Entwicklung für Einsteiger

Das Buch des amtierenden deutschen Ministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung bildet eine gute Diskussionsgrundlage zum Thema Chancen und Grenzen globaler Zusammenarbeit.

In einer Reihe von Kapiteln widmet sich Entwicklungsminister Gerd Müller den Bereichen Bevölkerungswachstum, Megastädte, Müll, Klimaschutz, Flüchtlingspolitik, globale Lieferketten und Friedenspolitik. Das Buch ist übersichtlich und zugänglich geschrieben und liefert eine gute Mischung aus Fakten, Einblicken aus Partnerländern und in die Arbeit eines Ministers vor Ort im globalen Süden. 

In Bezug auf das Bevölkerungswachstum in Uganda beispielsweise kritisiert es, dort fehle es an „Einsicht der Regierenden, der Kirchen und Schulen (…), dass das Bevölkerungswachstum eine fatale Dynamik auslöst bestehend aus Not, Elend, Hunger, Flucht und dass es Chancen gibt, dem entgegenzusteuern“. Etwa durch einen erweiterten Green Deal zwischen Europa und Afrika inklusive Investitionen in Zukunftstechnologien und erneuerbare Energien. Man kann einem CSU-Minister diese optimistische, technologiegebundene und an die Möglichkeiten der deutschen Industrie geknüpfte Zukunftsvision nicht unbedingt verdenken, aber sie bleibt bisweilen im seichten Fahrwasser bekannter Denkmuster verhaftet.

Bei Problemen wie wachsenden Megastädten und Müllmengen konstatiert Müller: „Freiwilligkeit hat es schwer. Globale Märkte ohne Regeln gehen meist den Weg der höchsten Rendite zulasten der Umwelt in fernen Ländern.“ Das ist keine bahnbrechende Erkenntnis, aber die Rolle des Entwicklungsministeriums als Anwalt und Mahner zu globalen Fragen ist nach wie vor unverzichtbar. Allerdings bleiben seine Vorschläge oft im Abstrakten. Immer wieder enthält das Buch Passagen, in denen traditionelle außenpolitische und außenwirtschaftliche Ansätze einer radikaleren entwicklungspolitischen Vision gegenüberstehen.

So fragt Müller, wo Audi, Daimler und MAN auf den afrikanischen Märkten bleiben, und ignoriert, dass die Metropolen afrikanischer Städte schon jetzt unter dem explodierenden, von Verbrennungsmotoren getriebenen Individualverkehr leiden. 

Dabei gelingt die Darstellung des Kerngeschäfts der Entwicklungszusammenarbeit durchaus anschaulich. Wenn der Präsident des Tschad im Gespräch erklärt, dass sich kranke Bürgerinnen und Bürger ja in Europa oder in den USA behandeln lassen könnten, während sein Besucher noch unter den Eindrücken des Besuchs einer örtlichen Klinik steht, macht das ein Problem greifbar. Vor allem nach verschiedenen Besuchen in Afrika setzt sich Müller für Boden- und Katasterreformen ein, die vor allem Frauen mehr Teilhabe und Zugang zu Krediten ermöglichen können. Das Buch ist kein radikales Manifest und die Entwicklungszusammenarbeit könnte sicherlich noch mehr anecken – gerade wenn es um globale Nachhaltigkeit, Fairness und die Beseitigung von Ungleichheiten geht, die zu einem entscheidenden Teil darauf zurückzuführen sind, wie man im globalen Norden konsumiert und handelt. Immerhin gelingt es dem Minister aber, seinen Job einem breiteren Pub­likum verständlich zu machen. Man nimmt ihm ab, dass er sich ernsthaft für Entwicklungspolitik einsetzt; das war ja bei einigen seiner Vorgänger nicht selbstverständlich. Die Bebilderung verzichtet auf stereotype Fotos vom Bäume pflanzenden oder vor der Dorfschulklasse erscheinenden Besucher, was zu dem modernen Erscheinungsbild beiträgt.

Das Buch leistet einen wichtigen Beitrag, die Bedeutung von Entwicklungspolitik als eigenständigem Politikfeld zu unterstreichen. Zudem liefert es viel Material, um Interesse an globalen Themen zu wecken. Gerade für Bildungsarbeit und Diskussionen mit engagierten Laien über die Möglichkeiten und Grenzen von Entwicklungspolitik eignet sich Umdenken gut.

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