Geister, Harmonie, Gerechtigkeit

Zum Thema
Evangelikale Christen in den USA
Umweltschutz
Fünf Menschen aus dem Süden berichten, was sie bewegt, sich für Umweltschutz einzusetzen.

„Wir sorgen uns um das Menschenrecht auf Wasser“

Ich bin Agraringenieur, habe später noch Theologie studiert und betreue heute als Pastor der Lutherischen Kirche die Gemeinde Tonacatepeque bei San Salvador. Wir leiden dort wie im ganzen Land unter vielen Naturkatastrophen: Erdbeben, Überschwemmungen, lange Trockenperioden. Wir wollen das nicht als Schicksal hinnehmen, und so bin ich seit sieben Jahren Koordinator des Katastrophenschutzes meiner Kirche. Wir nennen das „Bewahrung der Schöpfung Gottes“.

Dabei geht es zunächst darum, organisatorisch auf Katastrophen vorbereitet zu sein. Aber wir versuchen auch, auf die Politik Einfluss zu nehmen. Seit 2010 nehmen wir aktiv am Wasserforum von El Salvador teil, einem Zusammenschluss von mehr als fünfzig Umweltorganisationen, die sich um das Menschenrecht auf Wasser sorgen. Längst nicht alle Familien haben sauberes Trinkwasser zu Hause. In solchen Foren versuchen wir als Lutherische Kirche zwischen verschiedenen Positionen zu vermitteln und einen Ausgleich zu suchen. Derzeit will die rechte Mehrheit im Parlament die staatliche Wasserversorgung privatisieren und ein Geschäft daraus machen. Das ist gerade unsere größte Sorge.

Aufgezeichnet von Cecibel Romero.

 

„Wir halten uns von religiösen Dingen fern“

Ich halte mich nicht für einen religiösen Menschen. Ich wuchs auf in einer Hindu-Familie, aber zu Hause gab es nur selten Rituale. Dafür legten meine Eltern Wert auf überlieferte Werte und Moral. Meine Arbeit beschäftigt sich mit inklusivem Naturschutz, also Schutz im Verein mit den Menschen vor Ort. Wir helfen Dorfgemeinschaften dabei, ihre Rechte an den Naturressourcen zu sichern und entwickeln mit ihnen Verhaltensweisen, die Naturschutz zum zentralen Ziel des Ressourcenmanagements macht. Auf nationaler und internationaler Ebene bemühe ich mich, solchen Lösungsansätzen Anerkennung zu verschaffen.

Bislang haben wir uns in unseren Kampagnen nicht auf spirituelle Traditionen berufen. Im Gegenteil, wir versuchen, uns möglichst von religiösen Dingen zu distanzieren, denn in der aktuellen Situation, wo die Regierung eine bestimmte Religion zum Staatsideal erklärt, könnte das leicht missverstanden werden. Auch auf Dorfebene vermeiden wir enge religiöse Assoziationen, denn häufig haben wir es mit Menschen unterschiedlichen Glaubens zu tun. Da würde eine Anlehnung an eine bestimmte Religion die Anhänger anderer Gemeinschaften diskriminieren und abstoßen.

Aufgezeichnet von Rainer Hörig.

„Das harmonische Leben mit der Natur gehört zu unserem Erbe“

Für die balinesische Kultur und Religion ist die Natur sehr wichtig: Alles muss miteinander im Einklang stehen. Mehrmals täglich bringen wir unseren Göttern Opfergaben – nicht nur im Tempel, sondern auch auf Straßen und Feldern, auf den Bergen und am Meer. Wir haben sogar einen speziellen Feiertag für die Natur. Wenn Touristen zu uns in den Tempel kommen, versuche ich, ihnen zu erklären, warum wir in unserem Dorf keine großen Hotels oder Restaurants wollen. Unser Nachbarort ist das Touristenzentrum Ubud: Dort verdienen die Leute zwar viel Geld, aber sie leben täglich mit Stau und Menschenmassen. So geht nicht nur die Umwelt kaputt, sondern auch das spirituelle Leben verloren.

Natürlich müssen die Einwohner von Pejeng ebenfalls eine Möglichkeit haben, sich wirtschaftlich zu entwickeln. Unser Dorf hat einen Garten, in dem Bauern Techniken der ökologischen Landwirtschaft lernen können. Die Frauen können in einer Manufaktur Naturbatik mit pflanzlichen Farben herstellen. Den Tourismus hat unser Dorfchef auf eine möglichst kleine Zone begrenzt, in der strenge Regeln für die Bewahrung unserer Kultur und Umwelt gelten. Nicht alle verstehen das. Dann erinnere ich die Leute daran, dass das harmonische Leben mit der Natur zu den wichtigsten Dingen gehört, die unsere Vorfahren uns mitgegeben haben.

Aufgezeichnet von Christina Schott.

„Die Flussgeister erhalten das Gleichgewicht“

Ich bin Kokama-Indigena und lebe in Nauta, einer kleinen Stadt im peruanischen Amazonasgebiet. Von klein auf musste ich mit meinen Eltern ständig vor der Verschmutzung der Ölindustrie flüchten. Die Fische starben, wir hungerten. Mit drei Jahren verstand ich das noch nicht, aber ich litt und es sensibilisierte mich, Mutter Fluss zu schützen. So wurde ich Umweltschützer. Wir Kokamas stehen heute vielen Bedrohungen gegenüber. Der Rio Marañon, einer der wichtigsten Amazonasquellflüsse, soll begradigt und ausgebaggert werden, als Transportroute für Monokulturen wie Ölpalmen und Kakao. Und stromaufwärts sollen 20 Wasserkraftwerke entstehen. Dagegen kämpfen wir, denn wir wollen auf unserem Land im Einklang mit der Natur leben. Unsere Kultur pflegt ein sehr inniges Verhältnis zu Mutter Fluss. Die Geister, die dort leben, erhalten gemeinsam mit unseren Schamanen das Gleichgewicht zwischen allen Wesen. Nicht alle Kirchen hier verstehen die Bedeutung dieses Dialoges mit der Natur. Einige evangelikale Fundamentalisten verteufeln unsere Schamanen gar als Dämonen. Aber es gibt auch Respekt und Unterstützung. Das örtliche Vikariat unterstützt uns beim Radiomachen – ein Schlüssel für kreativen Widerstand ohne Gewalt.

Aufgezeichnet von Nils Brock.

„Umweltschutz ist eine Frage der Gerechtigkeit“

Wir dürfen uns nicht vor der Frage des Klimawandels drücken, da er zu zahlreichen Konflikten führt. Im Nordosten Nigerias erleben wir, dass es weniger und kürzer regnet. Die Wasserknappheit schafft Streitigkeiten zwischen Dörfern. Auch sinken die Erträge der Bauern, deshalb können einige ihre Familien nicht mehr ernähren, ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen und die Kinder nicht mehr in die Schule schicken. Betroffen ist nicht nur Nigeria, sondern ganz Afrika südlich der Sahara. Das ist der Kirche bewusst. Wir haben bereits Workshops besucht, müssen aber mehr tun. In der Diözese Yola gibt es deshalb nun einen Strategieplan: Wir wollen die Umwelt-Enzyklika von Papst Franziskus in allen 601 Gemeinden umsetzen, weil wir so die Menschen vor Ort erreichen können. Umweltschutz ist für die Kirche schließlich auch eine Frage der Gerechtigkeit, die jeden etwas angeht. Deshalb spreche ich solche Themen im Sonntagsgottesdienst an.

Aufgezeichnet von Katrin Gänsler.

 

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erschienen in Ausgabe 9 / 2017: Religion und Umwelt
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