Zwischen 1970 und 1999 sind wahrscheinlich mehrere tausend Kinder illegal zur Adoption in die Schweiz gelangt, etwa durch Kinderhandel, mit gefälschten Dokumenten oder ohne Angaben zur Herkunft beziehungsweise ohne Einwilligung der leiblichen Eltern. Sie kamen aus Bangladesch, Brasilien, Chile, Guatemala, Indien, Kolumbien, Südkorea, Libanon und Rumänien. Dies hat ein Bericht der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) im Dezember 2023 gezeigt.
Als Folge des Berichts hat die Schweizer Regierung eine unabhängige Expertengruppe beauftragt, zu untersuchen, ob internationale Adoptionen auch ohne Missbrauch möglich sind. Ergebnis: Es bleibe ungewiss, ob illegale Praktiken vollständig verhindert werden können.
Vor diesem Hintergrund hat die Regierung Ende Januar 2025 entschieden, internationale Adoptionen zu verbieten. Das beträfe heute nur noch rund 30 aus dem Ausland adoptierte Kinder pro Jahr, einst waren es mehrere hundert. „Bei Adoptionen ist das Wohl des Kindes höher zu gewichten als der Kinderwunsch der Adoptiveltern“, sagte der zuständige Justizminister Beat Jans von der Sozialdemokratischen Partei (SP), als er den Plan für das Verbot vorstellte.
Petition "Auslandsadoptionen retten" findet viele Unterzeichner
Gegen das Verbot formierte sich jedoch in kürzester Zeit großer Widerstand. Die Petition „Auslandsadoptionen retten!“ wurde im vergangenen Frühjahr in nur drei Wochen mehr als zehntausendmal unterschrieben. Dahinter steht der Nationalrat der Evangelischen Volkspartei (EVP) Nik Gugger; er ist selbst in Indien geboren und von einem Schweizer Paar adoptiert worden. Seine Adoption bezeichnete er in einem Interview mit dem Onlineportal „ref.ch“ der reformierten Kirchen in der Schweiz als „gelungen“.
Gugger warnt davor, Kindern in prekären Situationen Chancen auf ein neues Leben zu verwehren. „Diese Kinder haben ein Lebensrecht, und es gibt hierzulande Menschen mit einem unerfüllten Kinderwunsch. Sonst müssten wir auch Samenspende und Leihmutterschaft verbieten“, argumentiert er. Viele Adoptiveltern engagierten sich zudem mit Spenden und Projekten in den Herkunftsländern.
Unterstützung erhält Gugger von Mitte-Nationalrat Stefan Müller-Altermatt, der vor kurzem selbst einen Jungen mit Trisomie21 aus Armenien adoptiert hat. Er sagt: „Die Adoption war das Beste, was ich in meinem Leben getan habe.“ Die Gegner des Verbots argumentieren, es stigmatisiere betroffene Familien. Aufgrund der emotionalen Debatte hat die Rechtskommission der großen Parlamentskammer das von der Regierung vorgeschlagene Adoptionsverbot im September mehrheitlich abgelehnt.
Missstände bei Adoptionen aus Sri Lanka
Der Verein Pflege- und Adoptivkinder Schweiz (PACH) hingegen würde ein Verbot begrüßen. Es sei die richtige Maßnahme, „wenn es nicht möglich ist, trotz Haager Adoptionsübereinkommen den Schutz und die Rechte von Kindern und deren Eltern bei Adoptionen zu garantieren“, schreibt der Verein in einer Mitteilung. Laut dem Haager Abkommen dürfen Kinder nur ins Ausland adoptiert werden, wenn im Heimatland keine Eltern gefunden werden können. Die Schweiz hat das Abkommen 2001 ratifiziert.
Bereits im Jahr 2020 hat aber die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften in einem Bericht Missstände bei Adoptionen aus Sri Lanka in die Schweiz dokumentiert; es folgte eine Rüge vom UN-Ausschuss für Kinderrechte. Seither hat sich die Schweiz zwar um Aufarbeitung bemüht, doch laut der von der Regierung eingesetzten Expertenkommission bestehen insbesondere beim Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung noch Lücken. Das zuständige Departement für Justiz und Polizei hat angekündigt, die von der Expertengruppe vorgeschlagenen Reformen zu prüfen. Andere Länder haben Auslandsadoptionen bereits verboten, darunter Dänemark und die Niederlande, nachdem dort ebenfalls zahlreiche Verstöße aufgedeckt worden waren.
Der Bundesrat schreibt in einer Stellungnahme, er nehme die Bedenken der Rechtskommission gegen ein Verbot ernst. Aus diesem Grund werde er zusätzlich einen alternativen Vorschlag in die Vernehmlassung schicken, der Kontrolle und Transparenz stärken und den Missbrauch möglichst verhindern soll. Mit der Vorlage von zwei Vorschlägen soll „die angestrebte breite gesellschaftliche Diskussion erreicht werden“, heißt es in der Mitteilung. Zumindest dieses Ziel hat die Regierung bereits erreicht.

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