Eine interkulturelle Romanze in China

Black Tea. Frankreich/Taiwan/Luxemburg/Mauretanien/Elfenbeinküste 2024, Regie: Abderrahmane Sissako, 110 Minuten. Kinostart: 19. Juni 2025

Das Liebesdrama "Black Tea" zwischen einer Frau aus Côte d’Ivoire und einem Teehändler aus Südchina bietet vielfältige Einblicke in die afrikanische Diaspora in China.

Im letzten Moment sagt Aya Nein. Zur Verwunderung der Gäste lässt die 30-jährige Ivorerin die Hochzeit mit ihrem Landsmann Toussaint platzen und wandert nach China aus – die Gründe dafür bleiben zunächst offen. Sie findet Arbeit in der Millionenstadt Guangzhou, im Geschäft des 45-jährigen Teehändlers Cai. Der geschiedene Familienvater weiht sie geduldig in die Feinheiten der Teezeremonie ein. Schon bald erblüht eine zärtliche Beziehung zwischen den beiden. Aya fühlt sich wohl in Chocolate City, einem Multikulti-Viertel, in dem viele afrikanische Migranten leben. 

Aya hat sich mit Mei angefreundet, die im Laden gegenüber Koffer verkauft. Sie versteht sich auch gut mit Cais Sohn Li-Ben, der in Kürze seinen zwanzigsten  Geburtstag feiern wird. Eines Tages enthüllt Cai ihr die Gründe für seine Melancholie: Er möchte endlich seine mittlerweile erwachsene Tochter Eva wiedersehen, die er bei einer Affäre auf den Kapverdischen Inseln gezeugt hat. Doch Cai hat auch immer noch Gefühle für seine bescheidene Ex-Frau Ying.

Der 1961 in Mauretanien geborene und in Mali aufgewachsene Regisseur Abderrahmane Sissako hat sich nach seinem Oscar-nominierten Film „Timbuktu“ zehn Jahre Zeit gelassen und mit seinem Spielfilm „Black Tea“ erstmals einen Film in China angesiedelt. 

Die Film spielt fast nur nachts und in Innenräumen  

Dieser Film hat mit „Timbuktu“, einer eindringlichen Hommage an den Überlebenswillen von Terroropfern in Mali, die poetische Erzählweise gemein. Beide bieten keine stringenten Erzählbögen, sondern kombinieren zahlreiche Episoden zu einem breitangelegten Panorama, das facettenreich das soziale Netz der Figuren beleuchtet. Mit den ausführlichen Schilderungen der Teezeremonien und der zarten Liebelei wirkt der neue Film zunächst deutlich unpolitischer als frühere Filme Sissakos. Man mag ihm auch vorhalten, dass er über weite Strecken ein allzu harmonisches Bild vom Zusammenleben der afrikanischen Community mit der chinesischen Mehrheit in Guangzhou zeichnet, obwohl der Film großteils nicht in der Volksrepublik, sondern in Taiwan gedreht wurde. 

In den Dialogen wird immerhin angesprochen, dass es – auch infolge des chinesischen Prestigeprojekts „Neue Seidenstraße“ – zwischen Afrika und China durchaus wechselseitige Migrationsströme gibt. Gegen Ende überrascht der Film allerdings in einer Schlüsselszene mit einer kritischen Breitseite gegen ethnische Vorurteile. Bei einem Familienessen entpuppt sich nämlich Cais Schwiegervater als eingefleischter Rassist. Er freut sich über eine Ausstellung mit Fotos, die schwarze Menschen auf eine Stufe mit Tieren stellen, und meint: „Wir müssen bösartige und hinterhältige Afrikaner von unserer Gesellschaft fernhalten.“ Damit stößt er jedoch bei seinem Enkel Li-Ben auf entschiedenen Widerspruch, der ihn fragt: „Kennst du einen einzigen Afrikaner?“

Mit ihren eindringlichen Leistungen schaffen es Nina Mélo als Aya und Han Chang als Cai scheinbar mühelos, dass die Zuschauenden bei der Entfaltung der interkulturellen Liebesbeziehung mitfiebern. Die geschmeidige Kameraführung und die sanfte Filmmusik unterstreichen die melancholische Atmosphäre des Films, der fast nur nachts und in Innenräumen spielt. Im Finale gelingt Sissako insofern noch ein Coup, als es die reizvolle Frage aufwirft, ob Aya vielleicht nur geistig, aber nicht körperlich ausgewandert ist. Nicht nur deswegen ist „Black Tea“ ein Werk, das viele Denkanstöße und Stoff für Diskussionen liefert. 

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