Helfen im eigenen Interesse

Martin Schoeller und Daniel Schönwitz plädieren in ihrem Buch für mehr Wumms in der EU-Afrika-Partnerschaft. Sie fordern weniger Deregulierung und mehr soziale Marktwirtschaft.

Martin Schoeller und Daniel Schönwitz: Afrika first!  Die Agenda für unsere gemeinsame Zukunft. Berg & Feierabend, Berlin 2020, 232 Seiten, 22 Euro

Trotz Milliarden an Hilfe von außen kämen viele Volkswirtschaften in Subsahara-Afrika nicht in Gang – so konstatieren es der Unternehmer Martin Schoeller und der Finanzjournalist Daniel Schönwitz in ihrem neuen Buch. Um dieser Zwickmühle zu entkommen, schlagen die Autoren im Wesentlichen zwei Instrumente vor. Zum einen eine gewaltige Finanzspritze aus Europa, um in Zeiten niedriger Zinsen mit Krediten oder Garantien staatliche Infrastrukturprojekte in Afrika zu fördern. Zum anderen soll Entwicklungshilfe an soziale Reformen geknüpft werden, um die Kaufkraft der Arbeitnehmer zu stärken und die Volkswirtschaften von innen anzuschieben. Afrika, so eine Kernaussage des Buches, brauche die soziale Marktwirtschaft.

Ihr Plädoyer kombinieren Schoeller und Schönwitz mit einer Kritik bisheriger Ansätze. Der ungeregelte Kapitalismus habe in Afrika auf ganzer Linie versagt. Statt zu einer wachsenden Mittelschicht habe der freie Handel vielerorts zu mehr Armut geführt und statt fairem Wettbewerb machten sich Monopolisten breit. Europa, so argumentieren die Autoren, müsse ein Eigeninteresse daran haben, all das zu beenden. Denn zum einen bringe sich China in Stellung, um das gewaltige Wachstumspotenzial in Afrika abzuschöpfen. Zum anderen führe bittere Armut zu Fluchtbewegungen, die die politische Stabilität Europas bedrohten.

Es brauche also entschlossenes Handeln – und vor allem viel Geld. Eine Billion Euro, so rechnen die Autoren vor, seien über den Zeitraum von zehn Jahren nötig, um die Einkommen zu stärken und das Bevölkerungswachstum entscheidend zu drosseln. Geld, das die EU ihrer Meinung nach hat. 

Martin Schoeller, Unternehmer und Honorarkonsul der Republik Togo, profitiert als Autor von seinen Erfahrungen und Kontakten – dass Bundesentwicklungsminister Gerd Müller das Vorwort geschrieben hat, kann als Beleg dafür gewertet werden. Zusammen mit dem Journalisten Daniel Schönwitz ist ihm ein Buch gelungen, das kluge Argumente mit einer ansprechenden Aufmachung vereint. So bereiten die Autoren das breite Zahlenwerk, mit dem sie argumentieren, verständlich auf. Sie bieten fachliche Exkurse, wo sie sinnvoll sind, ohne ihre Leserschaft zu überfordern. Schoeller und Schönwitz wenden sich auch an diejenigen, die Afrika bisher nicht als Kontinent der Chancen auf dem Schirm hatten.

Aber die Argumente bleiben an manchen Stellen oberflächlich. So gibt es bereits Finanzinstrumente, die Investitionen in Afrika begünstigen sollen – auch vonseiten der EU. Interessant wäre, warum der im Buch vorgeschlagene Ansatz erfolgreicher sein sollte als die bisherigen. Etwas plump wirkt es zudem, wenn die Autoren mit Erfolgsmodellen von anderswo argumentieren. Frei nach dem Motto: Was in den asiatischen Tigerstaaten oder in Nachkriegsdeutschland geklappt hat, kann auch afrikanische Länder zu breitem Wohlstand führen. Der Blick für die Details, auch für die Verschiedenheit afrikanischer Länder, kommt bei der wuchtigen Argumentation der Autoren manchmal zu kurz. Dennoch bleibt „Afrika First“, das auch auf Englisch und Französisch erscheint, ein wichtiger Anstoß, um die Partnerschaft zwischen der EU und Afrika neu zu denken.

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Noch eine Agenda und Buch geschrieben von Nicht-Afrikanern für und über Afrika!! Sicherlich mit den besten Absichten und Erfahrungen der beiden deutschen Autoren aus ihrer Arbeit in Afrika. Der Titel „AFRIKA FIRST“ ist nicht schlecht, aber er würde glaubwürdiger und wirkungsvoller sein, wenn dieses Plädoyer von Afrikanerinnen und Afrikaner selbst ausgearbeitet und geschrieben wäre!

Ich hatte noch nicht die Gelegenheit das Buch zu lesen und kann hier nur aus der Buchbeschreibung zitieren:
„Etwas plump wirkt es zudem, wenn die Autoren mit Erfolgsmodellen von anderswo argumentieren. Frei nach dem Motto: Was in den asiatischen Tigerstaaten oder in Nachkriegsdeutschland geklappt hat, kann auch afrikanische Länder zu breitem Wohlstand führen. Der Blick für die Details, auch für die Verschiedenheit afrikanischer Länder, kommt bei der wuchtigen Argumentation der Autoren manchmal zu kurz.“

Bei der Gelegenheit möchte ich über ein Buch informieren, dass von dem Ugander und Entrepreneur Andrew Rugasira geschrieben ist:
„A Good African Story – How a small Company built a Global Coffee Brand; 2014, Vintage Books, London.”
Interessant die wirtschaftliche Entwicklung und Geschichte seines Landes, einschließlich des Rauswurfes der asiatischen Mittel – und Geschäftskasse durch Idi Amin in den siebziger Jahren aus der Sicht eines Uganders zu lesen. So auch die Frage: Warum gibt es immer noch zu wenige afrikanische Entrepreneurs und Informationen zu einem neuen Trend: „No Aid, but Traid“!!

Joachim Böhnert
Mitglied des Senior Expert Service – SES - https://www.ses-bonn.de

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