Keine Müller-Welle nach der Niebel-Delle

Bürgerkriege, Flüchtlingswelle und Ebola-Epidemie: In der ersten Bundestagsdebatte um den entwicklungspolitischen Haushalt 2015 forderten Abgeordnete fraktionsübergreifend mehr Mittel für den Entwicklungsetat.

Der Regierungsentwurf sieht allerdings wegen der Vorgabe der „schwarzen Null“ für das Entwicklungsministerium nur eine marginale Aufstockung der Mittel um 1,8 Millionen Euro auf 6,44 Milliarden Euro vor. Damit lasse Deutschland die Entwicklungszusammenarbeit „weiter finanziell im Abseits stehen“, erklärten mehrere zivilgesellschaftliche Organisationen in Berlin.

Entwicklungsminister Gerd Müller indes hob angesichts der Rekordzahl von 50 Millionen Flüchtlingen weltweit die Reaktionsfähigkeit der Regierung hervor. So habe er für seine Sonderinitiative für Flüchtlinge 190 Millionen Euro aufgelegt. Die Mittel für die Ukraine seien verdoppelt worden. Nun müsse vor der kalten Jahreszeit für Winterquartiere und Infrastruktur gesorgt werden. Dazu habe er 100 Millionen Euro überplanmäßige Ausgaben beantragt.

Für 2015 – das Jahr der Entwicklung – verlangte Müller einen neuen Aufbruch, um die „Überlebensfragen der Menschheit“ zu lösen. Die Mittel für die Sonderinitiative „Eine Welt ohne Hunger“ stockt Müller auf rund 1,4 Milliarden Euro auf. Im Vorfeld der in Paris anstehenden Klimakonferenz stellt er eine erste Tranche von 750 Millionen Euro für den Grünen Klimafonds in den Etat ein. Deutschland müsse „bei allen Maßnahmen Vorbild“ und „auf internationaler Ebene der Taktgeber für den Klimaprozess“ sein.

Weniger Geld für Nothilfe und Friedensdienst

Die Opposition kritisierte, dass die Sparpolitik zulasten der weltweiten sozialen Gerechtigkeit gehe. Während der Aufwuchs für das BMZ „fast null“ sei, werde in anderen Bereichen, die zur staatlichen Entwicklungshilfe (ODA) gehörten, sogar gekürzt – zum Beispiel die humanitäre Hilfe im Etat des Auswärtigen Amtes um 38 Prozent. Heike Hänsel von der Linken kritisierte, dass die Mittel für Krisenprävention und für den Zivilen Friedensdienst stagnieren – und das in einer Zeit, in der zivile Instrumente ausgebaut werden müssten.

Auch die entwicklungspolitische SPD-Sprecherin Bärbel Kofler forderte eine Korrektur in Sachen Friedenssicherung: Die mittelfristigen Zusagen für den Zivilen Friedensdienst würden entgegen der Koalitionsabsprachen gesenkt. Überhaupt sei aus der Niebel-Delle im Haushalt nicht die erhoffte Müller-Welle geworden. Für die Unionsfraktion unterstrich Jürgen Klimke indes, dass die Zuschüsse für die Arbeit der Vereinten Nationen in fragilen Staaten auf 140 Millionen Euro wachsen.

Die grüne Haushaltspolitikerin Anja Hajduk warf Müller Versagen am Kabinettstisch vor. Dort müsse er mehr Mittel einfordern. Stattdessen sei er mitverantwortlich für ein Ungleichgewicht zwischen Waffenlieferungen in den Irak für 70 Millionen Euro und humanitärer Hilfe von 50 Millionen Euro. Zwar sei nun von zusätzlichen 100 Millionen Euro für humanitäre Hilfe die Rede, dennoch stagniere der Aufwand für entwicklungsfördernde und strukturbildende Übergangshilfen bei 49 Millionen Euro.

Mehr als 45 Millionen für die internationale Impfallianz

Der entwicklungspolitische Sprecher der Grünen, Uwe Kekeritz, nannte es grotesk, dass ausgerechnet die hoch gelobte „Sonderinitiative Fluchtursachen bekämpfen“ um 10 Millionen Euro gekürzt werden solle. Auch für die SPD monierte Sonja Steffen, dass die Initiative, die im letzten Haushalt erstmals für besonders unter Flüchtlingskrisen leidende Länder wie Jordanien und Libanon aufgelegt wurde, mit Barmitteln von 60 Millionen Euro unterversorgt sei.

Die beispiellose Ebola-Krise im Westen Afrikas nahmen viele Redner zum Anlass, mehr Engagement für die Gesundheitsfürsorge zu fordern. Ruanda habe dank eines belastbaren Gesundheitssystems mehrere Ebola-Krisen bewältigt, unterstrich Uwe Kekeritz. Die Bundesregierung müsse das Thema soziale Sicherung wiederbeleben. Einig waren sich die Regierungsparteien, dass Deutschland mehr als die vorgesehenen 45 Millionen Euro für die internationale Impfallianz Gavi ausgeben sollte. „Die Länder des Südens haben ihre Mittel für Impfstoffe um 250 Prozent gesteigert“, sagte Bärbel Kofler. Deutschland solle 100 Millionen Euro beisteuern.

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erschienen in Ausgabe 10 / 2014: Hoffen auf die Mittelschicht
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