Bittere Bohnen

Toni Keppeler, Laura Nadolski, Cecibel Romero: Kaffee. Eine Geschichte von Genuss und Gewalt. Rotpunktverlag, Zürich 2023, 272 Seiten, 29 Euro

In ihrem Buch berichten Toni Keppeler, Laura Nadolski und Cecibel Romero gut recherchiert und detailliert über Aspekte des Kaffeeanbaus, die hierzulande gern ausgeblendet werden: Kolonialismus, Armut, Gewalt und Umweltzerstörung.

40 Prozent der Kaffeetrinker interessieren sich laut Deutschem Kaffeeverband für Herstellungsverfahren, Geschichte, Sorten und Herkunftsländer der aromatischen Bohne. Anders als der Verband auf seiner Website, liefern Toni Keppeler, Laura Nadolski und Cecibel Romero in ihrem Buch aber eher schwer bekömmliches Hintergrundwissen – obgleich das Autorenteam aus zwei Journalisten und einer Umweltwissenschaftlerin den Kaffee durchaus liebt. Journalistin Romero, die zugleich ausgebildete Kaffee-Sommelière ist, hat ihn auf ihrer Finca in El Salvador sogar selbst angebaut. 

Man spürt diese Liebe etwa, wenn im Buch die Blütenbüschel der Kaffeepflanzen beschrieben werden, die sich nach den ersten Schauern der tropischen Regenzeit alle gleichzeitig öffnen. Aber als globalisiertes und von wenigen Großhändlern kontrolliertes Agrargut ist Kaffee eben auch immer noch eine Kolonialware, stellen die Autoren fest. 

Kaffeeproduktion in der rentabelsten Kolonie der Welt 

Ende des 18. Jahrhunderts beispielsweise war die französische Kolonie Saint-Domingue auf dem Gebiet des heutigen Haiti die rentabelste der Welt: Sie produzierte gigantische Mengen Zucker und lieferte zugleich die Hälfte des weltweit geernteten Kaffees. Geschaffen wurde der Reichtum von Sklaven, die durch harte Arbeit und Misshandlung schnell starben und immer wieder neu aus Afrika importiert wurden. 1789 gab es nach den Zahlen der Kolonialverwaltung in Saint-Domingue 40.000 Weiße und 452.000 schwarze Sklaven. 1804 führte ein großer Sklavenaufstand zur Gründung der ersten schwarzen Republik: Haiti. Doch 1825 schickte der französische König Kriegsschiffe dorthin. Seine Forderung: Entweder das Land bezahlt Reparationen an die vertriebenen Landbesitzer und Sklavenhalter oder Frankreich erobert die ehemalige Kolonie zurück. Schließlich zahlte Haiti, nahm dafür Kredite auf und führte als Finanzquelle eine hohe Kaffeesteuer ein.  

2003 forderte der damalige haitianische Präsident Jean-Bertrand Aristide von Frankreich dafür eine Entschädigung in Höhe von 21 Milliarden US-Dollar, die jedoch nie gezahlt wurde. Die Steuerlast war so groß gewesen, dass die meisten Bauern den Kaffeeanbau hatten aufgeben müssen. Heute spielt er in Haiti nur noch eine  Nebenrolle. In Brasilien währte die Sklaverei deutlich länger, nämlich bis 1888. Als das Ende der Sklaverei absehbar wurde, begannen die Plantagenbesitzer damit, in großem Stil südeuropäische Arbeitskräfte anzuwerben, vor allem aus Italien. Die Arbeitsbedingungen dieser Schuldknechte waren kaum besser als die der Schwarzen. Der Kaffeeboom war zudem mit Umweltfrevel verbunden: Überall, wo neue Plantagen entstanden, war zuvor Regenwald abgeholzt worden. 

„Fincakaffee“ ist die bessere Option

Die armen Länder produzieren unter untragbaren sozialen und ökologischen Bedingungen einen landwirtschaftlichen Rohstoff, der in reichen Ländern veredelt und genossen wird. In ihrem Schlusskapitel fordern die Autoren, dass das Geschäft mit dem Kaffee diese Tradition verlassen soll. Konsumenten sollten den Kaffee von Röstereien beziehen, die ihn direkt bei den Produzenten einkaufen und über Internet und Fachhandel vertreiben. In Deutschland gibt es laut dem Buch bereits über 600 unabhängige kleine Röstereien, die auf diesen „Fincakaffee“ setzen.

Auch unter den 360 Mitgliedern des Deutschen Kaffeeverbandes sind 150 kleine Spezialitätenröster. Doch nur wenige dieser Firmen geben an, wo und wie ihr Kaffee angebaut wird. Das könnte sich ändern, wenn die Beschäftigung etwa der Deutschen mit ihrem Lieblingsgetränk mehr in die Tiefe geht. Dem Buch von Keppeler, Nadolski und Romero ist jedenfalls zu wünschen, dass es viele Kaffeetrinker erreicht.

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