Rot, grün, schwarz: Alle machen mit

Jürgen Grässlin
Schwarzbuch Waffenhandel
Wie Deutschland am Krieg verdient
Heyne, München 2013, 
624 Seiten, 14,99 Euro
 
Wer wissen will, wer in Deutschland mit Waffenverkäufen sein Geld verdient und welche Politiker dabei helfen, sollte dieses Buch lesen. Eine umfassendere und gründlichere Analyse zu deutschen Rüstungsexporten gibt es derzeit nicht.

Im spannendsten Teil seines Buches beschreibt Jürgen Grässlin, wie er zusammen mit anderen vermutlich illegale Waffengeschäfte des süddeutschen Kleinwaffenherstellers Heckler & Koch in Mexiko ans Licht brachte. 2007 erhielt Heckler & Koch die Genehmigung, mehrere tausend Sturmgewehre an die mexikanische Regierung zu verkaufen – unter der Auflage, dass die Waffen in vier Unruheprovinzen des mittelamerikanischen Staates nicht zum Einsatz kommen. Bald nach der Lieferung tauchten aber auch dort Gewehre „Made in Germany“ auf, und zwar nicht nur vereinzelt, sondern die Hälfte der gesamten Lieferung.

Heckler & Koch wies jede Verantwortung dafür zurück, doch Grässlin und seine Mitstreiter – sein Anwalt, einige Journalisten und Bundestagsabgeordnete – konnten mit Hilfe eines Informanten aus der Firma eine Vielzahl von Hinweisen vorlegen, nach denen das Unternehmen die Weitergabe der Waffen in die vier Provinzen zumindest wissentlich hingenommen, wenn nicht sogar aktiv befördert hat. Im April 2010 erstattete Grässlin Strafanzeige gegen Heckler & Koch, vor einigen Wochen erließ die Staatsanwaltschaft in Stuttgart Haftbefehl gegen zwei Mitarbeiter der Firma.

Rot-Grün hat Rüstungsexporte verfünffacht

Die gut 40 Seiten, auf denen Grässlin diesen Fall beschreibt, lesen sich wie ein Politthriller. Sie enthalten viele Details, die nachvollziehbar machen, wie solche Geschäfte eingefädelt und abgewickelt werden. Und sie werfen ein Schlaglicht darauf, wie eng zuweilen in Deutschland die Waffenindustrie mit der Politik und der Justiz verbandelt ist. So bekam Grässlin aus Justizkreisen den Rat, Heckler & Koch in Frankfurt am Main anzuzeigen und nicht in den örtlich zuständigen Gerichtsbezirken Rottweil oder Stuttgart (wo der Fall am Ende dann doch landete). Der Grund: Zur Zeit der Anzeige hieß einer der Geschäftsführer Peter Beyerle, und der war bis zu seinem Wechsel zu der Waffenschmiede Präsident des Landgerichts Rottweil. Grässlin wurde gesagt, Beyerle habe immer noch gute Beziehungen in die Justiz in Stuttgart und Rottweil, was die Chancen auf unparteiische Ermittlungen mindere.

Solche Lobby-Verbindungen erleichtern der deutschen Rüstungsindustrie ihr todbringendes Geschäft, egal welche Parteien an der Macht sind. Grässlins Rückblick auf gut 50 Jahre bundesdeutscher Waffenexporte zeigt, dass es in dieser Hinsicht nur geringe Unterschiede zwischen konservativen, vermeintlich linken oder liberalen Regierungsparteien gibt. Die Grünen-Chefin Claudia Roth wettert heute gegen Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien, aber vor zehn Jahren habe ihre Partei zusammen mit der SPD die Monarchie am Golf ebenso aufgerüstet, wie das heute die schwarz-gelbe Koalition tut, schreibt Grässlin. Allein in den Jahren 2002 bis 2005 habe Rot-Grün die deutschen Rüstungsexporte verfünffacht. Der Druck gegen Waffenlieferungen muss wohl von zivilgesellschaftlichen Initiativen wie der „Aktion Aufschrei“ kommen, die sich dann einzelne Verbündete in der Politik suchen können. Dass sich auf diesem Weg etwas erreichen lässt, zeigt Grässlin mit seinem jahrzehntelangen Engagement und seinem jüngsten Erfolg gegen die Waffenschmiede Heckler & Koch. (Tillmann Elliesen)

erschienen in welt-sichten 9-2013

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