Deutsche Symbolpolitik

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Syrien
Berlin debattiert über einen Angriff auf die syrische Armee. Klingt wie ein Witz, wäre die Lage nicht so schrecklich, meint Tillmann Elliesen.

Die Bundesregierung hat es nun auch mitbekommen: In Syrien herrscht Krieg. In Syrien werden Menschenrechte verletzt. In Syrien werden Kriegsverbrechen begangen. Dabei wollen das Verteidigungsministerium sowie etliche Politiker aus Regierung und Opposition nun nicht länger zusehen: Falls das syrische Regime die letzte Rebellenhochburg Idlib mit Giftgas angreifen wolle, müsse Deutschland sich an einer möglichen militärischen Aktion dagegen beteiligen. „Grundsätzlich muss man bereit sein, Kriegsverbrechen aktiv entgegenzuwirken“, sagt der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen im Interview mit der „Frankfurter Rundschau“. Und der CSU-Bundestagsabgeordnete Christian Schmidt sagt in der „Bild“: „Deutschland muss bereit sein, sich an internationalen – auch militärischen – Aktionen zu beteiligen, die ein Blutbad in der nordsyrischen Region Idlib verhindern werden.“

Autor

Tillmann Elliesen

ist Redakteur bei "welt-sichten".
Man könnte laut loslachen angesichts solcher markiger Sprüche – wenn es denn nicht so todtraurig und so fürchterlich wäre, was dem syrischen Volk seit sieben Jahren angetan wird. Seit 2011 hätten Deutschland und seine Verbündeten Kriegsverbrechen „aktiv entgegenwirken“ können, wie Röttgen das jetzt fordert. Und spätestens seit Ende 2016 war klar, dass es ein Blutbad in Idlib geben wird, das Schmidt jetzt verhindern will. Denn seitdem erobert die syrische Armee mithilfe Russlands und Irans eine Rebellenhochburg nach der anderen und verfrachtet die überlebenden Oppositionellen nach Idlib – um sie eben dort jetzt zu massakrieren, einzukerkern oder außer Landes zu treiben. Es ist nicht bekannt, dass Berlin, Washington, London und Paris sich in den vergangenen zwei Jahren ernsthaft angestrengt haben, das zu verhindern.

Vielleicht konnten sie das auch gar nicht. Norbert Röttgen glaubt zwar, die Drohung mit einem Angriff unter Beteiligung Deutschlands könne Syrien von einem Giftgasangriff abschrecken. Doch das ist unwahrscheinlich. Die Russen bauen dem jetzt schon vor und sagen: Wenn Giftgas eingesetzt wird, waren es die Rebellen selbst.

Der Westen hat in Syrien nichts mehr zu melden

Fakt ist: Der Westen hat in Syrien nichts mehr zu melden, die Chance, gestaltend in den Konflikt einzugreifen, hat er schon vor Jahren verspielt. Jetzt mit einem Angriff zu drohen, ist reine Symbolpolitik. Ein solcher Angriff könnte sogar alles noch schlimmer machen, indem er den Krieg und damit das Leiden der Zivilbevölkerung verlängert, ohne an seinem Ergebnis etwas zu ändern.

Präsident Assad hat den Krieg gewonnen – diesen Satz auszusprechen tut weh angesichts der Verbrechen, die er an seinem Volk verübt hat, und angesichts des jahrelangen Kampfes der zivilen Opposition für ein friedliches, demokratisches Syrien. Es bleibt die Hoffnung, dass zumindest die schweren Waffen schweigen werden, sobald Idlib wieder unter der Kontrolle der syrischen Regierung ist. Es wird kein Frieden herrschen in Syrien, eher eine Friedhofsruhe, aber es wird hoffentlich keine Fassbomben mehr regnen.

Angesichts dieser düsteren Aussicht ist es unfreiwillig zynisch, wie Norbert Röttgen über eine Beteiligung an einem Luftangriff gegen Assad redet: „Deutschland befindet sich in einem Lernprozess in der Frage, was von uns verlangt wird und was wir uns zutrauen können.“ Als gehe es um uns, um das ängstliche Kind Deutschland, das sich auf dem Spielplatz endlich mal auf den Kletterbaum wagen soll. Und als ginge der Krieg weiter, nur weil wir uns nicht trauen, ein Machtwort zu sprechen.

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