„Von den alten Parteien absetzen“

Wahlen in Mexiko
Silke Pfeiffer von Brot für die Welt über den Wahlsieg des linken Kandidaten Andrés Manuel López Obrador in Mexiko.

Im Vorlauf der Wahl am vergangen Sonntag wurden über hundert Politiker ermordet. Kann man da noch von freien Wahlen sprechen?
So gesehen ist das schwierig. Aber die Gewalt war ja leider keine Ausnahme. In Mexiko werden jeden Tag über 100 Menschen ermordet, nicht nur Kriminelle und Bandenmitglieder, sondern auch viele einfache Bürger. Man wundert sich, dass es deshalb nicht noch einen viel größeren Aufschrei gibt. Im Wahlkampf waren die Morde und vor allem die Krise der Menschenrechte kein großes Thema. Auch für López Obrador nicht. Er hat vor allem mit dem Thema Korruption gepunktet.

Wie will der künftige Präsident das Problem angehen?
Konkrete Pläne sind nicht bekannt. Obrador hat im Wahlkampf allein auf die Glaubwürdigkeit seiner Person gesetzt. Dass er anders als seine Gegenkandidaten nicht in Korruptionsfälle verwickelt war. Aber das Thema ist für ihn so zentral, dass er jetzt liefern muss: Er sagt, wenn wir die Korruption in den Griff bekommen, lösen wir auch viele andere Probleme wie die Armut, die Gewalt und den Drogenkrieg. Und da ist etwas dran. Die Frage ist nur, wie er das angehen will.

Was lässt sich denn gegen die Macht der Drogenkartelle unternehmen?
Man hört immer wieder, dass der mexikanische Staat Opfer der Drogenkriminalität ist. Aber das ist ein Irrglaube: Große Teile der politischen Elite sind darin verwoben und profitieren massiv davon. Das wird auch am berühmten Fall der 43 verschwundenen Studenten von Ayotzinapa aus dem Jahr 2014 deutlich, in den Polizeikräfte, Militär und kriminelle Kräfte verwickelt sind. Es muss darum gehen, die Allianzen zwischen staatlichen und kriminellen Strukturen aufzubrechen. Und dafür braucht es eine wirksame Justiz, die Verantwortliche zur Rechenschaft zieht.

Brot für die Welt arbeitet mit vielen Menschenrechtsorganisationen in Mexiko zusammen. Was erhoffen sich Ihre Partner von López Obrador?
Von Seiten der Zivilgesellschaft gibt es zwei zentrale Forderungen: Zum einen, eine wirklich  unabhängige Generalstaatsanwaltschaft zu schaffen. Zum anderen, sich von außen beim Kampf gegen die Straflosigkeit unterstützen zu lassen. Guatemala und Honduras haben gute Erfahrungen mit internationalen Kommissionen gemacht, die bei wichtigen Fällen ermitteln und die Justiz beraten. Obrador hat sich zu dieser Idee bekannt. In Mexiko gibt es viele gute Gesetze, etwa gegen Folter und gegen das gewaltsame Verschwindenlassen. Aber sie werden nicht umgesetzt. Auch da ist der neue Präsident gefragt.

Auch die Bekämpfung der Armut, die in den vergangenen Jahren wieder gewachsen ist, steht auf Obradors Agenda. Was ist da zu erwarten?
López Obrador setzt vor allem auf eine Stärkung des Binnenmarkts und will sich auch mehr um Kleinbauern kümmern. Wichtig wäre, generell mehr für die Entwicklung der ländlichen Gegenden zu tun, in denen sich die Armut konzentriert. Also die Landrechte der Kleinbauern zu sichern, Zugang zu Produktionsmitteln und Absatzmärkten zu schaffen. Die Vorgängerregierungen haben hier vieles kaputt gemacht, indem sie nur Geld verteilt, aber keine Strukturen aufgebaut haben. Stattdessen haben sie mit der Hilfe politische Unterstützung erkauft. Auch da war wieder viel Korruption im Spiel.

Trauen Sie López Obrador zu, dass er tatsächlich etwas bewegt und seine Wahlversprechen umsetzt?
Ein positives Zeichen ist, dass er die Wahl so deutlich gewonnen hat. Das gibt ihm viel Rückhalt und eröffnet die Chance auf wirkliche Veränderungen. Und er will sich von den alten Parteien absetzen, die jahrzehntelang das Land regiert haben. Das stimmt mich vorsichtig optimistisch.

Das Gespräch führte Sebastian Drescher

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