Helden des Anti-Populismus

Zum Thema
Tone Keppeler
Alejandra Gutiérrez Valdizán, Guatemala.
Zivilgesellschaft
Auch in anderen Teilen der Welt wirken engagierte Menschen dem Populismus entgegen. Ein Pfarrer, ein Anwalt, ein Sozialarbeiter und eine Journalistin berichten.

Die Journalistin: Den Populisten auf die Pelle rücken

Seit fünf Jahren arbeitet Alejandra Gutiérrez Valdizán bei „Plaza Pública“. Ebenso lange regieren in Guatemala rechte Populisten. Erst war es Otto Pérez Molina (2012 bis 2015), ein General im Ruhestand. Heute ist es Jimmy Morales, ein ehemaliger Fernsehclown, der mit dem Slogan „Kein Dieb und auch nicht korrupt“ gewählt wurde. Das kam an. Sein Vorgänger war im September 2015 nach einer ganzen Reihe von Korruptionsskandalen verhaftet worden.

Dass es so weit gekommen ist, hat mit der Arbeit von Gutiérrez Valdizán zu tun. Die 42-jährige Chefredakteurin der auf Recherchen und Reportagen spezialisierten Internetzeitung hält die Rolle von „Plaza Pública“ beim Sturz von Pérez Molina lieber klein. „Es war ein Zusammenspiel von Medien, den Ermittlern der Uno-Mission gegen die Straffreiheit und der Staatsanwaltschaft“, sagt sie. Tatsächlich aber stand eine Recherche ihrer Redaktion am Anfang: „Plaza Pública“ hatte in einer gut dokumentierten Geschichte nachgewiesen, dass die Vizepräsidentin umgerechnet mehr als zehn Millionen Euro an eine Firma bezahlt hatte, die mit einer als „Wundermittel“ gepriesenen Lösung einen stark verschmutzten See reinigen sollte. Die Zeitung wies nach: Bei der „Reinigungslösung“ handelte es sich schlicht um Salzwasser. „Danach ging es Schlag auf Schlag, es war ein verrücktes Jahr.“

Gutiérrez Valdizán hat ihre Karriere vor zwanzig Jahren als Reporterin einer Tageszeitung begonnen, ist seit drei Jahren die einzige Chefredakteurin Guatemalas und lebt ihren Beruf. „Für einen Freund oder gar für Kinder bleibt da keine Zeit.“ Sind solche Recherchen in Guatemala nicht gefährlich? „Nicht allzu sehr“, meint sie.

Die von Jesuiten geführte Universität Rafael Landaverde, die „Plaza Pública“ herausgibt, gebe ihr Schutz. Einmal nur sei sie bedroht worden: Als sie über die illegalen Offshore-Geschäfte eines ehemaligen Außenministers und evangelikalen Predigers geschrieben hatte. Inzwischen gibt es Gerüchte, auch der als Saubermann ins Präsidentenamt gewählte Morales habe Dreck am Stecken. „Wir sind dran“, sagt Gutiérrez Valdizán.

 

Der Pfarrer: Hass auf den guten Hirten

Pfarrer Zoltán Németh gibt keine Interviews mehr. In wütenden Postings und rabiaten Anrufen sei ihm in jüngster Zeit zu viel Hass entgegengeschlagen. Der katholische Geistliche in der westungarischen Gemeinde Körmend, wenige Kilometer von der österreichischen Grenze entfernt, hat nach eigener Einschätzung gar nichts Großartiges geleistet. Er hat in einem Trakt seines Pfarrgebäudes Flüchtlinge aus Nahost und Afrika aufgenommen. Denn im Lager, das die ungarische Regierung eingerichtet hat, mussten die Asylsuchenden im Winter bei Minus­temperaturen in unzureichend geheizten Zelten überwintern. „Im Lager herrschen unmenschliche Zustände“, sagte Németh in einem Fernsehbericht, „das Feuer in den Holzöfen muss bewacht und es muss ständig nachgelegt werden.“

Der Teil des Pfarrgebäudes, der im Sommer als Jugendlager dient, wird im Winter nicht genutzt. Der 61-jährige Pfarrer erinnerte sich also an die Worte von Papst Franziskus, jede Pfarrgemeinde solle zumindest eine Flüchtlingsfamilie aufnehmen. Bei den meisten, die in Körmend eine warme Stube fanden, handelt es sich um syrische Christen. Freiwillige aus der Gemeinde kümmern sich um sie. „Selbst Leute, die nicht zur Messe kommen, haben unterschiedliche Formen von Unterstützung angeboten, um den Bedürftigen zu helfen“, sagte Németh im Interview mit einem ungarischen Blogger. Interessierte Jugendliche hätten mit den Flüchtlingen in Kontakt treten wollen.

Die von regierungsnahen Medien verbreiteten Gerüchte, die Fremden litten an ansteckenden Krankheiten, seien völlig substanzlos. Aber viele Mitglieder der Pfarrgemeinde – auch solche, die regelmäßig die Messe besuchen – attackierten ihn und seine Arbeit. Einige würden ihn als Lakaien von George Soros beschimpfen. Der ungarischstämmige Milliardär und Mäzen, der in Budapest unter anderem die Central European University finanziert, gilt der Regierung von Viktor Orbán als sinistrer Intrigant, der Ungarn unterwandern wolle.

Pfarrer Németh findet auch in der eigenen Kirche kaum Rückhalt. Die Führung der katholischen wie auch der evangelischen Kirchen in Ungarn unterstützt die restriktive Flüchtlingspolitik der Regierung. Kardinal Erzbischof Péter Erdö hatte schon 2015 gewarnt, wenn die Kirche Flüchtlinge aufnähme, „würden wir uns zu Schleppern machen“. Németh hätte sich mehr Unterstützung von oben für seine Arbeit erwartet. „Vielleicht“, so der Pfarrer in einem ungarischen Blog, „erfülle ich meine Pflicht nicht richtig. Dann sollte ich von meinem Amt zurücktreten.“

 

Der Sozialarbeiter: An das Gute im Menschen glauben

„Tumelo, was machst du hier?“, ruft Johan Robyn einer jungen Frau zu. Sie bettelt auf einer Kreuzung die Autofahrer an, die vor einer roten Ampel stehen. „Morgen kommst du zu mir ins Büro, dann besuchen wir deine Mutter.“ Robyn arbeitet seit über 14 Jahren als Sozialarbeiter in Hillbrow, Johannesburg.

Südafrikaner verbinden mit diesem dichtbesiedelten Stadtteil wenig Gutes: Kriminalität, Gewalt, Drogen – und Fremdenfeindlichkeit. Hillbrow ist die erste Anlaufstelle für Migranten aus anderen afrikanischen Ländern, die auf der Suche nach einer besseren Zukunft in Johannesburg ankommen. Doch viele Hoffnungen werden enttäuscht. Die Bearbeitung der Asylanträge verläuft schleppend, die Arbeitslosigkeit ist hoch, ausländische Ladenbesitzer werden zu Opfern fremdenfeindlicher Gewalt. Mehrfach haben Politiker die Stimmung gegen Ausländer geschürt, zuletzt kam es hier 2015 zu Übergriffen.

Das Leben der Menschen spielt sich auf der Straße ab. Robyn kennt viele von ihnen mit Namen. Viele saßen schon in seinem Beratungsbüro bei der lutherischen Outreach-Foundation. Er hat ihnen eine Unterkunft vermittelt, sie haben an Therapiesitzungen teilgenommen – wo sie herkommen ist egal. Oft muss Robyn Rückschläge verkraften: Auch Tumelo hatte wieder einen Rückfall, nachdem sie mehrere Monate ohne Drogen ausgekommen war.  Aber er gibt nicht auf: Er glaubt an das Gute, er traut den Menschen zu, dass sie sich entwickeln und von schädlichen Gewohnheiten loskommen.  Im Gespräch mit ihnen hält er sich nicht lange mit Small Talk auf, sondern schaut hinter die Fassade, fragt nach den Beweggründen, interessiert sich für Probleme und Wünsche, hat Zeit und meistens auch einen heißen Kaffee.

Robyn ist gut vernetzt mit anderen sozialen Einrichtungen und ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern in Hillbrow. Sie geben praktische Unterstützung, führen Familien zusammen, verteilen warme Mahlzeiten, organisieren Aktionen und Kampagnen für Solidarität und gegenseitigen Respekt. Dazu gehört ein „sleep-over“ auf dem Gelände der lutherischen Kirche für Südafrikaner aus den reicheren Stadtteilen. Für eine Nacht schlafen sie draußen und essen gemeinsam mit den Obdachlosen zu Abend. Gemeinsam halten sie an der Vision eines bunten, friedlichen und gerechten Südafrikas fest.

 

Der Menschenrechtler: Schwieriger Balanceakt auf den Philippinen

Der philippinische Menschenrechtsanwalt Edre U. Olalia hat früh ein großes Vorbild verloren. Sein Onkel, der angesehene Gewerkschaftsführer Rolando Olalia, wurde gemeinsam mit seinem Fahrer im November 1986 ermordet. Bei der Beerdigung war Edre Olalia 23 Jahre alt. Fünf Jahre später absolvierte er sein juristisches Staatsexamen. Anstelle eines lukrativen Jobs im Big Business stellte er sich an die Seite von unterdrückten Bauern, Arbeitern, Fischern und Indigenen. Ihnen verhilft Olalia, inzwischen Präsident der National Union of Peoples’ Lawyers (NUPL), zu ihren Rechten.

Auch politisch mischt er sich ein. Gegenüber Staatspräsident Rodrigo Duterte nimmt er kein Blatt vor den Mund. „Dieser Irrsinn muss gestoppt werden. Wenn die Drogenkriminalität weiter so bekämpft wird wie bisher, wird ein Frankenstein genährt, der uns noch lange verfolgen wird“, erklärte er im Juli 2016. „Die Heilung wird dann schlimmer als die Krankheit sein.“ Olalia, der das linke Untergrundbündnis Nationale Demokratische Front der Philippinen (NDFP) in Rechtsfragen berät, wirbt aber auch dafür, mit der Regierung im Gespräch zu bleiben und den Friedensdialog fortzuführen, der zwischenzeitlich abgebrochen worden war. Angesichts der drängenden sozialen Probleme gebe es mehr Gründe denn je, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

Für die schärfste parlamentarische Kritikerin Dutertes, Senatorin Leila de Lima, hat Olalia nicht viel übrig. Den Aufschrei über ihre Verhaftung wegen vermeintlicher Kontakte zu Drogenhändlern Ende Februar bezeichnete er als „heuchlerisch“. Ihre Liberale Partei betrachtet die Vorwürfe als politisch motiviert, obgleich sie sich in der Vergangenheit geweigert hatte, die Existenz von politischen Gefangenen überhaupt anzuerkennen. Die NUPL betonte, landesweit säßen mehr als 400 namenlose politische Gefangene aus „weitaus nobleren Gründen“ – langjähriges und aufopferungsvolles Engagement für Selbstbestimmung, Demokratie, Frieden und Gerechtigkeit – hinter Gitter. Und viele von ihnen seien während der Regierungszeit von Benigno Aquino III. meist unter fadenscheinigen Vorwänden inhaftiert worden, als de Lima Justizministerin war.

Protokolle: Toni Keppeler, Ralf Leonhard, Tobias Schäfer und Rainer Werning

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erschienen in Ausgabe 4 / 2017: Die Versuchung des Populismus
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