Große Schmiergeldzahler

Bis 1999 war es deutschen Unternehmen erlaubt, für Aufträge im Ausland zu bestechen. Das hat sich geändert, aber längst nicht alle deutschen Firmen halten sich daran. Auch Konzerne aus anderen Staaten helfen gern nach. Strafverfolgung haben sie kaum zu fürchten, die Wirkung internationaler Übereinkommen zur Bekämpfung der Korruption ist sehr begrenzt.

Geht man die Fälle durch, in denen deutsche Großkonzerne in den letzten Jahren der Bestechung im Ausland überführt wurden, dann fragt man sich, ob der langjährige Exportweltmeister nicht auch als Weltmeister im Bestechen zu gelten hat. So sind unter anderem Mitarbeiter von Siemens, MAN und Daimler der Auslandsbestechung im großen Stil angeklagt worden. Während Siemens milliardenschwere Kraftwerksaufträge nur mit Schmiergeldzahlungen zu erhalten glaubte, wurde bei Daimler der Verkauf von Bussen, Personen- und Lastwagen damit eingefädelt. Bei MAN ging es um den Verkauf von Gaspipeline-Technik an eine staatliche Gasfirma in Kasachstan mit Hilfe „nützlicher Aufwendungen“ – so die Sprachregelung in vielen Konzernen für Bestechungsgeld.

Autor

Cord Jakobeit

ist Professor für Internationale Politik an der Universität Hamburg.

Eigentlich hätte den Konzernchefs und Mitarbeitern der Verkaufsabteilungen klar sein müssen, dass sich mit dem „OECD-Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr“ die Spielregeln geändert hatten. Das Abkommen, seit Februar 1999 deutsches Recht, verbietet Bestechungszahlungen an Regierungschefs, Minister, Beamte und Entscheidungsträger im Ausland – zuvor konnten sie straffrei gezahlt, in den Kaufpreis eingerechnet und dann auch noch von der Steuer abgesetzt werden. Inzwischen haben 38 Staaten das Abkommen unterzeichnet, auch Länder wie Brasilien und Südafrika, die nicht der OECD angehören. Die in Teilen noch weiter gehende UN-Konvention gegen Korruption, die 2005 in Kraft getreten ist, hat die Bekämpfung der Korruption sogar auf der globalen Ebene verankert, auch wenn sie wie das OECD-Übereinkommen in nationale Gesetze umgesetzt werden muss, um wirksam zu werden.

Doch vielfach wurde die jahrzehntelange Praxis nicht über Nacht abgeschafft. Mit dem neuen rechtlichen Rahmen und nach den Skandalen der vergangenen Jahre geben sich die Konzernchefs inzwischen geläutert. In neueren Interviews wird versichert, dass die transnationalen Konzerne nunmehr auf Bestechungsgelder verzichten würden. Überall wurden „Compliance Officers“ eingestellt, Verhaltenskodizes verabschiedet, Hotlines eingerichtet, bei denen Mitarbeiter Verfehlungen melden und Fragen klären können, firmeninterne Amnestieprogramme verkündet und Trainingsprogramme zur Korruptionsbekämpfung aufgelegt – alles mit dem Ziel, Aufträge künftig nur noch ohne Schmiergelder zu erhalten.

Heißt das, dass jetzt bei Konzernen mit Hauptsitz in einem OECD-Staat Aufträge nur noch aufgrund von Qualität und Preis eingeworben werden? Weit gefehlt. Die USA machen schon seit Ende der 1970er Jahre vor, dass Gesetze kein Hindernis sein müssen.  Dort gilt seit 1977 ein Gesetz, das Bestechung im Ausland unter Strafe stellt, der Foreign Corrupt Practices Act (FCPA). Die USA haben seither immer wieder darauf gedrängt, die amerikanischen Strafrechtsnormen gegen Korruption zumindest für alle OECD-Staaten verbindlich zu machen, um den vermeintlichen Wettbewerbsnachteil für US-Firmen auszugleichen. Gleichzeitig wurde der FCPA in den letzten Jahren in einen Wettbewerbsvorteil umgemünzt und zunehmend gegen europäische Konzerne eingesetzt. Denn nicht nur wer, wie viele deutsche Großunternehmen, an der Wall Street notiert ist, muss sich an US-Recht halten. Auch jedes Unternehmen mit einer US-Tochtergesellschaft muss bei Verstößen mit einer juristischen Offensive des US-Justizministeriums, des FBI oder der Börsenaufsicht rechnen. Siemens und Daimler mussten das zuletzt leidvoll erfahren und hohe Strafen zahlen. Derzeit werden beim US-Justizministerium 150 Ermittlungsverfahren geführt, 2001 waren es nur 8 Fälle.

Gleichwohl haben US-Unternehmen inzwischen jahrzehntelange Erfahrung damit, wie sie selbst die Bestimmungen des FCPA und der OECD unterlaufen können. Mit Hilfe ihres weltweiten Netzes von Spionage- und Abhörsatelliten sind US-Geheimdienste bestens über die Geschäftspraktiken ausländischer Unternehmen informiert. Dieses Wissen wird zwar, wie ehemalige Geheimdienstmitarbeiter versichern, nicht direkt an die US-Unternehmen weitergegeben, aber es wird in politischen Druck umgemünzt. Der hat schon mehrfach zur Neuausschreibung von lukrativen Großaufträgen im Ausland geführt. Außerdem besteht die Möglichkeit, auf Antrag an das US-Justizministerium den FCPA „im Interesse der nationalen Sicherheit“ außer Kraft zu setzen. Davon machen US-Konzerne regelmäßig Gebrauch, besonders bei Rüstungsgeschäften oder beim Abschluss langfristiger Verträge im Rohstoffsektor. Wenn „gute Gründe“ nachgewiesen werden, dürfen ausländischen Entscheidungsträgern so genannte Pilotprojekte, Studientouren, Berater und Repräsentanten bezahlt und die Kosten geltend gemacht werden.

Dass korrupte Praktiken von transnationalen Konzernen auch nach 1999 beziehungsweise 2005 nicht der Vergangenheit angehören, zeigen die Ergebnisse des Bribe Payers Index (BPI), der von Transparency International (TI) seit 1999 erhoben wird. Dieser Index der Bestechungsgeldzahler untersucht, inwieweit Unternehmen aus den 22 führenden Exportnationen bereit sind, im Ausland zu bestechen. Er stellt damit das notwendige Gegenstück zum bekannteren Corruption Perception Index von TI dar, mit dem seit Mitte der 1990er Jahre die Korruptionsneigung in inzwischen 180 Ländern erfasst wird. Denn zur Korruption gehören immer zwei – derjenige, der zusätzliche Bezahlung verlangt, aber auch derjenige, der bestechen will.

Nach dem jüngsten BPI von 2008 rangieren die USA bei der Einschätzung, inwieweit transnationale Unternehmen aus einem Land Bestechungsgeld zahlen, lediglich im gehobenen Mittelfeld. Auch in den Vorjahren – 1999, 2002 und 2006 – erreichten die USA nur eine mittlere Position im Vergleich zu anderen OECD-Ländern, trotz des schon seit 1977 gültigen FCPA. Auch Deutschland nimmt nur eine Position im gehobenen Mittelfeld ein, steht aber gleichwohl stets besser da als die USA. Transnationale Unternehmen aus Staaten wie Schweden, der Schweiz, Kanada und den Niederlanden rangieren stets in der Spitzengruppe. Zentral ist aber das Ergebnis, dass Bestechungszahlungen von transnationalen Unternehmen auch aus diesen Ländern weiter zur gängigen Praxis zählen, wenn auch in geringerem Umfang. Am unteren Ende der Tabelle rangieren die Schwellenländer China, Indien und Russland. Transnationale Unternehmen aus diesen Ländern haben die geringsten Skrupel, Bestechungsgeld einzusetzen.

Sieht man sich die Sektoren an, in denen mit größerer Wahrscheinlichkeit bestochen wird, dann liegen öffentliche Infrastrukturprojekte und der Verteidigungssektor vorn, dicht gefolgt vom Öl- und Gassektor sowie der Schwerindustrie und dem Energietransportbereich. Eher selten werden Bestechungsgelder an öffentliche Amtsträger im Bereich der Landwirtschaft, im Fischereiwesen oder im Banken- und Finanzsektor gezahlt.

Ein weiteres Ergebnis aus dem Bribe Payers Index überrascht und ist gleichzeitig bezeichnend: 79 Prozent der befragten Geschäftsleute aus Ländern mit hohen Einkommen waren mit den Bestimmungen des OECD-Übereinkommens „überhaupt nicht vertraut“. Den Unternehmen sind ihre Aufträge wichtiger als gesetzliche Bestimmungen oder die hauseigenen Compliance-Abteilungen. Offensichtlich ist es noch ein weiter Weg, bis Schmiergeldzahlungen nicht mehr zur gängigen Geschäftspraxis transnationaler Unternehmen gehören.

erschienen in Ausgabe 9 / 2010: Korruption: Geld, Amt und Macht

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