. Hier entsteht derzeit eine riesige Ammoniakfabrik - mit Unterstützung der deutschen staatlichen Förderbank KfW. Menschenrechtler protestieren und fürchten um ihr Leben. In einem jetzt veröffentlichten Bericht erhebt die „Koalition für Menschenrechte in der Entwicklung“ dazu schwere Vorwürfe: Die KfW spreche von „verantwortungsvollem Banking“, unterstütze aber Projekte, die zur Vertreibung indigener Gemeinschaften führten, Ökosysteme zerstörten und Menschenrechtsverteidiger in Gefahr brächten.
In Topolobampo im Bundesstaat Sinaloa, mitten im Territorium der Mayo-Yoreme, baut das Ingenieurunternehmen Thyssenkrupp Uhde die gigantische Chemiefabrik. Das Werk im Besitz der schweizerisch-deutschen Proman soll hier aus Erdgas täglich 2.200 Tonnen Ammoniak herstellen, das für Kunstdünger verwendet wird. Das Projekt ist eines von drei Fallbeispielen in dem Report „KfW - Unverantwortliches Banking“.
KfW zitiert Nachhaltigkeitsrichtlinien
Auf Bitte um Stellungnahme zu dem Bericht betont die KfW, die Einhaltung der Menschenrechte und ein verantwortungsvoller Umgang mit Umwelt- und Sozialrisiken seien für die Bankengruppe selbstverständlich. Alle Finanzierungen der KfW und ihrer Tochtergesellschaften unterlägen Nachhaltigkeitsrichtlinien, die Verfahren und Standards der Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfung vorschrieben. Bei „Vorhaben mit möglicherweise schwerwiegenden negativen Wirkungen auf betroffene indigene Gemeinschaften“ würden diese mit einbezogen. Im Falle nicht tragbarer Risiken lehne die Bankengruppe Finanzierungen ab. Thyssenkrupp betonte ebenfalls, dass die Achtung der Menschenrechte zentraler Wert ist und bleibe. Von Proman kam zunächst keine Antwort auf Anfrage um Stellungnahme.
Dass die KfW Richtlinien hat und verfolgt, bestreitet die „Koalition für Menschenrechte in der Entwicklung“ - ein Bündnis aus rund 100 zivilgesellschaftlichen Initiativen und Organisationen aus fast 50 Ländern - nicht. Dennoch würden Projekte umgesetzt, die Menschenrechte verletzen. In Mexiko etwa seien die Gefahren für alle, die sich gegen die Ammoniak-Fabrik stellen, sowie die Risiken für die Umwelt von der Förderbank bei ihrer Kreditvergabe nicht entsprechend berücksichtigt worden.
Der Report verweist auf Bedrohungen für Menschen- und Umweltrechtler im Zusammenhang mit ihrem Widerstand gegen das Projekt. Bei der Vorstellung des Berichts schildert die Aktivistin Claudia Susana Quintero erlittene Gewalt und Morddrohungen. Sie habe Angst, dass ihre Kinder ohne Mutter zurückbleiben, „weil ich mich entschlossen habe, mich für die Verteidigung meines Lands und der Rechte meines Volkes einzusetzen“. Inzwischen hat der Schutzmechanismus des mexikanischen Innenministeriums für Menschenrechtler Quintero mit einer schusssicheren Weste sowie mit einem Alarmtelefon ausgerüstet.
Irreversible ökologische Schäden
Sie und ihr Kollektiv „Hier nicht!“ befürchten einen „enormen und irreversiblen ökologischen Schaden“ für die Bucht von Ohuira, die auch die Lebensgrundlage für 4.000 Fischerfamilien bietet. Und schon jetzt sei das soziale Gefüge in der Region zerbrochen. Bei einer Abstimmung über das Projekt, welche die Gegner vor dem höchsten Gerichtshof Mexikos erzwungen hatten, zeigte sich die tiefe Spaltung. Die vier am direktesten betroffenen Dörfer stimmten mehrheitlich gegen das Projekt. Aber eine größere Anzahl von umliegenden Dörfern stimmte der Fabrik zu, in der Hoffnung auf Arbeitsplätze.
Ende August besuchte Claudia Campero, die Koordinatorin der Nichtregierungsorganisation Climate Connections, die Region Topolobampo, um sich ein aktuelles Bild zu machen. Die mexikanische Geografin stellte erschrocken fest, dass die Ammoniakfabrik nun „im Eiltempo, sieben Tage pro Woche“ gebaut werde. Dabei hätten die Gegner noch gar nicht alle juristischen Mittel ausgeschöpft, sagt sie dem Evangelischen Pressedienst (epd). Und diese Fabrik sei bloß die Speerspitze einer rasanten industriellen Entwicklung der Region. Eine Gaspipeline und weitere petrochemische Fabriken befänden sich in Planung.
Auch die mexikanischen Umweltbehörden sind sich der Problematik bewusst. Die neue Umweltministerin Alicia Bárcena Ibarra schickte eine hochrangige Delegation nach Topolobampo, um mit den betroffenen Gemeinden „die Umweltauswirkungen von Industrieprojekten zu erörtern“. Gebaut wird indes weiter.

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