Mildes Urteil für Deutschland

Prüfbericht der OECD
Deutschlands Entwicklungspolitik hat vom Entwicklungsausschuss der OECD ein freundliches Zeugnis bekommen. Der Prüfbericht enthält wertvolle Hinweise auf praktische Mängel, die deutsche Politik insgesamt bewertet er recht milde.

Dass Prüfberichte des Entwicklungsausschuss (DAC) mehr oder weniger diplomatisch geschrieben sind, liegt in ihrer Natur. Mit diesen sogenannten Peer Reviews prüfen die mittlerweile 29 im DAC vertretenen Geberländer sich gegenseitig; den jüngsten Bericht über Deutschland haben Kanada und Japan zusammen mit Experten der OECD erstellt. Er lobt unter anderem Deutschlands Einsatz für nachhaltige globale Entwicklung, Klimaschutz und Klima-Finanzierung und mahnt, die öffentliche Entwicklungshilfe noch stärker zu erhöhen: Die Prüfer vermissen wieder einmal einen Plan, wie und bis wann das von der Bundesregierung selbst akzeptierte Ziel von 0,7 Prozent des Sozialprodukts erreicht werden soll.

Interessanter sind Befunde zu Details der Entwicklungszusammenarbeit im Süden. Gelobt wird, dass die multilaterale Hilfe, die etwa über UN-Organisationen fließt, nicht mehr starr gedeckelt ist und das BMZ eine Strategie dafür gemacht hat, welche Kanäle am sinnvollsten sind. Auch die Prioritäten der bilateralen Hilfe, Afrika und die ärmsten Länder, finden die Prüfer richtig. Nur werde das Geld nicht entsprechend verwendet: Der Anteil für die ärmsten Länder ist auf einen Tiefstand gesunken. Soweit man die bilaterale Hilfe Ländern zuordnen kann, sind ausgerechnet China und Indien die größten Empfänger. Das ist umso erstaunlicher, als das BMZ seit 2010 China keine neuen Mittel mehr zusagt. Der Bericht erklärt, dass die ärmsten Länder vor allem Zuschüsse bekommen, vergünstigte Kredite aber großenteils an Länder mit mittlerem Einkommen fließen. Im Falle Chinas vergibt die KfW, die diese finanzielle Zusammenarbeit abwickelt, solche Kredite aus eigenen Mitteln. Und ab einem bestimmten Maß der Vergünstigung gegenüber Marktkrediten zählt der ganze Kredit als Hilfe.

Bemängelt wird auch, dass das BMZ seine Hilfe zu wenig über Institutionen der Partnerstaaten abwickelt oder, wo die nicht zuverlässig sind, ihren Aufbau unterstützt. Das ist ein zentraler Teil der internationalen Vereinbarungen, mit denen die Hilfe wirksamer gemacht werden soll.

Große Erwartungen an Zukunftscharta

Die Reform der Durchführungsorganisationen seit 2010, auf die der DAC gedrängt hatte, bewertet der neue Bericht als Erfolg: Das Gleichgewicht zwischen Steuerung im BMZ und Durchführung sei wiederhergestellt. Allerdings finden die Prüfer nun die Prozesse im BMZ schwerfällig und raten, mehr Entscheidungen in die Projektländer zu verlagern – zu den Entwicklungsreferenten an den Botschaften. Hellhörig macht auch, dass die Prüfer Engagement Global, der Serviceastelle des BMZ für die deutsche Zivilgesellschaft, hohe Transaktionskosten bescheinigen, weil sie NGO-Projekte einzeln bewilligt.

Die Sonderinitiativen des BMZ zu Hungerbekämpfung, Fluchtursachen und Nahost beurteilt der DAC-Bericht ambivalent: Sie erlaubten flexible Finanzierungen, es sei aber unklar, wie sie sich zu den Länder- und Sektorstrategien des BMZ verhalten. Tatsächlich drängt sich jedoch der Eindruck auf, dass die BMZ-Spitze mit diesen Sonderinitiativen vor allem publikumswirksam aktuelle Themen besetzt – auch ohne vorher zu wissen, was das Ministerium dort mit seinen Mitten bewirken kann und wie.

Recht freundlich urteilt der Bericht auch darüber, wieweit Entwicklung und Nachhaltigkeit die Politik der gesamten Bundesregierung prägen. Große Erwartungen verbinden die Prüfer mit der Zukunftscharta des BMZ und mit der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie, die zurzeit überarbeitet wird. Doch Pläne, die Politik der Bundesregierung insgesamt entwicklungsfreundlich zu machen, zum Beispiel das Aktionsprogramm 2015 von 2004, haben bisher wenig Wirkung gezeigt. Auch der Einfluss der Nachhaltigkeitsstrategie ist in zentralen Politikfeldern wie Energie oder Verkehr gering. Wie die Zukunftscharta politisch umgesetzt werden soll, lässt das BMZ bisher offen. Zwar fordert Entwicklungsminister Müller öffentlich nachhaltige Konsummuster in Deutschland. Nur ist bisher nicht bekannt, dass er in der Bundesregierung mit dem Verkehrs- oder Wirtschaftsressort dafür streitet oder dass er Einfluss auf die Ausarbeitung der neuen Nachhaltigkeitsstrategie nimmt. Die OECD-Prüfer haben hier wohl Absichtserklärungen für bare Münze genommen.

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erschienen in Ausgabe 12 / 2015: Agrarindustrie: Vitamine aus der Tüte
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