Grüne: Regierung ignoriert die Opfer der Fabrikbrände

Die Opfer der Fabrikbrände in der Textilbranche in Bangladesch tun sich schwer, bei internationalen Konzernen Entschädigungen zu erwirken. Die Grünen werfen der Bundesregierung vor, sie verschleppe eine Beschwerde gegen zwei deutsche Textilhändler.

Sie wollten sich selbst ein Bild machen. Der grüne Entwicklungspolitiker Uwe Kekeritz und Parteikollegin Renate Künast haben gesehen, wie menschenunwürdige Bedingungen in Textilfabriken von Bangladesch aussehen. Und sie wollen europäische Kleiderhändler in die Verantwortung nehmen. So beschwerte sich Kekeritz schon Mitte Mai bei der Bundesregierung, die Firmen C&A, Karl Rieker und KiK hätten bei dem Brand der Tazreen-Fabrik 2012 ihre „Schutzpflicht“ verletzt. Vier Monate später hat die Regierung noch nicht reagiert. „Ein Skandal“, befindet der Abgeordnete. Die Regierung sei gegenüber den Belangen der Opfer taub und mache sich zum Handlanger der Wirtschaftsinteressen deutscher Großkonzerne.

Autorin

Marina Zapf

ist Berlin-Korrespondentin von „welt-sichten“.

Angegriffen wird hier die beim Wirtschaftsministerium (BMWi) angesiedelte Nationale  Kontaktstelle für die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Sie wacht darüber, ob multinationale Unternehmen sich an die OECD-Leitsätze für den Umgang mit Korruption und Menschenrechten halten. Gibt es Streit um ihr Verhalten, wie im Fall des Fabrikbrands, sollen die Kontaktstellen den Sachverhalt prüfen und gegebenenfalls ein Vermittlungs- und Schlichtungsverfahren zwischen den Parteien herbeiführen.

Laut Kekeritz verweigert die Kontaktstelle aber eine schnelle Entscheidung über die Annahme der Beschwerde. Sie stehe seit August aus, bemängeln die Grünen nun. Aus ihrer Sicht soll geprüft werden, ob die deutschen Firmen mitverantwortlich sind für den Tod der mehr als hundert Näherinnen. Die Firmen weisen die Verantwortung von sich: Kik etwa sieht das Fehlverhalten bei Feuerwehr, Behörden und Personen, „die die Türen verschlossen hatten“.

Doch die Leitsätze sind ebenso wenig verbindlich wie die Vorgabe, die Zulässigkeitsprüfung binnen drei Monaten abzuschließen. Das sei eine „Soll“-Bestimmung, erklärt das Ministerium auf Nachfrage: „Die erste Evaluierung kann insbesondere bei Beschwerden, die komplexe Sachverhalte aufwerfen, einen längeren Zeitraum als drei Monate erfordern.“ Zudem könne der Austausch mit anderen Bundesressorts sowie mit anderen Kontaktstellen nötig sein. Man sei bemüht, das Verfahren „so rasch wie möglich abzuschließen“.

Laut Ministerium ist die Frist nicht verbindlich

Die Opfer der Katastrophe, die bereits an anderer Stelle um Entschädigung ringen, werden nach Ansicht der Opposition derweil im Stich gelassen. „Die Ignoranz des Wirtschaftsministeriums ist ein Fingerzeig an die globale Zivilgesellschaft“, erklärte Kekeritz Anfang September. Die Nationale Kontaktstelle mache deutlich, „dass sich die Bürger nicht auf die Politik verlassen können, wenn das Verhalten mächtiger Konzerne zur Gefahr für Leib und Leben wird“.

Als die OECD-Leitsätze für Fürsorgepflichten 2011 überarbeitet wurden, hatten Menschenrechtler im Falle von Menschenrechtsverstößen ein Klagerecht im Heimatland der Konzerne gefordert. Ohne Erfolg. Die Indust­rie­länder wollten freiwillige und „nicht strafbewehrte“ Leitlinien. Und das bedeutet, dass selbst anerkannte Verstöße straflos bleiben. Das könnten nur nationale Gesetze ändern.

Die Friedrich-Ebert-Stiftung befand in einer Bewertung, es hänge somit sehr stark vom politischen Willen eines Landes ab, wie – und ob überhaupt – es die Leitlinien „durch nationale Praktiken“ stärken wolle. Für die Grünen werden die Leitlinien durch das Verhalten der Kontaktstelle sogar geschwächt. Kekeritz wie auch unabhängige Fachleute bemängeln einen grundsätzlichen Makel: Dass die Kontaktstelle beim Wirtschaftsministerium und damit bei einer Regierungsstelle sitzt, die zugleich für die Außenwirtschaftsförderung zuständig ist, könne zu Interessenkonflikten führen.

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erschienen in Ausgabe 10 / 2013: Landrechte: Auf unsicherem Boden
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