Einzigartiger Cyberkrieg?

Der Arabist Erik Skare dokumentiert, wie palästinensische Computerfreaks die neue Aktionsform des „Hacktivismus“ hervorgebracht haben. Dass er mit ihrer Sache sympathisiert, ermöglicht ihm Zugang zu Aktivisten, macht das Buch aber etwas einseitig.  

Spätestens seit den vom US-Geheimdienst angeprangerten russischen Hacker-Attacken im amerikanischen Wahlkampf ist häufig von den neuartigen Möglichkeiten der Cyber-Kriegsführung die Rede. Diese Kampfform hat ursprünglich infolge des israelisch-palästinensischen Konflikts an Fahrt gewonnen, erklärt der norwegische Nahostforscher Erik Skare. Seine zentrale These ist: Da Israel seinen arabischen Nachbarstaaten in der digitalen Entwicklung um Längen voraus war und ist, haben dort lebende Palästinenser unter der israelischen Besatzung den „digitalen Dschihad“ entwickelt.

Als wichtige Voraussetzung dafür sieht der Autor die gemeinsame digitale Infrastruktur, die Palästinenser und Israelis über lange Zeit verband – vor allem nach dem Oslo-Abkommen von 1993 über die vorübergehende Selbstverwaltung der Palästinensergebiete. Dadurch profitierten diese davon, dass Israel technisch deutlich weiter war als die arabische Umgebung. So sei in Israel und den besetzten Gebieten der Anteil der Palästinenser mit Internetzugang von 3 Prozent im Jahr 1996 auf 57,7 Prozent im Jahr 2012 gestiegen und liege heute noch immer deutlich höher als in den arabischen Nachbarstaaten.

Aber auch soziologische Fakten hätten den „Cyberkrieg“ von Palästinensern gegen die israelische Regierung begünstigt. So haben laut Skare die in den Autonomiegebieten lebenden Palästinenser eine im Vergleich zu arabischen Staaten überdurchschnittlich gute Schulbildung und sind mit im Durchschnitt 20,7 Jahren sehr jung. Gleichzeitig ist unter ihnen die Arbeitslosenquote mit knapp 30 Prozent sehr hoch. All dies habe dazu geführt, dass junge, unzufriedene und technisch versierte Palästinenser ihren Unmut zusehends in Cyberprotest verwandelten.

Die „Hacktivisten“, mit denen der Autor für seine Recherchen teils persönlich und teils elektronisch kommuniziert hat, sind nahezu geheimbündlerisch organisiert und verstehen sich als Teil des bewaffneten Kampfes gegen die israelische Regierung.

Sie wollen erstens Israel wirtschaftlich schaden – es soll viel Geld kosten, beispielsweise Sicherheitskameras, die Börse oder das Stromnetz zuverlässig zu halten. Zweitens sollen der israelische Alltag gestört und Menschen verunsichert werden. Schließlich wollen die Hacktivisten Informationen und Propaganda verbreiten und etwa Online-Banking-Kunden statt Kontodaten Bilder vom Elend palästinensischer Kinder in den besetzten Gebieten sehen lassen. Dass ihre Tricks oft auch psychologisch durchdacht sind, zeigt die „Porno-Masche“: 2014 bekamen Beschäftigte der israelischen Regierung eine präparierte E-Mail. Sobald sie angeklickt wurde, öffnete sich auf dem Computer ein pornografischer Videofilm. Während die Betroffenen pikiert oder auch gebannt darauf starrten, wurde eine Malware installiert. Weil es vielen peinlich war, einen solchen Film bekommen zu haben, wandten sie sich längst nicht immer an ihre IT-Abteilung, so dass die Malware zunächst ihr Unwesen treiben konnte.

Ob die Hacktivisten, die Israel angreifen, wirklich besonders stark sind? Erik Skare ist davon überzeugt und nennt plausible Argumente dafür. Dennoch fragt man sich, ob andere Fälle einfach nur noch nicht so gut erforscht sind. Vergleiche mit Hackern aus China, Russland oder auch den USA werden jedenfalls nicht angestellt. Zurück bleibt das Gefühl, dass keine Information mehr wirklich sicher ist – es sei denn wir kehren zu Stift und Papier zurück.
 

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