Der „tropische Sozialismus“ der Castro-Brüder steht wegen seines autoritären Einparteiensystems und seiner Menschenrechtspolitik zu Recht in der Kritik. Aber sein Gesundheitssystem gilt im internationalen Vergleich nach wie vor als nahezu vorbildlich.
Die kubanische Verfassung garantiert das Recht auf Gesundheit und kostenlose medizinische Grundversorgung. Um eben sie sicherzustellen, gibt es das auf Prävention basierende Familienarztmodell, dazu Polikliniken, Krankenhäuser und spezialisierte – beispielsweise zahnmedizinische – Zentren und Einrichtungen. Nicht zuletzt wegen geringer Ressourcen liegt deren Schwerpunkt auf Prävention und Epidemiologie, das heißt auf einem umfassenden Monitoring des Gesundheitszustands der Bevölkerung.
Geht es um die Qualität dieses Systems, werden meist die hohen Durchimpfungsraten gegen 13 Infektionserkrankungen, eine hohe Lebenserwartung, eine geringe Säuglingssterblichkeit sowie die umfangreiche Betreuung von Schwangeren angeführt. Die Autoren des Sammelbandes zeigen, wie die Verantwortlichen mit Hilfe bescheidener Investitionen in die Infrastruktur und mit einer ausgeklügelten Gesundheitsstrategie „einen Gesundheitszustand der Bevölkerung vergleichbar mit dem von Industrieländern“ gewährleisten. Und sie machen deutlich, dass vor allem die gute, praxisorientierte Ausbildung der kubanischen Ärzte sowie das Familienarztmodell als Bindeglied zwischen Wohngebiet und Gesundheitssystem dafür maßgeblich sind.
Weltweit, aber vor allem in Lateinamerika, genießen kubanische Ärzte einen hervorragenden Ruf. Sie locken – wie die Autoren darlegen – immer mehr Ausländer nach Kuba, um sich medizinisch versorgen zu lassen. Gesundheitstourismus ist für das Land inzwischen eine sichere und profitable Einnahmequelle. Darüber hinaus seien Ärzte durch das „Cuban Medical Internationalism“-Programm zur internationalen Verschickung von medizinischem Fachpersonal zum wichtigen Exportschlager geworden.
Daneben untersuchen die Autoren den politischen und sozialen Wandel unter Raúl Castro und diagnostizieren wachsende soziale Ungleichheit. Ärzte und Krankenschwestern verdienen sehr wenig, „Geschenke der Patienten“, also Korruption, sichern ihr Auskommen.
Bislang fehlte es an einem profunden Einblick in dieses staatlich gelenkte Gesundheitssystem, das sich im Umbruch befindet. Die Autoren zeigen in ihrem Buch Stärken und Schwächen dieses Systems auf und informieren kenntnisreich über seine Eigenschaften, Besonderheiten und Probleme.
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