Ausgleich im Streit über Mikrofinanz

David Roodman
Due Diligence.
An impertinent inquiry into microfinance

Center for Global Development,
Washington DC 2012,
365 Seiten, ca. 18,60 Euro


David Roodman versucht mit seinem unaufgeregten, differenzierten Blick, den Druck aus der bisweilen hitzig geführten Diskussion über Mikrokredite zu nehmen. Das gelingt ihm überzeugend, auch wenn er sich dabei manchmal etwas zu oft wiederholt.

Der Streit über Fluch oder Segen von Mikrokrediten für Arme und Benachteiligte hält an (siehe Seite 8). David Roodman, Wissenschaftler an der US-amerikanischen Denkfabrik „Center for Global Development“ (CGD), geht es anders als anderen Kritikern weniger darum nachzuweisen, welchen Schaden Mikrokredite anrichten können. Er ist nicht blind gegenüber ihren Schwächen, doch er richtet seinen Blick auf das Potenzial, das, allen Vorwürfen zum Trotz, seiner Ansicht nach in ihnen steckt. Und er konzentriert sich nicht nur auf die Frage, ob Mikrokredite ein Instrument sind, mit dessen Hilfe sich Menschen langfristig aus der Armut befreien können – gemessen an einem höheren Einkommen oder gesteigertem Konsum.

Er schaut sich an, wie sie zu drei verschiedenen Aspekten von „Entwicklung“ beitragen: dem Aufstieg aus der Armut, der Freiheit, die eigenen Lebensumstände besser steuern zu können, sowie dem Aufb au eines Wirtschaft szweiges. Laut Roodman liegen Stärke und Hoffnung der Mikrokredite eindeutig bei letzterem: Die Mikrofinanzindustrie sei ein eigenständiger Entwicklungserfolg. Unabhängige Mikrofinanzinstitutionen trügen dazu bei, dass Millionen armer Menschen ihr Geld besser verwalten und ihr Leben besser in den Griff bekommen, schreibt er. Hingegen sollte man Finanzdienstleitungen ebenso wenig als Allheilmittel aus der Armut ansehen wie etwa den Zugang zu Strom oder Wasser.

Roodman nennt Mikrokredite ein „verschreibungspflichtiges Medikament“, das in der richtigen Dosis nützt, aber in größeren Mengen schädlich ist. Er plädiert dafür, weniger Geld als bislang in diesen Bereich zu investieren, um Überschuldungen, Kreditblasen und den Zusammenbruch von Mikrofinanzdienstleistern zu verhindern. Wie das angesichts der unzähligen Akteure auf diesem Markt funktionieren und wer das steuern soll, lässt er allerdings offen. Darüber hinaus fordert er ein verantwortlicheres Vorgehen bei der Kreditvergabe sowie eine stärkere Kontrolle von Anbietern und Kreditnehmern etwa mittels Kreditbüros – nicht neu, aber noch immer notwendig.

Die Zukunft der Mikrofinanzdienstleistungen sieht der CGD-Experte bei den Sparkonten und, in geringerem Maße, bei den Versicherungen. Spareinlagen könnten arme Familien besser gegen finanzielle Schocks absichern als Kredite. Sie seien besser geeignet, Schwankungen bei den Einkünften auszugleichen, erklärt Roodman. Zudem seien sie in jedem Unglücksfall verfügbar, nicht nur in den versicherungsfähigen. Die zunehmende Verbreitung des Mobilfunks in Afrika und Asien könnte dazu beitragen, einfache und praktikable Sparmodelle anzubieten.

Roodman entwickelt seine Argumente überlegt und verständlich, er nimmt Bezug auf Studien, Projekte, Fallbeispiele, Gespräche mit Experten und Kreditnehmern. Sein ruhiger, sachlicher Ton macht das Lesen angenehm, allerdings wiederholt er sich an einigen Stellen ein paar Mal zu oft . Das wäre nicht nötig und ärgert eher. Die einzelnen Kapitel seines Buches hat Roodman zuvor in seinem Blog (http://blogs.cgdev.org/open_book/) zur Diskussion gestellt und von den Reaktionen eine ganze Reihe Anregungen aufgenommen. Diesen Blog betreibt er weiter und allen, die in der Debatte um Mikrokredite auf dem Laufenden bleiben wollen, sei er empfohlen. Genauso wie das Buch.


Gesine Kauffmann

 

Permalink

Mikrokredite können für viele Menschen eine tolle Chance, die sie ohne einen solchen nicht hätten. Einen interessanten Artikel zum Thema Mikrokredit gibt es im übrigen auch auf http://www.finanznachrichten.de/nachrichten-2015-09/34961971-mit-mikrokrediten-sozial-investieren-484.htm

Neuen Kommentar hinzufügen

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
CAPTCHA
Wählen Sie bitte aus den Symbolen die/den/das Fahrrad aus.
Mit dieser Aufforderung versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt.
Diese Sicherheitsfrage überprüft, ob Sie ein menschlicher Besucher sind und verhindert automatisches Spamming.
Unterstützen Sie unseren anderen Blick auf die Welt!
„welt-sichten“ schaut auf vernachlässigte Themen und bringt Sichtweisen aus dem globalen Süden. Dafür brauchen wir Ihre Unterstützung. Warum denn das?
Ja, „welt-sichten“ ist mir etwas wert! Ich unterstütze es mit
Schon 3 Euro im Monat helfen
Unterstützen Sie unseren anderen Blick auf die Welt!