Die heimlichen Herrscher

David Rothkopf 
Superclass 
The global power elite and the world they are making
Farrar, Strauss and Giroux, New York 2009 (Paperback),
376 Seiten, 16 US-Dollar

Anonyme Großinvestoren, die sich in deutsche Unternehmen einkaufen wollten, trafen 2005 auf Probleme: Der damalige SPD-Vorsitzende Franz Müntefering hatte sie als Heuschrecken bezeichnet und damit eine Debatte darüber ausgelöst, ob man ihre Geschäfte beschränken sollte. Stephen Schwarzman, leitender Manager in einer der größten Private-Equity-Firmen, griff da auf sein Netzwerk zurück und ließ ein Treffen mit Angela Merkel arrangieren. Eine Stunde lang erklärte er der Kanzlerin, warum solche Investoren den Unternehmen zu mehr Wachstum und Konkurrenzfähigkeit verhelfen. Kurz darauf erwarb seine Firma von der Bundesregierung einen großen Anteil an der Telekom.

Für David Rothkopf ist diese Episode ein Anzeichen, dass eine so genannte Superklasse neuartige Macht über nationale Regierungen gewonnen hat. Die Großen aus der Wirtschafts- und Finanzwelt stellen den größten Anteil an dieser globalen Machtelite. Auch Spitzen aus Regierungen, Parteien und Armeen,  Medien, Religionsgemeinschaften und nichtstaatlichen Organisationen zählen dazu. Hinzu kommt eine Schattenelite, von Bloggern bis zu Führern des organisierten Verbrechens. Die weltweit gut 6000 Mitglieder dieser Superklasse zeichneten sich durch die Macht aus, regelmäßig das Leben von Millionen Menschen in vielen Ländern zu beeinflussen.

Entscheidend dafür ist nicht nur das Geld, auch wenn die meisten der oberen Sechstausend steinreich sind. Sie bewegen sich überwiegend in einem gemeinsamen globalen Milieu und vernetzen sich untereinander. Im Zugang dazu und in der Möglichkeit, jeden, auch die Bundeskanzlerin, einfach anzurufen, sieht Rothkopf zu Recht Kennzeichen von Macht. Die globale Superklasse ersetze mit ihrem Netzwerk sogar notdürftig eine Weltregierung.
Das Buch enthält viele interessante Beobachtungen. Zum Beispiel beleuchtet es den Einfluss von PR-Agenturen und professionellen Politikberatern, die unsichtbaren Einfluss auf Parteien und Politiker in aller Welt gewonnen haben. Analytisch lässt es aber zu wünschen übrig. Es wird nicht klar, inwieweit die globalen Sechstausend tatsächlich nationale Bindungen hinter sich gelassen haben. Auch folgt der Einfluss von Mafiosi anderen Mechanismen als der von Wirtschaftskapitänen; was nutzt es da, sie alle unter „Superklasse“ zu fassen? Rothkopf vermittelt den Eindruck, die Machtkonzentration untergrabe die Demokratie, und wendet sich zugleich gegen Elitenschelte – auch weil Macht heute mehr auf Leistung beruhe als früher. Seine Erläuterung zu exorbitanten Gehältern schwankt zwischen Erklärung und Rechtfertigung. Er sieht zwar, dass Eliten oft den eigenen Nutzen verfolgen. Am Ende setzt er aber auf die Einsicht der Superklasse, dass eine legitime Ordnung auch der Wirtschaft nutzt.

Das Buch ist locker geschrieben und dennoch ermüdend. Unzählige Details über die Biografien der Einflussreichen und ihre Gespräche mit dem Autor erklären wenig außer dass der Autor halbwegs dazugehört – Rothkopf war Staatssekretär in der Regierung Clinton und führt eine eigene Beraterfirma. Man wird das Gefühl nicht los, dass er sich dem Kitzel der Macht nicht entziehen kann.

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