Argumentationshilfe für Familienfeiern

Der Sprachwissenschaftler und Blogger Anatol Stefanowitsch verteidigt in seinem Buch die „gerechte Sprache“ vor Vorwürfen von „Sprachverhunzung“ oder „Genderkrampf“.  

Warum protestieren Menschen gegen die Bekämpfung von sexistischem und rassistischem Sprachgebrauch, fragt sich der Autor von der ersten bis zur letzten Seite seines kurzen, prägnanten Werks. Darin tritt er für eine gerechte Sprache ein und analysiert die aufgeheizten Debatten der letzten Jahre um Worte wie „Rapefugees“ oder „Mohr“, geschlechterneutrale Bezeichnungen wie Studierende oder die vermeintliche Umbenennung des Sankt-Martinsfests in Sonne-Mond-und-Sterne-Fest. Stefanowitsch argumentiert, dass gerechte Sprache zwar allein noch keine gerechte Welt schafft, aber „indem wir sie verwenden, zeigen wir, dass wir eine gerechte Welt überhaupt wollen“.

Verständlich erklärt Stefanowitsch, wie politisch korrekte Sprache und Moral zusammenhängen. Dabei nutzt er die goldene Regel der Moralphilosophie, die besagt, dass wir unser Verhalten anderen gegenüber zunächst aus deren Perspektive betrachten sollen, und wendet sie auf die Sprache an. Stefanowitsch empfiehlt den Leserinnen und Lesern: „Stelle andere sprachlich stets so dar, wie du wollen würdest, dass man dich an ihrer Stelle darstelle.“

Im Kern, meint der Autor, regen sich die Mitglieder der Mehrheitsgesellschaft nur dann über gerechte Sprache auf, wenn sie nicht selbst betroffen sind. Für weiße gebildete Männer gäbe es dabei sehr viel weniger beleidigende Ausdrücke als etwa für Frauen, schwarze Menschen, Migrantinnen, Muslime oder Homosexuelle. Nicht immer ist den Betroffenen bewusst, dass sie ausgeschlossen werden, meint Stefanowitsch.

So setzten sich längst nicht alle Frauen für eine gendergerechte Sprache ein. Und doch könne niemand wollen, dass eine Gruppe von Menschen ständig ungenannt bleibt oder darüber nachdenken muss, ob sie oder er „mitgemeint“ ist oder nicht. Menschen, die regelmäßig Ziel diskriminierender Sprache seien, seien häufiger psychisch und körperlich beeinträchtigt, schreibt der Sprachwissenschaftler. Schon deshalb sei diskriminierende Sprache unmoralisch: „Sie mindert das Glückspotenzial der betroffenen Gruppen und verursacht häufig konkretes Leid.“ Bei allem betont der Autor jedoch, dass er zwar für politisch korrekte Sprache eintrete, er aber auf keinen Fall Meinungen verbieten wolle. „Es geht in allen Fällen darum, wie etwas gesagt wird, nicht, ob es gesagt werden darf.“

Das Buch bietet gute Argumentationshilfen, wenn im Bekannten- oder Familienkreis mal wieder Diskussionen über die „Sprachverhunzung“ ausbrechen. Gegnerinnen und Gegner einer politisch korrekten Sprache werden die Streitschrift wohl selbst eher nicht lesen. Johanna Greuter

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