Unpassender Exportschlager

Die Bundesregierung nennt die berufliche Bildung einen Schlüsselbereich ihrer Entwicklungszusammenarbeit. Im vergangenen Jahr sagte das Entwicklungsministerium fast 100 Millionen Euro für Projekte in diesem Bereich zu. Bisherige Vorhaben waren aber weniger wirksam, als Berlin es gerne hätte, wie eine umfangreiche Evaluierung zeigt.

Deutschland hält große Stücke auf seine berufliche Bildung, die gleichermaßen auf Theorie und Praxis baut. In der Bundesregierung nennt man das „duale System“ gern einen Exportschlager. Laut dem Entwicklungsministerium (BMZ) ist Deutschland der größte bilaterale Geber für berufliche Bildung. „Leistungen und Erfolge“ auf diesem Gebiet würden „seit Beginn der Legislatur noch gezielter national und international sichtbar gemacht“, lobte sich das Haus Niebel im Mai in einer Antwort auf eine Bundestagsanfrage.

Eine neue Evaluierung nährt aber Zweifel, dass es mit diesen Leistungen bisher allzu weit her war. Im Auftrag der Bundesregierung hat das Centrum für Evaluation in Saarbrücken die Prüfgutachten zu zwölf Projekten der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und ihrer Vorläuferorganisationen wie Inwent oder DED aus den vergangenen 15 Jahren ausgewertet und zu einem Querschnittsbericht zusammengefasst. Hinzu kam eine sogenannte Meta-Evaluation, die die  Qualität der deutschen Entwicklungszusammenarbeit in der beruflichen Bildung grundsätzlich bewertet.

Autor

Tillmann Elliesen

ist Redakteur bei "welt-sichten".

Die wichtigsten Ergebnisse der Studie lauten: Die untersuchten Projekte in Afrika, Asien und Osteuropa haben kaum zur Armutsbekämpfung beigetragen. Dazu hätten sie stärker in den informellen Sektor wirken müssen, in dem die meisten Armen beschäftigt sind. Das war aber praktisch nicht der Fall. Vorhaben in der beruflichen Bildung sollen dazu beitragen, die Wirtschaft im Projektland zu modernisieren. Davon haben die Armen oft aber nichts.

Projekte zur beruflichen Bildung sind zunehmend überfordert

Dahinter steht laut der Evaluierung ein grundsätzliches Pro­blem: Projekte zur beruflichen Bildung seien im Laufe der Zeit zunehmend mit zusätzlichen ­Ansprüchen etwa aus den Millenniumszielen überfrachtet worden. Sie sollen die Armut bekämpfen helfen, die Geschlechtergerechtigkeit fördern und zu Reformen in Richtung einer sozialen und ökologischen Wirtschaft beitragen. Die Gutachter empfehlen, die Entwicklungszusammenarbeit in der beruflichen Bildung solle sich stattdessen wieder auf ihren „Markenkern“ besinnen und Projekte mit klaren und realistischen Zielen verwirklichen.

Die untersuchten Projekte haben vor allem punktuell gewirkt – etwa auf einzelne Bildungseinrichtungen, deren Personal oder die Auszubildenden. Eine Wirkung darüber hinaus, zum Beispiel die Verbreitung einer bestimmten Lehrmethode in andere Einrichtungen, ließ sich hingegen kaum feststellen. Wenig erfolgreich sind auch solche Projekte, die auf sogenannte „systemische Wirkungen“ setzen – also etwa auf die Etablierung des dualen Systems im Projektland, wie das vergeblich auf den Philippinen versucht wurde. Das heiße nicht, dass man auf solche Projekte künftig verzichten solle, schreiben die Gutachter. Sie müssten allerdings besser vorbereitet sein: Ein weiterer Befund der Evaluierung lautet nämlich, dass vor dem Start  nicht oder nur oberflächlich untersucht worden sei, welcher Bedarf an welcher Art Berufsbildung in dem Projektland bestehe und welche Reformen mit den Bedingungen vor Ort vereinbar seien. Mit anderen Worten: Der vermeintliche Exportschlager aus Deutschland passt in viele Länder gar nicht.

Laut Evaluation müssen zudem drei weitere Bedingungen erfüllt sein, damit ein Entwicklungsprojekt langfristig wie beabsichtigt wirken kann: geeignetes Personal, Flexibilität, um das Vorhaben sich ändernden Rahmenbedingungen anzupassen, und die Verantwortung für das Projekt bei den Partnern (ownership). In allen vier Punkten wiesen die untersuchten Vorhaben Mängel auf – was für den Leiter des Saarbrücker Zentrums, Reinhard Stockmann, ein betrüblicher Befund ist: Diese Erfolgsbedingungen seien seit zwanzig Jahren bekannt, würden aber offenbar immer noch nicht ausreichend beachtet.

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