Späte Rache

Mapuche
Seit Anfang des Jahres häufen sich Brandanschläge auf christliche Einrichtungen im Süden Chiles. Radikale Mapuche-Gruppen fordern die Rückgabe des Landes ihrer Vorfahren. Die katholische Kirche zeigt sich besorgt – und äußert Verständnis.

Aus Sicht der Brandstifter geschieht den Christen in Chile heute das, was ihren Vorfahren vor mehr als hundert Jahren passiert ist. Als die chilenische Regierung mit Hilfe der Armee das angestammte Land der indigenen Bevölkerung Siedlern übergab, nahm niemand auf deren Kultstätten Rücksicht. Wo die Mapuche im Einklang mit der Natur, ihren Vorfahren und spirituellen Kräften gelebt hatten, entstanden große Forstbetriebe, die noch heute das Land bewirtschaften. Die Ureinwohner wurden in Reservate gedrängt. Damals stand die katholische Kirche aufseiten der Regierung und der Großgrundbesitzer, wollte sie doch die Indigenen auf den vermeintlich einzig richtigen Weg des Glaubens bringen. Dafür müsse sie jetzt den Preis zahlen, heißt es in Bekennerschreiben zu den Anschlägen.

Die Mapuche sind das einzige indigene Volk, das der spanischen Eroberung Südamerikas im 16. Jahrhundert erfolgreich widerstand und sich von der spanischen Krone Sonderrechte garantieren ließ. Doch mit der Staatsgründung Chiles 1818 begann ihre systematische Entrechtung und Enteignung. Heute leben in der Region La Araucanía im Süden Chiles noch etwa 600.000 Mapuche, hunderttausend weitere sind in die großen Städte des Landes gezogen. Nur zehn bis 15 Prozent von ihnen sprechen noch ihre eigene Sprache Mapudungun. Aus Angst vor Diskriminierung haben sie lange Zeit ihre Identität selbst der chilenischen Kultur untergeordnet. Sie zählen zu den Ärmsten und am wenigsten Gebildeten unter der chilenischen Bevölkerung.

Seit einigen Jahren besinnen sich die Mapuche auf die eigene Tradition und Kultur. Einige wenige haben sich radikalisiert und machen in jüngster Zeit mit Brandanschlägen auf Kirchen und Forstbetriebe auf sich und ihre Forderungen aufmerksam. Allein in diesem Jahr sind bereits zwölf christliche Einrichtungen zerstört worden. „Es ist nur eine kleine Gruppe von Mapuche, die sich radikalisiert hat“, sagt Margit Wichelmann, Chile-Referentin beim katholischen Lateinamerika-Hilfswerk Adveniat. Die überwiegende Mehrheit des Volkes wolle mit ihrer Religion, ihrer Kultur und ihrer Weltsicht als Teil des chilenischen Volkes akzeptiert werden. „Oft werden sie aber auf den Status eine Folklore-Volkes reduziert“, sagt Wichelmann. Nach wie vor müssten sie erleben, dass ihre Interessen weniger gelten als die von Konzernen. Zugleich gerieten sie aufgrund der Brandstiftungen unter Generalverdacht. Immer wieder komme es zu zweifelhaften Verhaftungen.

Katholische Bischöfe stellen sich hinter die Mapuche

Das sehen auch zahlreiche Vertreter der katholischen Kirche in Chile so. In einer gemeinsamen Erklärung kurz nach den jüngsten Anschlägen im April stellen sich mehrere katholische Geistliche aus der Region La Araucanía hinter die Mapuche-Minderheit. Gewaltaktionen wie Brandanschläge von Mapuche-Aktivisten und die scharfen Reaktionen des Staates seien Folgen fehlender Lebenschancen, heißt es in dem Schreiben. Auch die Bischofskonferenz von Chile äußert sich besorgt zur Eskalation der Gewalt im Landrechtskonflikt der Mapuche. „Wenn die wesentlichen Werte der Existenz eines gläubigen Volkes nicht respektiert werden, wie das Recht auf Leben, Sicherheit und heilige Räume, dann verletzt man die Seele dieses Volkes”, schreiben die Bischöfe Mitte April. Zugleich appellieren sie an die Regierung, sich stärker für eine Lösung des Konflikts einzusetzen.

Angesichts der Unterstützung, die die Mapuche von Vertretern der katholischen Kirche erfahren, wirken die Brandanschläge wie aus der Zeit gefallen. Doch nicht alle Kirchenvertreter stehen eindeutig auf der Seite der Indigenen. In einem Bekennerschreiben nach einem Anschlag auf eine Kirche in Canete in der Provinz Bío-Bío prangern die Brandstifter den Bischof von Villarica, Francisco Javier Stegmeier Schmidlin, als „einen Komplizen der Unterdrückungspolitik des Staates” an. Stegmeier ist seit 2009 im Amt und hat seither gut laufende Programme zur Unterstützung der Mapuche gestoppt. Außerdem pflegen einige Vertreter der katholischen Kirche in Chile nach wie vor gute Beziehungen zu den großen Agrarbetrieben und zeigen eher Verständnis für deren Interessen.

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erschienen in Ausgabe 6 / 2016: Neue Chancen für die Kurden
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