Flüchtlinge treiben die Entwicklungshilfe nach oben

Anrechnung als ODA
Die Bundesregierung denkt darüber nach, die Kosten der Flüchtlingsaufnahme stärker als staatliche Entwicklungshilfe (ODA) anzurechnen. „Deutschland überprüft derzeit seine Meldemethode“, sagt eine Sprecherin des Entwicklungsministeriums auf Anfrage. Genaueres sei erst Ende März zu erfahren, wenn die vorläufigen Ausgaben für 2015 an den Entwicklungsausschuss (DAC) der OECD gemeldet werden.

Die Frage ist angesichts der anhaltend hohen Zahl von Flüchtlingen brisant, da Deutschlands Leistung an Entwicklungsländer an der ODA-Zielmarke von 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) gemessen wird. Großbritannien und einige andere Länder haben sie schon erreicht. Deutschland ist über 0,4 Prozent nie hinausgekommen. Die Opposition befürchtet, dass die Zahlen nun durch die enormen Kosten aufgebläht werden – vermutlich deutlich über 0,4 Prozent.

Aus Sicht der Grünen würde das ein völlig falsches Bild vom tatsächlichen Engagement für Entwicklungsländer geben – nämlich einen fragwürdigen „Scheinaufwuchs“, kritisiert der Abgeordnete Uwe Kekeritz. Auch Niema Movassat von der Linkspartei teilt die Sorge und fürchtet, dass dann weniger für arme Länder ausgegeben wird, was die BMZ-Sprecherin indes verneinte.

Die Union riskiert allerdings auch Krach mit dem Koalitionspartner, sollte sie heimische Aufwendungen für Flüchtlinge mit Entwicklungshilfe in einen Topf werfen. Die gehören nach Meinung der sozialdemokratischen Entwicklungspolitiker da nicht hin. Dies widerspreche dem Kerngedanken der Entwicklungszusammenarbeit, menschenwürdige Lebensumstände und Perspektiven in den Partnerländern zu schaffen. Der SPD-Abgeordnete Sascha Raabe geht davon aus, dass sich für die Anrechnung 2015 noch nichts ändern wird.

Die OECD gestattet die ­Anrechnung der Kosten

Bereits bei der Vorlage des OECD-Prüfberichts zur deutschen Entwicklungszusammenarbeit im November hatte Staatssekretär Friedrich Kitschelt jedoch betont, die bisher angerechneten Kosten für anerkannte Asylbewerber aus Entwicklungsländern seien „minimal“. Deutschland könne viel mehr anrechnen.

Im Bundestag wagte Volkmar Klein (CDU), im Haushaltsausschuss für Entwicklungspolitik zuständig, die Prognose, dass die Quote „nächstes Jahr“ 0,7 Prozent sogar deutlich übertreffen werde – „weil sämtliche Kosten, die im Inland für Flüchtlinge anfallen, für die ersten zwölf Monate mitgerechnet werden“.

Nach den OECD-Regeln ist das gestattet. Vor allem nordische Länder nutzen den Spielraum und melden Kosten für Transport und Unterhalt im ersten Jahr, zu dem Unterbringung, Versorgung und Ausgaben für Grundbildung gehören. Deutschland meldete im Berichtsjahr 2014 ODA-anrechenbare Kosten von rund 130 Millionen für Flüchtlinge, denen 2013 Asyl- oder Flüchtlingsschutz gewährt wurde. Dies entsprach etwa einem Prozent der gesamten deutschen ODA 2014. Die Kampagnenorganisation ONE hat ausgerechnet, dass gemeldete Kosten europäischer Länder in diesem Jahr auf zehn Milliarden US-Dollar steigen könnten; das entspräche elf Prozent der gesamten EU-Entwicklungshilfe 2014.

Die OECD bemüht sich um Einheitlichkeit, aber eher im einschränkenden Sinn. In einem Interview plädierte der DAC-Vorsitzende Erich Solheim dafür, den Umfang der als ODA zu verbuchenden Kosten für die Flüchtlingsaufnahme eng zu fassen. Auf einem sogenannten High-level Meeting im Februar beschlossen die DAC-Mitglieder, die Anrechnung der Flüchtlingskosten zu vereinheitlichen.

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