Wo Entwicklungspolitik auf Wirtschaft trifft

EZ-Sprache
Die Sprache der Betriebswirtschaft hat Einzug in die Entwicklungszusammenarbeit gehalten – ein kleines Begriffslexikon

Blending
Bezeichnet das Mischen von öffentlichen Mitteln für Entwicklungszusammenarbeit mit Kapital anderer öffentlicher und privater Investoren wie Unternehmen, Banken und Entwicklungsagenturen. Auf diese Weise soll mehr privates Geld in Entwicklungsländer geschleust werden – zum Beispiel dadurch, dass mit öffentlichen Mitteln ein Projekt wie der Bau einer Straße oder eines Kraftwerks angestoßen wird in der Hoffnung, dass private Investoren einsteigen. Die Europäische Union hat im vergangenen Jahr zu diesem Zweck den Europäischen Fonds für nachhaltige Entwicklung aufgelegt. Mit den gut vier Milliarden Euro darin will sie 44 Milliarden Euro privates Kapital „hebeln“. Unrealistisch, sagen Fachleute.

Development Impact Bonds
Auf Deutsch: Entwicklungsanleihen. Sie sind der neueste Schrei und der vorläufige Höhepunkt in der Privatisierung von Entwicklungszusammenarbeit: Eine Hilfsorganisation oder eine Regierung lassen sich von privaten Investoren das Geld ###imfo-1###für ein Entwicklungsprojekt vorfinanzieren. Werden die mit den Investoren vereinbarten Ziele erreicht, erhalten die Anleger ihr Kapital vom Staat oder auch von einer Stiftung inklusive einer Rendite zurück; praktisch wird dann künftige Entwicklungshilfe mit Hilfe von Krediten zeitlich vorgezogen. Scheitert das Projekt, kriegen die Investoren nur einen Teil erstattet. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz finanziert derzeit auf diese Weise drei Rehabilitierungszentren für Kriegsopfer in Afrika. In der internationalen Zusammenarbeit ist das noch relativ neu, in der innerstaatlichen Sozialpolitik wird diese Form der öffentlich-privaten Zusammenarbeit mittels Social Impact Bonds schon länger ausprobiert – zum Beispiel in Großbritannien für die Resozialisierung von ehemaligen Strafgefangenen.

Effektiver Altruismus

Autor

Tillmann Elliesen

ist Redakteur bei "welt-sichten".
Eine noch relativ junge Philosophie, wonach Menschen, die Gutes tun wollen, wissenschaftlich rational abschätzen sollten, wie sie dabei ihre Mittel – Geld wie Zeit – am wirksamsten einsetzen. Zum Beispiel könne es sinnvoller sein, sich einen gut bezahlten Job zu suchen und vom hohen Verdienst viel für gute Zwecke zu spenden, als in einer entwicklungs- oder umweltpolitischen Initiative unbezahlt mitzuarbeiten. Effektive Altruisten rechnen auch genau durch, wo zusätzliche Spenden das meiste Leid vermeiden oder lindern. Kritiker der Bewegung wenden ein, das laufe auf eine Entpolitisierung von sozialem Engagement hinaus. Die Ursachen für Not und Ungerechtigkeit gerieten beim Effektiven Altruismus in den Hintergrund.

Impact Investing
Sammelbegriff für Geldanlagen, mit denen soziale sowie umwelt- und entwicklungspolitische Anliegen gefördert werden sollen. Das können zum Beispiel Development Impact Bonds oder ein Social Business sein. Impact Investing – wirkungsorientiertes Investieren – reicht nach Ansicht seiner Vertreter weiter als nachhaltiges Investieren, bei dem es in erster Linie darum geht, schädliche Investitionen zu vermeiden. Beim Impact Investing steht der aktive Beitrag zu einer angestrebten Wirkung im Vordergrund. Dafür gibt es mittlerweile auch spezielle Fonds, an denen Anleger sich beteiligen können. Der Impact Investor Charly Kleissner schätzt, dass derzeit etwa 250 Millionen US-Dollar wirkungsorientiert investiert sind (siehe Seite 18). Klingt viel, sind aber nur etwa 0,25 Prozent des auf den internationalen Finanzmärkten umhervagabundierenden Kapitals.

Mikrokredite
Die Idee ist, armen Menschen, die keinen Zugang zu Kapital haben, kleine Beträge zu leihen, die sie produktiv investieren. Mikrokredite galten einmal als Wunderwaffe in der Armutsbekämpfung, und ihr Erfinder Muhammad Yunus, der vor 35 Jahren in Bangladesch die Gram­een Bank gegründet hat, wurde mitunter verehrt wie ein Heiliger; 2006 wurde er mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Bis sich in etlichen Forschungsarbeiten herausstellte, dass es auch ein paar Nachteile gibt: Zum einen ist die entwicklungspolitische Wirkung von Mikrokrediten nicht so groß wie anfangs gedacht. Die Kreditnehmer kommen selten wirklich aus der Armut heraus, in den meisten Fällen helfen ihnen die Darlehen lediglich, den Kopf über Wasser zu halten. Zum anderen erschütterten vor einigen Jahren Medienberichte aus Indien die Branche, laut denen etliche Kreditnehmer sich hoffnungslos überschuldet hatten. Seitdem gelten Mikrokredite vielen als heimtückisches Werkzeug, mit dem selbst die Ärmsten der Armen in die kapitalistische Ausbeutungsmühle gezwungen werden.

PPP
Steht für Public-Private-Partnership, öffentlich-private Partnerschaft. In der Entwicklungszusammenarbeit sind das Projekte, in denen eine staatliche Agentur mit einem Privatunternehmen kooperiert. PPPs sind gewissermaßen die Urform, in der Wirtschaft auf Entwicklungspolitik trifft. In Deutschland gibt es dafür seit Ende der 1990er Jahre das Programm develoPPP.de: Europäische Unternehmen können Investitionen vorschlagen, und wenn das Entwicklungsministerium einen entwicklungspolitischen Nutzen sieht, fördert es das Projekt, um diesen Nutzen zu verstärken. Eine Evaluierung kam im vergangenen Jahr allerdings zum Ergebnis, dass der entwicklungspolitische Wert von develoPPP.de nicht sehr groß ist.

Social Business
Auf Deutsch: Sozialunternehmen. Die Firmen arbeiten zwar nach betriebswirtschaftlichen Regeln, doch die größtmögliche Rendite ist nicht ihr oberstes Ziel. Als Erfinder des Sozialunternehmens gilt Muhammad Yunus, der Vater der Mikrokredite. Sozialunternehmen wollen gesellschaftlich etwas bewirken, aber nicht abhängig von Geldgebern sein, sondern das erforderliche Geld selbst erwirtschaften. Auch manche Hilfsorganisationen, etwa die Welthungerhilfe, finden Gefallen an dem Konzept und fördern als Alternative zur traditionellen Projektfinanzierung solche Unternehmen, bis sie auf eigenen Beinen stehen.

 

 

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erschienen in Ausgabe 10 / 2018: Privates Geld gesucht
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