Koloniales Hausboot

Wird sie schnöde verschrottet? Oder schaffen es Antwerpener Schiffsnostalgiker, die schöne „Georg Büchner“ zu retten – die frühere „Charlesville“, das letzte erhaltene belgische Kongo-Boot, das seit vielen Jahren im Hafen von Rostock vor sich hin gammelt? Am letzten Tag des vergangenen Jahres schlossen die Jugendherberge und das Konferenzhotel, die zuletzt auf dem Schiff untergebracht waren; mit den Einnahmen waren die Unterhaltskosten für den Kahn schon lange nicht mehr zu verdienen.

Die „Georg Büchner“ ist ein beeindruckendes Schiff:  1951 in Antwerpen gebaut, gut 150 Meter lang, in Dienst genommen für zehntausend Tonnen Fracht und 240 Passagiere zur Fahrt zwischen Belgien und seiner Kolonie. Die Kabinen und alles Drum und Dran mit Dinersalon und Bordunterhaltung für die 14-Tage-Reise waren schierer Luxus verglichen mit dem, was die meisten der Passagiere im Kongo erwartete – vor allem Pater, Nonnen und die unteren Ränge der Kolonialverwalter.

Doch 1967 war Schluss mit der Linienfahrt zum Kongohafen Matadi. Die Antwerpener Reederei verkaufte die „Charlesville“ an die DDR, die das Boot als Fracht- und Ausbildungsschiff zehn Jahre lang für Fahrten nach Kuba einsetzte. 1977 war auch damit Schluss, und der inzwischen umgetaufte Kongo-Dampfer wurde im Rostocker Vorhafen fest vertäut und diente fortan als Schulungsstätte und Internat für Schifftechniker und Stewards.

2003 wurde die „Georg Büchner“ dem Deutschen Jugendherbergswerk überlassen, die Stadt Rostock sorgte zudem dafür, dass das Schiff auf die Liste für Denkmalschutz des Landes Mecklenburg-Vorpommern kam. Doch zum Erhalt fehlt seit geraumer Zeit das Geld. Also schrieb die Rostocker Hafenbehörde den Kahn voriges Jahr zum Verkauf aus. Ein litauischer Schrotthändler sagte zu, dem Vernehmen nach für eine dreiviertel Million Euro. Doch solange die „Georg Büchner“ denkmalgeschützt ist, muss sie erhalten und darf nicht verschrottet werden.

Der Stadtkämmerer will mindestens die aufgelaufenen Kosten zurückbekommen

Ein Verein flämischer Schifffahrtstraditionalisten sah die Chance, ihre „Charlesville“ heim in den Antwerpener Hafen zu holen. Ende Januar schickten sie ein Gebot nach Rostock und mobilisierten die flämische Landesregierung. Seitdem wird fleißig zwischen Brüssel und Antwerpen, Schwerin und Rostock korrespondiert, ohne dass freilich klar ist, wer denn nun entscheiden, kaufen und verkaufen kann und darf. Die mecklenburgischen Denkmalschützer verhießen Anfang Februar, jeder könne das Schiff für einen symbolischen Euro haben, der die Auflagen des Denkmalschutzes erfülle. Damit ist Rostock aber nicht zufrieden, der Stadtkämmerer will mindestens die aufgelaufenen Kosten zurückbekommen.

Und die Antwerpener „Charlesville“-Liebhaber haben zwar Bankgarantien fürs Abschleppen des Schiffs vorlegen können, nicht aber einen gesicherten Finanzplan für die Renovierung. Der litauische Schrotthändler schließlich beruft sich über seinen Hamburger Anwalt auf den Zuschlag der Stadt Rostock zu seinem Kaufangebot.

Womit die Sachlage ungefähr so klar ist wie in einem Rechtsstreit um ein belgisches Grundstück in Kinshasa: Konfusion komplett, Ausgang wahrscheinlich allseits unbefriedigend. Nur dass in diesem Fall wenigsten nur Europäer die Kosten zahlen. (hc)

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erschienen in Ausgabe 3 / 2013: Neue Geber: Konkurrenz stört das Geschäft

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