Zweifel an den Regeln der Prüfer

Im vergangenen Jahr hat eine Prüfung beim Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria ergeben, dass in einigen Ländern Zuschüsse in Millionenhöhe nicht ordnungsgemäß ausgegeben worden waren. Eines dieser Länder ist Swasiland im südlichen Afrika. Die dort für die Aids-Bekämpfung verantwortlichen Organisationen weisen die Vorwürfe zurück: Viele Ausgaben, die die Prüfer heute als unrechtmäßig einstufen, seien einst vom Sekretariat des Globalen Fonds genehmigt worden.
Swasiland ist in der misslichen Lage, neue Geber finden zu müssen, um das erwartete Geld vom Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria zu ersetzen. Der hat seine Zahlungen gestoppt, nachdem der Generalinspekteur des Fonds im Zuge einer Untersuchung kritisiert hatte, wie Swasiland die Mittel verwendet. Aids-Gruppen vor Ort fürchten, der Bericht könne die Ziele Swasilands im Kampf gegen HIV/Aids, Malaria und Tuberkulose gefährden. Daraufhin hat Premierminister Barnabas Sibusiso Dlamini die internationale Gebergemeinschaft gebeten, Swasiland in dieser„Stunde der Not“ beizustehen.
 

Autor

James Hall

ist Autor, Berater und Filmemacher in Swasiland. Er schreibt dort seit vielen Jahren eine Zeitungskolumne zum Thema HIV und Aids.

Hauptpartner – im Fachjargon „Principal Recipient“ – des Globalen Fonds ist in Swasiland der Nationale Rat für HIV und Aids (NERCHA). Der fürchtet, der Bericht des Fonds könnte das Werben um neue Geber gefährden. Der Rat hat deshalb die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG mit einem unabhängigen Gutachten beauftragt. „Wir sind vollkommen transparent. Es mangelt aber an Verständnis dafür, wie die Dinge in Swasiland funktionieren. Da wird Alarm geschlagen und ein falscher Eindruck erweckt, was hier wirklich los ist“, sagt Derek von Wissell, der Direktor von NERCHA.

Swasiland braucht humanitäre Hilfe, um Armut und Krankheiten zu bekämpfen. Das gilt insbesondere für die verheerenden Auswirkungen von HIV/Aids, die die Regierung finanziell bei weitem überfordern. In Swasiland sind fast ein Drittel aller Frauen und jeder fünfte Mann im Erwachsenenalter HIV-positiv. Am stärksten betroffen sind Frauen zwischen 25 und 49 Jahren und Männer zwischen 35 und 39 Jahren, von denen fast die Hälfte HIV-positiv sind. In einem Bericht des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA) heißt es: „Die Lebenserwartung ist von 1997 bis 2007 von 60 Jahren auf 43 Jahre gesunken, was vor allem auf die Auswirkungen von HIV und Aids zurückgeht.“

Mit dem Geld, das Swasiland 2003 aus dem Globalen Fonds erhalten hat, sollte das noch junge Gesundheitswesen gefördert werden. Öffentliche Gesundheitseinrichtungen und nichtstaatliche Organisationen (NGOs) begrüßten das, und tatsächlich wurde mit den Mitteln viel erreicht. So ist man zum Beispiel dabei, die Malaria auszurotten – die Zahl der Neuerkrankungen ist um 60 Prozent zurückgegangen. Auch erhalten bedürftige Patienten zunehmend Zugang zu antiretroviralen Arzneimitteln gegen Aids.

Nach wie vor aber tut sich Swasiland schwer, zu Rechenschaftszwecken aktuelle amtliche Daten oder belastbares Zahlenmaterial vorzulegen. Letzteres hat mitunter die Geber aufgebracht. Im Oktober 2011 veröffentlichte der Globale Fonds seinen Prüfbericht, der die Mittelverwendung in Swasiland im Zeitraum 2003 bis 2010 unter die Lupe nimmt. Der Bericht beschreibt die Besuche des Inspekteurs vor Ort bei den HIV/Aids-Initiativen und seine vergeblichen Versuche, die vom Fonds vergebenen Mittel mit den erzielten Ergebnissen abzugleichen. Angesichts ähnlicher Prüfungen in Ländern wie Nigeria und Indien, wo Millionen Dollar aus dem Fonds unterschlagen und veruntreut wurden, fürchten nun die Empfänger von Fonds-Mitteln in Swasiland, mit diesen in einen Topf geworfen zu werden.

Laut den Prüfern wurden zwar große Fortschritte erzielt, aber aus verschiedenen Gründen seien die Regeln des Fonds nur unzureichend eingehalten worden. Der Bericht nennt „Budgetüberschreitungen und im Budget nicht enthaltene Ausgaben“, das „Fehlen adäquater und vollständiger Belege, unzulässige Ausgaben und Abweichungen in der Bilanzierung, Vermögenswerte, die bei der Prüfung nicht vorgewiesen wurden, Mängel in der Überwachung, im Beschaffungswesen und in der Materialverwaltung“. So stellten die Prüfer zum Beispiel fest, dass abgerechnete Medikamente nicht auffindbar waren. Sie monierten, es seien Fahrzeuge angeschafft worden, die nicht im Budget vorgesehen waren, und Gehälter gezahlt sowie Tagesstätten in ländlichen Regionen für Waisen und gefährdete Kinder gebaut worden, die den vorgesehenen Ansatz im Haushalt überstiegen.

Der Bericht kommt zu dem Schluss, es könne„nicht mit hinreichender Sicherheit“ zugesagt werden,„dass die an Swasiland ausgezahlten Mittel immer angemessen verwendet werden“. Als Konsequenz fordern die Prüfer, Swasiland solle 46,4 Millionen südafrikanische Rand (4,6 Millionen Euro) an den Fonds zurückzahlen.

Die HIV/Aids-Organisationen in Swasiland und der Nationale Aids-Rat NERCHA weisen die Darstellung des Generalsinspekteurs allerdings zurück. Der Rat entgegnete dem Bericht, es lasse sich zeigen, dass alle seit 2003 angeblich missbräuchlich verwendeten Gelder in Wirklichkeit korrekt eingesetzt wurden. Er beauftragte zu diesem Zweck die Wirtschaftsprüfungsfirma KPMG mit einer unabhängigen Prüfung, deren Ergebnisse freilich noch nicht vorlagen, als das Team des Globalen Fonds im Land unterwegs war. KPMG hat Zahlen und einen Zeitplan der Mittelverwendung vorgelegt. Auch werden die Organisationen benannt, die Geld erhalten haben, sowie ihre Begünstigten und der aktuelle Stand ihrer Projekte. Laut NERCHA wurde alles Geld ordnungsgemäß ausgegeben. Scheinbare Unregelmäßigkeiten seien ärgerlicherweise im Wesentlichen auf eine ungenügende Buchführung zurückzuführen.

NERCHA-Direktor von Wissell nennt ein Beispiel:„Wir mussten Fahrzeuge für ein Programm vom UNWelternährungsprogramm kaufen, weil wir sonst die Lebensmittel nicht zu den Empfängern hätten bringen können. Fahrzeuge waren im ursprünglichen Budget nicht enthalten. Deshalb genehmigte das Sekretariat des Globalen Fonds einen Auszahlungsantrag, woraufhin uns das Geld für diesen Zweck bereitgestellt wurde. Aber die Prüfer sagen, dass das ursprüngliche Budget diese Ausgabe nicht vorsah und sie somit unzulässig ist.“ Die Prüfer des Fonds forderten den Aids-Rat auf nachzuweisen, dass die im Budget nicht ausgewiesenen Fahrzeuge vorhanden waren und für Ziele der vom Fonds gewährten Mittel genutzt wurden. Die Fahrzeuge gibt es, doch ist NERCHA bisher den Nachweis schuldig geblieben, dass sie im Rahmen der vom Globalen Fonds finanzierten Programme eingesetzt wurden.

Auch der Bau von „Großmütter-Zentren“, in denen Frauen in ländlichen Regionen Aids-Waisen versorgen, überstieg das Budget um eine Million US-Dollar. Der Aids-Rat meldete das dem Globalen Fonds und das Sekretariat genehmigte die Ausgabe. Nicht so der Generalinspektor während seiner Prüfung: Die Mehrausgabe sei nicht im ursprünglichen Budget enthalten gewesen. Der Generalinspekteur empfiehlt dem Fonds, den Betrag zurückzufordern. Im Prüfbericht ist aber zugleich vermerkt, die ganze Situation hätte vermieden werden können, hätte das Sekretariat des Globalen Fonds den Aids-Rat von Swasiland besser angeleitet.

Der Prüfbericht kritisiert auch unbelegte Ausgaben. Nach den Regeln des Globalen Fonds müssen Einkäufe mit Originalrechnungen nachgewiesen werden. Das Problem scheint hier zu sein, dass die für die Prüfung notwendigen Papiere einfach nicht mehr alle auffindbar waren. So ist zum Beispiel die zentrale Lieferstelle für Aids-Medikamente der Regierung dafür bekannt, dass sie gerne Originalrechnungen verbummelt. NERCHA ist es gelungen, von den Lieferanten beglaubigte Kopien der Rechnungen zu besorgen, aber die wollten die Prüfer nicht akzeptieren. Ebenfalls abgelehnt wurden weitere Belege dafür, dass die fraglichen Arzneimittel tatsächlich gekauft und bezahlt worden waren – etwa Übersichten über die Bestände in Medikamentenlagern und Nachweise über die Ausgabe von Medikamenten unter Angabe der Empfänger. Derlei Indizien entsprächen nicht den Buchhaltungsstandards des Globalen Fonds.

Der Prüfbericht des Fonds verdeutlicht Mängel in der Kommunikation zwischen dem Hauptempfänger der Fonds-Mittel und den zuständigen Abteilungen des Fonds. Auch wenn wohl kein Vorsatz im Spiel war: Die Empfänger der Finanzhilfen in Swasiland haben offensichtlich deutliche Schwächen im Bereich Überwachung und Buchhaltung.

Ein Blick zurück kann helfen zu verstehen, was schiefgelaufen ist. 2003 vermittelte der Globale Fonds den Empfängern seiner Zuschüsse in Swasiland den Eindruck, sie sollten rasch Geld ausgeben und schnelle Ergebnisse erzielen. Mitarbeiter der HIV/Aids-Organisationen in Swasiland erinnern sich noch gut daran, wie flexibel der Fonds damals war. Diese Flexibilität sei zunehmend einer strengeren Kontrolle gewichen, die einerseits zwar nötig sei, andererseits aber die Gegebenheiten vor Ort und die Fähigkeiten eines Entwicklungslandes zur Überwachung und Evaluierung ignoriere. „Wir haben 2003 zum ersten Mal Geld vom Fonds bekommen. Die Kontrolle der Mittelverwendung ist damals für uns und für den Fonds erst langsam in Gang gekommen. Man kann nicht die Maßstäbe von 2010 anwenden für das, was 2003 gemacht wurde“, sagt NERCHA-Direktor von Wissell.

In seinem Prüfbericht räumt der Generalinspekteur denn auch ein, dass die Kontrollen und Anforderungen an die Buchhaltung in früheren Jahren lascher waren und die Prüfergebnisse entsprechend angepasst werden sollten. Der Bericht betont aber auch, vom Aids-Rat sei stets verlangt worden, angemessene Buchhaltungsunterlagen zu führen, „um ohne jede Einschränkung alle Ausgaben und Einnahmen nachweisen zu können“. NERCHA hätte deshalb seit 2003 wirksame Überwachungs- und Evaluierungsverfahren einführen und ausbauen müssen.

Die Vereinten Nationen empfehlen, dass die Empfänger von Mitteln des Globalen Fonds 14 Prozent der Zuschüsse für Kontrolle und Evaluierung ausgeben. NERCHA hat aber zu keiner Zeit mehr als 1,7 Prozent der jährlichen Fonds-Mittel für diesen Zweck erhalten; das hat dem Aufbau eines Überwachungs-und Evaluierungssystems im Wege gestanden.

Gesundheitsorganisationen in Swasiland stimmen darin überein, ein gutes Ergebnis der aktuellen Kontroverse sei, dass man nun die Buchhaltung verbessern müsse. Aber diese Bemühungen werden von Mängeln in der Regierung und in Behörden konterkariert– sie sind etwa unfähig, die vom Globalen Fonds geforderten Rechnungen zusammenzutragen. Solange sich das nicht bessert, sind weitere Missverständnisse vorprogrammiert – die dann unausweichlich zur Sorge führen, hier lägen Korruptionsfälle vor.

Die Prüfung des Globalen Fonds könnte nützlich sein, vorausgesetzt die Geber studieren aufmerksam ihre Ergebnisse – aber eben auch die Entgegnungen Swasilands. Beides offenbart eine Kluft zwischen den anspruchsvollen Standards, die von Industrieländern aufgestellt und erfüllt werden, und der Situation in Entwicklungsländern, in denen es an fachlichem Know-how mangelt und solche Standards den Gipfel der Vollkommenheit darstellen mögen, der aber in der Praxis schwierig zu erklimmen ist. Es ist ermutigend, dass die Prüfer die Empfänger in Swasiland aufrufen, sich in den Bereichen Kontrolle und Evaluierung weiterzubilden – und dem Globalen Fonds nahelegen, das zu unterstützen. Davon werden nicht nur die internationalen Geber profitieren. Es wird auch Swasilands helfen, seine Ziele im Gesundheitssektor zu erreichen, wenn die Verantwortlichen Rechenschaft darüber ablegen können, wie sie Hilfsgelder ausgegeben und welche Ergebnisse sie erzielt haben.

Nachdruck mit freundlicher Genehmigung von Consultancy Africa Intelligence (CAI) in Südafrika von deren Websitewww.consultancyafrica.com.

Aus dem Englischen von Barbara Kochhan.

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erschienen in Ausgabe 4 / 2012: China: Alles unter Kontrolle?
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