Ein schwieriges Erbe nutzen

Ostdeutsche Städte können in ihren Partnerschaften mit afrikanischen Kommunen auf Kontakte vor der deutschen Wiedervereinigung zurückgreifen. Doch nicht alle dieser Verbindungen funktionieren heute noch.

Nach der Wende schliefen manche Partnerschaften mit Städten in früheren „sozialistischen Bruderstaaten“ wie Mosambik, Äthiopien und Angola, aber auch in Mali und der Republik Kongo ein, andere wurden erst richtig mit Leben gefüllt. So zum Beispiel die Verbindung Dresdens mit Brazzaville in der Republik Kongo. Die Partnerschaft mit der Hauptstadt des zentralafrikanischen Landes besteht seit 1975. Über die Anfangsjahre ist nur wenig bekannt, nach der Wende bestätigte der Dresdner Stadtrat sie. Seit dem Ende des Bürgerkriegs im Kongo sind zaghafte Kontakte zur Zivilgesellschaft in Brazzaville entstanden. Zum 800-jährigen Dresdener Stadtjubiläum 2006 kam Bürgermeister Hugues Ngouelondele begleitet von Künstlern und einem Chor. Der Dresdner Verein Arche Nova engagiert sich in Schulprojekten. „Wir geben Geburtshilfe“, so beschreibt Kristina Schoger, Abteilungsleiterin Europäische und Internationale Angelegenheiten der Stadt Dresden, ihren Ansatz. Weiterführen soll das dann die Zivilgesellschaft in beiden Städten. Brazzaville hat eine rege Kunstszene, zu der es bereits Kontakte gibt.

1967 wandte sich die legendäre malische Stadt Timbuktu an das ostdeutsche Chemnitz, das damals noch Karl-Marx-Stadt hieß. Es gab Hilfslieferungen von Lebensmitteln und medizinischen Gütern. 1990, ein Jahr nach der Wende, gründeten engagierte Chemnitzer einen Partnerschaftsverein, um die Verbindung zu vertiefen. Doch die Zusammenarbeit ist aus mehreren Gründen schwierig. In über 45 Jahren ist es nicht gelungen, unter den Bürgern Timbuktus Interessierte zu finden, mit denen sich Projekte planen lassen. Chemnitz  versucht, mit Spenden der Bürger in der humanitären Krise nach dem Vorrücken islamistischer Kräfte und der französischen Militärintervention Anfang 2013 zu helfen. Außerdem befindet sich zurzeit ein Mitarbeiter des Ahmed-Baba-Instituts zur Erforschung und Bewahrung alter Handschriften aus Timbuktu zur Fortbildung in Chemnitz. Doch trotz einer „Rue de Chemnitz“ in Timbuktu ist es fraglich, ob die Verbindung jemals echte Wurzeln in der Bürgerschaft dort schlagen wird.

Der Laufsport verbindet Addis Abeba mit Leipzig

Anders sieht das in der Partnerschaft zwischen Leipzig und Addis Abeba aus, der Hauptstadt von Äthiopien. Die Wurzeln dieser Beziehung reichen ebenfalls in die DDR-Zeit zurück, eine Partnerschaft wurde aber erst 2004 unterzeichnet. Die Kooperation mit der sozialistischen Militärdiktatur von Haile Mariam Mengistu war ein wichtiger Anker der DDR-Afrikapolitik. Es gab ein Netz von Wissenschaftlern, Ingenieuren und Ärzten, die in Äthiopien zu tun hatten und sich nach ihrer Rückkehr dem Land weiter verbunden fühlten. Die meisten der rund 4000 Äthiopier, die in der DDR lebten und arbeiteten, lernten am Herder-Institut in Leipzig die deutsche Sprache, viele studierten an Leipziger Hochschulen.

Nach der Wende hatten Teile des Stadtrats zunächst Bedenken. Es würde sich um eine einseitige Angelegenheit handeln, befürchteten sie. Daher gab es zunächst eine Befristung auf fünf Jahre – zur Bewährung. Sie war für den Partnerschaftsverein „Leipzig – Addis“ ein besonderer Ansporn, sagt die Vorsitzende Sofia Ebert. Da Leipzig auf eine lange Lauftradition blicken kann – hier fand der erste Marathon auf deutschem Boden statt –, wurde im Laufsport eine wichtige Gemeinsamkeit der beiden Städte gefunden. Lauflegende Haile Gebrselassie kam 2009 zu einem Festival nach Leipzig; 2010 wurde die Partnerschaft dann auf unbefristete Zeit verlängert. Seitdem bietet der Partnerschaftsverein regelmäßige Laufreisen nach Äthiopien an, bei denen man am Great Ethiopian Run in Addis Abeba teilnehmen kann. Entwicklungshilfe im monetären oder personellen Sinn sei nicht das Anliegen des Partnerschaftsvereins, betont Ebert. 

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erschienen in Ausgabe 9 / 2013: Solidarität: Was Menschen verbindet
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