Kann Multikulti funktionieren?

Für den niederländischen Sozialforscher Ruud Koopmans ist Integration umso schwieriger, je größer die kulturelle Distanz zur Mehrheitsgesellschaft ist. Deshalb fordert er Zuwanderer vor allem zur Anpassung auf. Seine Thesen sind umstritten, seine Forschungsergebnisse interessant.
 
Neben Aspekten wie Arbeit, Bildung, Wohnqualität oder Einkommen bezieht der Migrationsforscher an der Berliner Humboldt-Universität in seine Analyse des Integrationsprozesses auch kulturelle Aspekte ein. Nach den Ergebnissen seiner Forschungen, die er in dem Buch ausführlich vorstellt,  sind Sprachdefizite der Neuankömmlinge, fehlende Kontakte zwischen Zuwanderern und Alteingesessenen, gepaart mit fundamentalistischen Wertvorstellungen die Haupthindernisse bei der Integration. Wer die Sprache der Mehrheitsgesellschaft nicht spricht, ihre Medien nicht nutzt, kaum persönliche Beziehungen zu den Alteingesessenen pflegt und stärker als sie traditionellen Geschlechterrollen anhängt, hat auf dem Arbeitsmarkt schlechtere Chancen – und zwar unabhängig von seiner Religion.

Im Fokus der Forschung stehen bei Ruud Koopmans vor allem die Niederlande als großzügiger Wohlfahrtsstaat mit leichtem Zugang zu gleichen Bürgerrechten und begrenztem Assimilierungsdruck sowie Deutschland mit seiner restriktiveren Integrationspolitik. Der Sozialwissenschaftler betont, dass Länder wie Deutschland, Österreich oder Großbritannien mit ihrer strengeren Integrationspolitik die höchsten Beschäftigungsquoten von Immigranten aufweisen. Dort würden Einwanderer „im Großen und Ganzen von der Marktdisziplin gezwungen, es aus eigener Kraft zu schaffen“.

Dagegen zeigten Länder wie die Niederlande oder Schweden, die wenige Anforderungen an Zuwanderer stellten und ihnen kulturell entgegenkämen, die niedrigsten Beschäftigungsquoten von Zuwanderern. Der Sozialwissenschaftler bricht das auf eine einfache Annahme herunter: „…nämlich, dass Migranten Menschen sind wie Sie und ich, die auf ökonomische Anreize reagieren.“

Multikulturalismus im Sinne eines Wohlfahrtstaates für Einwanderer hat demzufolge negative Auswirkungen, „da er zur Abhängigkeit von wohlfahrtsstaatlichen Leistungen und dadurch zur sozialen und ökonomischen Marginalisierung führen kann“. Was theoretisch gut gemeint sei, führe praktisch nicht immer zu guten Ergebnissen. Deshalb schlägt Koopmans unter anderem vor, den Zugang und den Umfang von Sozialleistungen zu begrenzen. Als Beispiel nennt er die Praxis einiger europäischer Länder, Sozialbezüge an verpflichtende Integrationskurse zu knüpfen, oder auch, dass Zugewanderte erst ab einem Alter von 27 Jahren sozialhilfeberechtigt sein sollen.

Das Buch bietet eine interessante deutschsprachige Übersicht zu Koopmans Forschungsergebnissen, die nicht unumstritten sind. So warfen ihm Studenten der Humboldt-Universität Berlin vor, seine Thesen bereiteten einen Nährboden für Rassismus. Derlei Vorwürfe sind nach der Lektüre des Buches nicht unbedingt nachvollziehbar. Vielmehr entsteht der Eindruck, dass Zugewanderte als selbstdenkende und selbständige Menschen mit all ihren guten sowie schlechten Facetten betrachtet werden sollten. Befremdlich wirkt allerdings, wie vehement Koopmans immer wieder etwa die niederländische Tradition des – dem deutschen Knecht Ruprecht ähnlichen – „Zwarte Piet“ verteidigt.

Gebetsmühlenartig betont Koopmans, dass das Anmalen des Gesichts mit schwarzer Farbe nicht rassistisch und nicht mit dem „Blackfacing“ aus den USA vergleichbar sei. Ein Lesevergnügen sind die sehr theoretischen, langatmigen und oft auch redundanten Kapitel im Übrigen nicht. Wer sich für die durchaus spannende Forschung Koopmans und seine Thesen interessiert, sollte besser zu einzelnen Aufsätzen greifen.

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