Dany Laferrière
Das Rätsel der Rückkehr
Wunderhorn Verlag, Heidelberg 2013
300 Seiten, 24,80 Euro
Der haitianische Schriftsteller Dany Laferrière geht auf eine Reise in seine verlorene Heimat. Er hat daraus ein faszinierendes Buch gemacht.
Der Vater ist gestorben, in New York. Der Sohn lebt in Kanada, und was die beiden verbunden hat und gleichzeitig getrennt, ist das Exil. Dany Laferrière hat ein Buch geschrieben über ein Leben in der Fremde und über eine Rückkehr. Sie endet dort, wo sein Vater herkommt: in einem kleinen Dorf mit Menschen und Bräuchen, die er nur noch ansatzweise versteht.
Vater und Sohn sind einst vor der Diktatur der Duvaliers geflüchtet, in den 1960er und 1970er Jahren. Das Exil zermürbt sie beide, das Warten im kalten Nordamerika, über das der Protagonist bei einer Autofahrt sagt: „Die kleinste Panne auf dieser Straße würde den sicheren Tod bedeuten. Großmütig betäubt der Frost, bevor er tötet.“ Und den Alltag der Menschen fasst er so: „Die Frau erzählt, was sie im Radio bringen. Es geht immer um Arbeitslosigkeit oder Krieg. So vergehen in den Dörfern des Nordens Jahrhunderte.“
Wenige Worte genügen Laferrière, um eine Landschaft zu zeigen, eine Person vor Augen zu führen oder gleich eine ganze Region mit ihren Menschen. Der Sohn kehrt also zurück nach Port-au-Prince, in Haitis chaotische Hauptstadt, in der die Armen ums Überleben kämpfen: „Ein jeder kauft. Ein jeder bietet feil. Dies ruhelose Treiben ist der Versuch, das Elend zu überlisten.“ Nach Jahrzehnten begegnet der Erzähler seiner Mutter wieder, die beim vergeblichen Warten auf ihre Männer alt geworden ist.
Ein Gefühl für das Leben der Menschen
In diesem Buch gelingt Laferrière alles. Er schafft ein Gefühl für den Zustand Haitis, für das Leben der Menschen zwischen Resignation, Hoffnung und dem Wunsch zu gehen. Er deutet die Schönheit einer jungen Frau ebenso elegant an wie die Würde eines alten Mannes. Und er schafft eine Ahnung für das, was auch er nur ahnt: die Voodoo-Bräuche. Es ist kein trauriges Buch, aber Laferrière redet nicht um die Not der Menschen herum: „Ab Fünfzig brauchst du ständig eine schwarze Jacke für das Begräbnis eines Jugendfreundes.“ So drastische Sätze wechseln sich ab mit der Beschreibung einer kleinen Stadt, „die aufwacht wie ein Dienstmädchen. Auf Zehenspitzen“.
Passenderweise sind weite Teile dieses Reiseberichts, das auch eine Art Tagebuch ist, in Versform gehalten. Und völlig zu Recht hat Dany Laferrière für sein 2009 in Frankreich erschienenes Buch bereits einen wichtigen Literaturpreis erhalten. Auch die Übersetzung ins Deutsche ist ausgezeichnet gelungen. (Felix Ehring)
Erschienen in welt-sichten 2-2014
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