Rainer Merkel
Das Unglück der anderen
S. Fischer-Verlag, Frankfurt 2012,
477 Seiten, 22,99 Euro
Die Rolle des Autors wird im Verlauf des Buches nie richtig klar. Er ist als Reporter unterwegs, trifft ehemalige UCK-Kämpfer im Kosovo und Prince Johnson in Liberia, der Rebellenführer war und mittlerweile gewählter Senator einer Region ist. Auf den meisten der fast 500 Seiten beschreibt Merkel jedoch, wie er mit Entwicklungshelfern, Journalisten, einheimischen Mitarbeitern von Organisationen und zufälligen Bekannten in Cafés sitzt und sich über irgendetwas unterhält, das meist belanglos ist.
Er berichtet vom Alltag der Leute, die von Krise zu Krise ziehen, Netzwerke pflegen und scheinbar nicht mehr anders können, als dem Elend hinterher zu reisen und sich irgendwann selbst zu verlieren. Merkel führt Menschen, Szenen und Gedanken gekonnt zusammen. Er zeigt, wie ihn Erinnerungen an ehemalige Kolleginnen und arme Kinder beschäftigen. Doch zunehmend stört, dass der Autor über seine Reisen Tag für Tag in allen Einzelheiten berichtet: banale Gespräche, die Routine des Reisenden, das Warten auf irgendetwas und das Hoffen auf eine gute Geschichte.
Die starken Momente machen den kleineren Teil des Buchs aus. Bis zum Schluss wird nicht klar, ob hier eine Kritik an der „Hilfsindustrie“ vorliegt, ein Psychogramm des Entwicklungshelfers oder einfach ein Buch unfertiger Reportagen. Deshalb legt man dieses unentschiedene Reisetagebuch schließlich ein wenig ratlos zur Seite. (Felix Ehring)
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