Keine Klientelpolitik für religiös Verfolgte

Die beiden großen Kirchen in Deutschland haben erstmals einen gemeinsamen Bericht zur Religionsfreiheit von Christen weltweit herausgegeben. Statt Zahlen zu erheben, geht die Studie strukturellen Faktoren von Verfolgung auf den Grund. Damit bietet sie einen alternativen Ansatz zum Umgang mit einem Thema, das bisher vor allem von evangelikalen Hilfswerken besetzt war.

Für die Kirchen ist das Thema eigentlich nicht neu. Allerdings haben sie bisher nur in den eigenen Reihen, an verschiedenen Sonntagen im Jahr, auf die Bedrohung von Christen in aller Welt aufmerksam gemacht. Jetzt haben sich die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) zusammengetan und eine gemeinsame Studie zum Thema Christenverfolgung veröffentlicht. „Das Unrecht, das Christen aufgrund ihres Glaubens erleiden, ist kein konfessionelles Thema. Wir möchten in der Öffentlichkeit deshalb mit einer Stimme sprechen“, sagte Erzbischof Ludwig Schick bei der Vorstellung des „Ökumenischen Berichts zur Religionsfreiheit von Christen weltweit“ Anfang Juli in Berlin. „Wir sind überzeugt, dass den betroffenen Mitchristen umso besser geholfen werden kann, wenn wir die Situationen der Repression tiefer durchschauen und besser verstehen.“

Der ökumenische Bericht zur Religionsfreiheit liest sich an vielen Stellen wie ein Gegenentwurf zu Verlautbarungen von „Open Doors“ und anderer Hilfswerke, die sich öffentlichkeitswirksam für verfolgte Christen einsetzen. Das fängt bei der Methodologie an. Die Studie stützt sich nicht auf Erfahrungsberichte persönlich Betroffener, sondern zieht Erkenntnisse des US-amerikanischen Pew Research Centers und der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch heran. Die Lage verfolgter und bedrängter Christen wird anhand menschenrechtlicher Kriterien analysiert.

Das Recht auf Religionsfreiheit wird zunehmend verletzt

Die Untersuchung stellt strukturelle Zusammenhänge und Hintergründe dar, die den Nährboden für Feindseligkeit oder gar Gewalt gegen Christen bildeten. Seit 2007 lasse sich ein Trend nachweisen, dass Verletzungen des Rechts auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit stetig zugenommen haben, sagte der Autor der Studie, Theodor Rathgeber. „Die Länderbeispiele führen zu der Schlussfolgerung, dass sowohl von der Regierung als auch vom sozialen Umfeld ausgehende Beeinträchtigungen häufig Hand in Hand gehen und sich wechselseitig bestärken.“

Vereinfachungen und Stereotypen werden vermieden. Rathgeber ordnet vielmehr das Phänomen der Bedrängung und Verfolgung von Christen in den jeweiligen politischen, sozialen und juristischen Kontext ein. Damit gelangen auch nicht christliche religiöse Minderheiten in den Blick, die ansonsten häufig vergessen werden. „Für die christlichen Kirchen gibt es keine Alternative zum Eintreten für die Religionsfreiheit – und zwar für alle und an allen Orten“, sagte EKD-Auslandsbischof Martin Schindehütte. „Ich kann nicht einfach für meine bedrückten Schwestern und Brüder beten und dabei all jene außen vor lassen, die ebenfalls aufgrund ihres Bekenntnisses Opfer von Menschenrechtsverletzungen werden.“

In dem Bericht werden keine konkreten Zahlen von religiös Verfolgten genannt, wie es „Open Doors“ tut und pauschal von 100 Millionen verfolgten Christen weltweit spricht. Es sei nicht entscheidend, wie viele Menschen genau wegen ihres christlichen Glaubens Opfer von Menschenrechtsverletzungen werden, sagte Schindehütte. Jeder einzelne Mensch sei einer zu viel. Der 84-seitige Bericht kann online heruntergeladen werden und ist auch als Broschüre erhältlich.

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erschienen in Ausgabe 8 / 2013: Zentralasien – Als Partner umworben
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