Reformstau auf allen Ebenen

Tunde Zack-Williams (ed.)
When the State Fails.
S
tudies on Intervention in the Sierra Leone Civil War
Pluto Press, New York 2012
288 Seiten, ca. 20 Euro

Im November 2012 finden in Sierra Leone Parlaments- und Präsidentschaftswahlen statt. Politische Beobachter und die Bevölkerung im westafrikanischen Küstenstaat hoffen auf einen gewaltfreien Urnengang, denn die Erinnerungen an den Bürgerkrieg zwischen 1991 und 2002 sind noch immer traumatisch. Die letzten Wahlen 2007 verliefen trotz der Mobilisierung von Jugendlichen durch einige Politiker relativ friedlich. Mitte 2010 würdigte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon den erfolgreichen Friedensprozess in Sierra Leone.

Dieser Sammelband geht der Frage nach, inwieweit der jahrelange kostspielige Einsatz mehrerer tausend Blauhelmsoldaten dazu beigetragen hat, die Gewalt in Sierra Leone zu überwinden. Schließlich wurden die politischen, ökonomischen und sozialen Ursachen des Bürgerkrieges keineswegs aufgearbeitet. Arbeitslosigkeit, Armut und Korruption prägen das Land noch heute. Hinzu kommen der illegale Diamantenhandel und der Ausverkauf von Anbauflächen an ausländische Investoren in großem Stil. Die acht Autorinnen und Autoren – allesamt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Sierra Leone – ergründen diese Probleme. Ihr Interesse gilt auch den internationalen friedens- und entwicklungspolitischen Akteuren.

So reicht das Spektrum ihrer Analysen von den Hintergründen des Krieges über die Interventionen britischer und westafrikanischer Soldaten und internationaler Friedenskräfte bis hin zu den Interessen einflussreicher Sicherheitsfirmen. Weitere Schwerpunkte sind die Reform des Sicherheitssektors, Demokratisierungsversuche sowie die Rolle von Frauen, Jugendlichen und der sierraleonischen Diaspora in der Friedensarbeit.

Die Beiträge belegen, wie wirtschaftliches Missmanagement der Regierungen, ihr autoritäres Machtgebaren, zu wenig Entwicklungsbestrebungen und drastische Beschränkungen zivilgesellschaftlicher Tätigkeit dem auf exklusive Patronagenetze bauenden Staat vor Kriegsbeginn die Legitimität entzogen. Die Interventionen internationaler Organisationen und der britischen Regierung haben bislang nicht dazu geführt, diese Strukturen zu ändern. Im Gegenteil: Korrupte Klientelnetze blockieren Reformen auf allen Ebenen.

Schleppende Umstrukturierungen von Polizei und Justiz erschweren den Zugang zu staatlichen Institutionen. Gleichzeitig behindert die erneute Etablierung traditioneller Führer und untätiger Gemeinderäte die Einführung demokratischer Strukturen. Das Nachsehen haben verarmte Frauen und Jugendliche, die den Großteil der Bevölkerung bilden und während des Krieges besonders gelitten haben. Dieses gut lesbare Buch sei allen empfohlen, die sich mit den Analysen und Einschätzungen sierraleonischer Friedens- und Entwicklungsexperten auseinandersetzen wollen. Rita Schäfer

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