Der „grüne Bischof“ und seine Mitstreiter

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Atomkraftgegner in Südafrika
In Südafrika setzen sich unterschiedliche Glaubensgemeinschaften gemeinsam für den Schutz der Umwelt ein. Im April konnten sie den Ausbau der Atomkraft am Kap vorläufig stoppen.

Bischof Geoff Davies hat gerade in der St. Georgs-Kathedrale in Kapstadt sein Gebet beendet. Er kramt unter dem Altar. Doch zum Vorschein kommt weder Bibel noch Brot – sondern ein schwarzer Müllsack. Davies stülpt ihn um: Plastikflaschen, Dosen und Bananenschalen häufen sich auf dem heiligen Marmorboden. „Gottes Werk ist wundervoller als alles, was wir zu schaffen vermögen“, ruft er seiner Gemeinde zu. „Und trotzdem schütten wir Gottes Welt täglich und ohne Rücksicht auf unsere Zukunft mit Müll zu.“

Das war vor zehn Jahren – und mit seiner Müllpredigt schockierte der südafrikanische Bischof damals nicht nur die anglikanische Gemeinde. Weit über kirchliche Kreise hinaus sorgte der geistliche Umweltschützer für Gesprächsstoff und Schlagzeilen. „Grüner Bischof“ wird der heute 76-Jährige genannt. Der Aufschrei, der seiner Mahnung folgte, hat seine Haltung gegenüber Südafrikas Umweltproblemen nur bestärkt. Gemeinsam mit anderen führenden

Religionsvertretern gründete Davies vor zwölf Jahren das „Umweltinstitut der Glaubensgemeinschaften“ (SAFCEI), eine Organisation, die seither lautstark für den Erhalt der bedrohten Natur kämpft. Das Spektrum ihrer Arbeit reicht von Ernährungssicherheit und Klimaschutz über Wasserversorgung bis hin zum Widerstand gegen die Pläne der südafrikanischen Regierung, die Kernenergie auszubauen und mit Hilfe von Fracking Schiefergas zu fördern. Sie finanziert sich über Spenden, Mitgliedsbeiträge lokaler Gemeinden sowie Fördermittel unter anderem von Brot für die Welt und Norwegian Church Aid (NCA). Ihre Religion unterscheidet die Aktivisten von traditionellen Umweltschützern wie dem World Wide Fund for Nature (WWF) oder Earthlife Africa. Im Vorstand des Institutes sind verschiedene Glaubensrichtungen vertreten, derzeit besteht er aus einer buddhistischen Nonne, einem muslimischen Scheich und einer presbyterianischen Pfarrerin. Die Freiwilligen, die sich bei Protesten engagieren, Müll aufsammeln oder ihre Nachbarn von einer nachhaltigeren Lebensweise zu überzeugen versuchen, stammen alle aus Kirchen, Moscheen und Synagogen.

Seinen bislang größten Erfolg hat das Institut in diesem Jahr gefeiert. Mit einem Gerichtsverfahren und wöchentlichen Protestaktionen vor dem südafrikanischen Parlament in Kapstadt hat es das 68 Milliarden Euro teure Atomprogramm der Regierung vorläufig gestoppt. Die Regierung wollte in den kommenden 15 Jahren acht neue Kernkraftwerke bauen, teilweise in Naturschutzgebieten. Weder die Bevölkerung noch das Parlament wurden zu den Plänen befragt. SAFCEI hat die Pläne deshalb vor dem Obersten Gerichtshof angefochten.

„Die Regierung muss aufhören, den Südafrikanern ein Energiemodell aufzudrücken, mit dem sie gleich mehrere Generationen verschuldet“, sagt Francesca de Gasparis, die Geschäftsführerin von SAFCEI. Dank neuer Technologien sei Strom aus Wasser- und Sonnenenergie produktiver und kostengünstiger als Atomstrom. Zudem witterte Gasparis Korruption. So seien Freunde des umstrittenen Staatspräsidenten Jacob Zuma mit der Planung der Kernkraftwerke beauftragt worden, sagt sie, auch besäßen sie das einzige Uranbergwerk des Landes.

Atomstromprogramm der Regierung gestoppt

Im April erklärten die Richter die Verhandlungen über das Atomstromprogramm, die Südafrikas Politiker ohne Wissen des Parlaments oder der Bevölkerung mit Südkorea, Russland und den USA geführt hatten, für „verfassungswidrig“. Für das Atomstromprogramm bedeutete dies das Ende – zumindest vorläufig. Denn um die Energieversorgung des Landes zu sichern, führt nach Ansicht von Umweltministerin Mmamoloko Kubayi kein Weg an der Kernkraft vorbei. Die Regierung will erneut mit den Partnerstaaten über den nuklearen Ausbau verhandeln. Sollten die Gespräche wieder hinter verschlossenen Türen stattfinden, erwägen die Glaubensgemeinschaften eine erneute Klage.

In Südafrika, das in den vergangenen Jahren Dutzende Korruptionsskandale erlebte, meint der inzwischen in den Ruhestand getretene Bischof Geoff Davies: „Viele Leute vertrauen religiösen Oberhäuptern mehr als politischen Führern.“ Er erinnert sich an die Begegnung mit einem alten Mann, der ihm für sein Theologiestudium in London mit auf den Weg gab: „Wenn du etwas Gutes tun willst, setze dich für die Wehrlosesten ein, die Natur hat keine Stimme.“ Nicht immer traf der „grüne Bischof“ auf Verständnis für sein Engagement. „Weshalb sollte man den Löwen retten, wenn daneben ein Kind verhungert?“ lautete der Einwand vor allem religiöser Hilfsorganisationen. Davies hingegen betrachtet den Menschen und seine Umwelt als Einheit. Es brauche einen „alternativen Ansatz auf Grundlage von Moral und Ethik, um eine gerechtere und nachhaltige Zukunft für alles Leben auf dem Planeten, unserem einzigen Zuhause, zu schaffen“, sagt er.

SAFCEI unterstützt in Kirchen, Moscheen, Tempeln und Synagogen sogenannte „Ökogemeinden“. Das sind Gläubige, die einen Schwur für ein nachhaltigeres Leben abgelegt haben: Sie trennen Müll, sparen gemeinsam Ressourcen, bebauen Gemeinschaftsgärten und nehmen bei ihrer Gemeindearbeit Rücksicht auf den Umweltschutz. Die Idee habe sich bis in Südafrikas Armenviertel verbreitet, erzählt Geschäftsführerin Gasparis: „Wir arbeiten mit einigen afrikanisch-christlichen Kirchen in Khayelitsha zusammen, der zweitgrößten Township des Landes. Sie kümmern sich um die Versorgung mit Lebensmitteln und sauberem Wasser.“

Gegen Fracking und große Bauprojekte

Wasser ist ein großes Thema für SAFCEI. Derzeit erlebt Südafrikas Westen die stärkste Dürre seit mehr als hundert Jahren. Bis September sollen die Reserven für Kapstadts Wasserversorgung noch ausreichen. Was danach kommt, weiß niemand. Dasselbe gilt für die Farmen rund um die Township Philippi. Die Agrarflächen vor den Toren Kapstadts sind der Brotkorb der Region und produzieren 80 Prozent des Gemüses, das später in den Supermärkten landet. Gasparis kritisiert die Stadtverwaltung, die der Wasserverschwendung zu lange zugesehen hat. „Wir hoffen, dass die Regierung die aktuelle Krise zum Anlass nimmt, ihre Wasserplanung neu zu überdenken.“

###autor###Neben der Wasserknappheit bedrohen Bauprojekte die Ernährungssicherheit der vier Millionen Kapstädter.  SAFCEI arbeitet eng mit den Farmern zusammen, informiert die Bevölkerung vor Ort und sammelt Unterschriften für eine Schutzzone, um die Felder vor den Ausbauplänen der Stadtregierung schützen. Besonderes Augenmerk lege die Organisation darüber hinaus auf die Rohstoffindustrie, darunter die Pläne der Regierung, durch Fracking-Technik Schiefergas in der Karoo-Wüste im Südwesten des Landes zu fördern. „Der Sektor verkauft seine Absichten oft als Entwicklungsprojekte“, sagt die Mitgründerin des Instituts und Ehefrau des „grünen Bischofs“, Kate Davies. „Tatsächlich schaffen Projekte in der Öl- und Gasförderung nur einige wenige Arbeitsplätze, während sie Landschaften und traditionelle Lebensweisen bedrohen.“

SAFCEI hat Christen, Muslime, Juden und andere Religionen zusammengebracht, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. „Unsere Welt ist dann gesund, wenn sie vielseitig ist, in der Umwelt wie auch bei den Menschen“, meint Bischof Davies. Gasparis, die täglich mit Vertretern verschiedener Religionen zu tun hat, sieht den Erhalt der Natur als „gemeinsame Sprache der Religionen“. Bibel und Koran riefen den Menschen etwa auf, „nicht die Balance zu stören“ beziehungsweise „über die Schöpfung zu wachen“. Darüber hinaus forderten auch die Lehren des Buddhismus und des Quäkertums eine „richtige Beziehung“ zur Umwelt. Die heiligen Schriften seien entscheidend, um den Gläubigen Umweltschutz näherzubringen.

Zurzeit unterhält SAFCEI Büros in Kapstadt und Pretoria. Doch die Aktivisten wollen noch mehr Gemeinden in Afrika erreichen – dem Kontinent, der in den kommenden Jahren am stärksten unter den Auswirkungen des Klimawandels leiden wird. Regelmäßig bilden sie Glaubensführer aus Nachbarländern aus, ob Muslime aus Simbabwe, Katholiken aus Sambia oder Presbyterianer aus Mosambik. Einer der Teilnehmer, der anglikanische Pfarrer Blessing Shambare aus Simbabwe, ist überzeugt: „Eine bessere Umwelt ist möglich, wenn Glaubensorganisationen einen Wandel anstoßen und selbst zu Bewahrern der Natur werden.“

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erschienen in Ausgabe 9 / 2017: Religion und Umwelt
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