Anti-asiatische Codes in deutschen Stummfilmen

Kien Nghi Has Sammelband beleuchtet die Lebensrealitäten von Asiaten in Berlin in der Weimarer Republik und analysiert zugleich, wie die in deutschen Kinofilmen damals dargestellt wurden.

Das von dem Tübinger Kultur- und Politikwissenschaftler Kien Nghi Ha herausgegebene Buch beruht auf einer Film- und Vortragsreihe, die er selbst 2023 im Berliner Kino Sinema Transtopia kuratiert hat. Es ist von einer postkolonialen Perspektive geprägt. Die Texte beleuchten die Begegnungen asiatischer Menschen mit Deutschen und anderen in Berlin, vor allem in den Zwischenkriegsjahren, also zwischen 1918 und 1938.

Ausgangspunkt ist „die Einsicht, dass koloniale Orte sich nicht nur im Globalen Süden befinden, sondern auch imperiale Metropolen prägen“, wie der Herausgeber schreibt. Dies habe in den letzten Jahren erfreulicherweise zu einer verstärkten Auseinandersetzung mit kolonialen Kontinuitäten in Berlin geführt. Kien Nghi Ha identifiziert und kritisiert in seinem Einleitungstext jedoch Lücken, Leerstellen und Ungleichgewichte bei der Aufarbeitung des Kolonialismus in Deutschland. So sei auffällig, dass in antikolonialen Projekten und Einrichtungen in Berlin vor allem Menschen mit afrikanischen Wurzeln stark vertreten seien, während andere von Rassismus betroffene Gruppen zu kurz kämen.

Folgerichtig lenken die zwölf Beiträge des Buches den Blick auf antiasiatischen Rassismus. Die Bandbreite der Themen ist groß: Sie reicht von chinesischen Gemeinschaften in Hamburg und Berlin über ein Porträt des chinesisch-amerikanischen Stummfilmstars Anna May Wong und Proteste chinesischer Studierender und Immigranten gegen vermeintliche Diffamierungen in deutschen Filmen in der Weimarer Republik bis zu Fallbeispielen von Rassismuserfahrungen aus der indischen und koreanischen Diaspora im Berlin der Zwischenkriegszeit.

Im Zentrum steht die wenig bekannte Geschichte asiatischer Gemeinschaften hierzulande, die anhand kritischer Analysen von Filmen(aus der Weimarer Zeit untersucht werden. Diese zeigen, dass nach dem Verlust der deutschen Kolonien am Ende des Ersten Weltkrieges koloniales Gedankengut und rassistische Denkstrukturen fortbestanden. Als Beispiele nennt Ha die Monumentalfilme „Die Herrin der Welt“ (1919/20) und „Das indische Grabmal“ (1921), die beide in aufwändigen Kulissen in Berlin-Woltersdorf inszeniert wurden. 

Gerade „Das indische Grabmal“ habe das deutsche Indienbild geprägt. Subin Nijhawan interpretiert die insgesamt drei Verfilmungen des „Indischen Grabmals“ vor allem als Ausdruck der Bewunderung Deutschlands für die britische Kolonialmacht. Die Publizistin Irit Neithardt beleuchtet kenntnisreich orientalistische Klischees in Ernst Lubitschs Stummfilm-Phantasmagorie "Sumurun" (1920) und ordnet sie in den Kontext der zeitgenössischen Befreiungsbewegungen in den arabischen Republiken ein. 

Kien Nghi Ha nutzt in den eigenen Artikeln einen elitären Fachjargon, der einer breiten Leserschaft den Zugang unnötig erschwert. Dagegen bestechen die beiden Werkstattgespräche, die er mit den Filmemachenden Philipp Scheffner, Merle Kröger und Hito Steyerl sowie Gülsah Stapel geführt hat, durch Anschaulichkeit und Lebendigkeit. Davon hätten man gerne mehr gelesen. 

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