Orientierung über Afrika hinaus

Desmond Tutu
Gott ist kein Christ
Mein Engagement für Toleranz
und Gerechtigkeit
Patmos Verlag, Ostfildern 2012,
208 Seiten, 19,99 Euro

Der Sammelband mit Texten von Desmond Tutu gibt einen Einblick in das Wirken des Friedensnobelpreisträgers. Darin wird deutlich, wo die Wurzeln für sein mutiges Eintreten für Gerechtigkeit liegen.

John Allan, ehemals Pressesekretär von Erzbischof Desmond Tutu, hat Ausschnitte aus dessen Predigten, Vorträgen und Briefen zusammengestellt, systematisch geordnet und mit kurzen Einleitungen versehen – ein genaues Quellenverzeichnis fehlt leider. Dennoch ist ein anregendes Lesebuch entstanden.

Tutu nimmt die jeweilige Situation scharfsichtig und unbestechlich wahr. Er äußert sich öffentlich klar und ohne Scheu vor Auseinandersetzungen. Seiner pastoralen Aufgabe als Bischof, Generalsekretär des Südafrikanischen Kirchenrats und schließlich Erzbischof von Kapstadt entsprechend sind seine Äußerungen biblisch begründet und wurzeln tief im christlichen Glauben. Und gerade deswegen vertritt Tutu die für manche vielleicht provokante These „Gott ist kein Christ“, die dem Buch den Titel gegeben hat.

Damit macht er deutlich, dass das Christentum keine exklusiven Besitzansprüche auf Gott oder Wahrheit erheben kann. Er will zeigen, dass Gott größer ist als das Christentum und dass andere Glaubensüberzeugungen sowie die Vielfalt menschlicher Lebensweisen respektiert werden müssen. Als Christ und im Respekt vor anderen Religionen hat Desmond Tutu sich während seines ganzen Lebens furchtlos, eindeutig und radikal geäußert und ist für Gerechtigkeit, Menschenrechte, Freiheit und Versöhnung eingetreten. Es war ihm auf Grund seines Glaubens unmöglich, angesichts von Leid und Unterdrückung zu schweigen.

Tutus Theologie ist im besten Sinne politisch, weil er sie immer wieder leidenschaftlich auf die gesellschaftlichen und politischen Umstände bezieht und dabei Partei für die Menschen ergreift, die ausgeschlossen sind und unterdrückt werden. Die Texte zeigen Erzbischof Tutu als jemanden, der die politisch Verantwortlichen in den afrikanischen Staaten, insbesondere im neuen Südafrika, aber auch in Lateinamerika und Israel an ihre Aufgabe erinnert, für Gerechtigkeit und Frieden und die Überwindung von Hass und Gewalt zu sorgen.

Tutus Denken ist auch in afrikanischen Traditionen verankert. In vielen seiner Texte spielt der Begriff „Ubuntu“ eine wichtige und zentrale Rolle. „Ubuntu“ bezeichnet das Wesen menschlicher Gemeinschaft: Menschen werden zu Menschen im Kontakt mit anderen. Menschsein beseht in der Gemeinschaft, in der Zusammenarbeit und in der Vielfalt. Das ist für Tutu grundlegend.

Seine Texte machen deutlich, dass die Verwurzelung im Christentum und in der Tradition des „Ubuntu“ zur Offenheit gegenüber anderen Glaubenstraditionen führt und zur Parteinahme für Arme sowie zum Eintreten für Gerechtigkeit herausfordert. So ist das Lesebuch zugleich ein Lehrbuch, dessen Erkenntnisse auch jenseits von Afrika Orientierung geben.

Rudolf Ficker
 

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