Vorwürfe und Hilfsbereitschaft

Tayfun Guttstadt beschreibt in seinem Buch aus verschiedenen Perspektiven, wie das Leben syrischer Flüchtlinge in der Türkei das Land verändert. Er bietet reichlich Hintergrundinformationen und Erfahrungsberichte.

Seit Beginn des syrischen Bürgerkrieges 2011 sind ungefähr drei Millionen Syrer in die Türkei geflohen. Um mit einigen von ihnen, aber auch mit Vertretern von Hilfsorganisationen und Einwohnern zu sprechen, ist der Kulturwissenschaftler Tayfun Guttstadt nach Istanbul, Hatay, Gaziantep und Diyarbakir gereist. Die weit über 100 Befragten, mit denen er auf Türkisch oder mittels arabischer Übersetzer geredet hat, kommen aus unterschiedlichen politischen und kulturellen Lagern – es sind National-Konservative ebenso darunter wie Islamisten, Kurden ebenso wie Türken oder Syrer.

Letztere berichteten von ihrer Hoffnung, in der Türkei eine neue Heimat zu finden, und der Enttäuschung darüber, dass sie oft keine Arbeitserlaubnis bekommen. Zudem erschwert ein Mangel an Solidarität unter den Geflüchteten deren Situation, denn die Konflikte aus dem Bürgerkrieg machen auch vor der gemeinsamen Zufluchtstätte nicht halt. Die interviewten Türken schildern wiederum, was sich für die türkische Bevölkerung verändert hat: Da die Syrer für Dumpinglöhne arbeiten, ist der Arbeitsmarkt angespannter denn je. Zudem hätten sich die Mieten vervielfacht und die Gesundheitssysteme seien überlastet.

Angesichts der schwierigen Lebensbedingungen sowohl auf syrischer als auch auf türkischer Seite wachsen die Vorbehalte gegeneinander und es fallen Sätze wie „Die Syrer haben mittlerweile mehr Rechte als wir. Wir gehen ins Krankenhaus und müssen bezahlen, für Untersuchung und für Medikamente. Die Syrer kriegen alles geschenkt.“ Dem stehen Klagen syrischer Familien und Hilfsorganisationen gegenüber, dass Menschen ohne Dokumente in staatlichen Krankenhäusern nicht versorgt würden und deshalb Kinder an einfachen Erkrankungen stürben. Allerdings hebt der Autor auch Beispiele für die Hilfsbereitschaft der türkischen Bevölkerung hervor, unter anderem eine Initiative türkischer Frauen in Mersin, die Syrerinnen dabei hilft, die türkische Sprache zu lernen.

Die Lektüre kann man allen empfehlen, die an der Politik der Türkei und der Lage der dorthin Geflohenen interessiert sind. Denn das Buch bietet reichlich Hintergrundinformationen und Erfahrungsberichte.

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